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Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer

Munition im Meer - Einleitung

Die heutige Gesellschaft nimmt die Schrecken des Kriegs überwiegend nur noch über mediale Aufbereitungen von Film-, Foto- und Schriftdokumenten wahr. Gleichwohl sind die Vermächtnisse vergangener Kriege Bestandteil unserer Gegenwart, in Deutschland und in sehr vielen anderen Ländern der Erde.

Letzte Aktualisierung: 08.07.2014

Weltkriegsopfer in der Gegenwart?

Wenn eine Fliegerbombe nach Jahrzehnten im Boden versehentlich zur Explosion gebracht wird, dabei Menschen verletzt und tötet, oder weißer Phosphor aus einer Brandbombe an einem deutschen Badestrand angeschwemmt wird und arglosen Bernsteinsuchern nach dem Aufsammeln die Haut verbrennt, fordern vergangene Kriege weitere Opfer. Solche Ereignisse sind in ihrer Tragik offensichtlich und haben ihre Ursache in den Hinterlassenschaften der Weltkriege. Weniger offensichtlich sind die Wechselwirkungen von „entsorgter“ Munition mit der Umwelt, wobei vor allem die Meere, die Binnengewässer und der Boden betroffen sind.

Unser Wissen über das Ausmaß der Belastung mit Kampfmitteln und deren Auswirkung auf das Ökosystem ist nach wie vor begrenzt. Hier setzt der Ergebnisbericht an und schafft die Grundlage für einen systematischen Ansatz zum Umgang mit Munition in unseren Meeren.

Dimension des Problems

Im Rahmen der Betrachtung von Belastungen mit Munition wird generell nach Art der enthaltenen Wirkmittel zwischen konventioneller und chemischer Munition unterschieden (s. Abb. 1). Zwar enthalten alle Munitionstypen chemische Inhaltsstoffe, jedoch bestehen grundlegende Unterschiede in ihrer Wirkung und dem damit verbundenem Einsatzzweck.

Konventionelle und chemische Kampfmittel bzw. Munition
Konventionelle und chemische Kampfmittel bzw. Munition

Während konventionelle Munition Sprengstoffe oder Brandmittel (z.B. weißen Phosphor) enthält und ihre Wirkung dementsprechend durch Detonation oder Inbrandsetzung entfaltet, zeichnet sich chemische Munition durch eine Füllung mit chemischem Kampfstoff aus. Ihr Einsatzzweck ist nicht die Zerstörung von Infrastruktur, sondern vielmehr direkt eine vorübergehende oder endgültige Außergefechtsetzung von Menschen durch die vom Typ des Kampfstoffs abhängige Giftwirkung. Zusätzlich ist die psychologische Komponente der Art und des oftmals verzögerten Auftretens offensichtlicher Verletzungen (z.B. Blasenbildung der Haut) hervorzuheben. Im Gegensatz zu den Inhaltsstoffen konventioneller Munition erscheint die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch chemische Kampfstoffe demnach offensichtlich, weshalb dieser Art von Munition in der Vergangenheit besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Mit Hinblick auf die betreffenden Mengen verlangt jedoch insbesondere die konventionelle Munition eine eingehendere Betrachtung. Angaben über die Menge der versenkten Munition sind widersprüchlich. Geschätzt wird, dass Mengen in der Größenordnung von bis zu 1.800.000 t in deutschen Meeresgewässern versenkt wurden.

Fischer bergen Munition für Rohstoffrückgewinnung

Nach der Versenkung wurden beträchtliche Mengen wieder aus dem Meer geholt und vernichtet: Während Fischer bis 1952 eine nicht quantifizierbare Menge bargen, führten in den Folgejahren bis 1958 Entsorgungsfirmen die Bergung und Verschrottung von schätzungsweise insgesamt 250.000 t vormals versenkter Munition durch. Es ist anzunehmen, dass noch bis zu 1,6 Mio. t konventionelle Munition in deutschen Gewässern der Nord- und Ostsee vorhanden sind, davon rund 1.300.000 t allein im Nordseebereich.

Informationen über chemische Munition

Die vorhandenen Informationen über die Versenkung chemischer Munition weisen zwar Lücken auf, ergeben aber ein deutlich umfangreicheres und detaillierteres Lagebild als dies nach heutigem Kenntnisstand für die konventionelle Munition möglich ist. Demnach sind nach gesicherten Erkenntnissen rund 170.000 t chemische Kampfstoffmunition in der Nordsee (Skagerrak, europäisches Nordmeer, deutsche Bucht) sowie 42.000 bis 65.000 t in der Ostsee (Bornholm-Becken, Gotland-Becken, Kleiner Belt) versenkt worden. Von dieser Gesamtmenge befinden sich rund 90 t in deutschen Meeresgewässern vor Helgoland und rund 5.000 t südlich des Kleinen Belts zwischen Deutschland und Dänemark in unmittelbarer geografischer Nachbarschaft zur deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Im Detail wurden im so genannten Helgoländer Loch mit rund 12 t des Nervenkampfstoffs Tabun gefüllte Artilleriegranaten (rund 6.000 Stück, ca. 90 t) versenkt. Im Bereich des Kleinen Belts liegen noch rund 5.000 t mit Tabun und Phosgen gefüllte Bomben und Granaten. Weitere dort zunächst versenkte Tabun-Granaten (69.000 Stück, ca. 1.000 t) wurden 1959/60 gehoben und im Golf von Biskaya versenkt.

weitere Munitionsbelastete Fläche

Neben diesen bekannten Versenkungsgebieten ist weiterhin zu vermuten, dass auf den Zufahrtswegen vom deutschen Verladehafen Wolgast zum damaligen bestimmungsgemäßen Versenkungsgebiet im Bornholm-Becken noch vereinzelt Munition vorhanden ist. Vage Hinweise über weitere Versenkungen konnten bislang nicht verifiziert werden. Für eine übersichtliche Kartendarstellung des Sachverhalts muss ein Bogen über Flächen geschlagen werden, für die teils eine Munitionsbelastung von wenigen bis hin zu tausenden Tonnen bekannt ist, teils aber auch nur auf Basis eines begründeten Verdachts vermutet wird (s. Abb. 2). Die damit einhergehende Vereinfachung des Sachverhalts ist zunächst nötig, wird jedoch in einer Anlage des Ergebnisberichts durch Detailinformationen und Flächenangaben zu den einzelnen Gebieten ergänzt.

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