Navigation und Service

Thema : Ostseeschutz

Ökosystem Ostsee


Die schleswig-holsteinische Ostsee ist ein großes Ökologisches Kapital. Welche Arten und Lebensräume gilt es hier zu schützen?

Letzte Aktualisierung: 10.07.2023

Zusammenfassung

Die Ostsee ist ein besonderes Meer: Sie ist relativ flach, weitgehend von Landmassen umschlossen und hat nur wenig Wasseraustausch mit Nordsee und Atlantik. Der Salzgehalt der Ostsee ist im Osten sehr gering und im Westen höher. Das führt zu einem besonderen Ökosystem mit einzigartigen und diversen Lebensräumen.

Die Lebensräume am Meeresboden sind ein wesentlicher Baustein im Ökosystem und die Grundlage für die Existenz der Tiere und Pflanzen in der Ostsee und daher besonders schützenswert. Zu den Lebensräumen des Meeresbodens zählen Riffe, Bestände von Großalgen und Seegras, dauerhaft überspülte (sublitorale) Sandbänke sowie Windwatten, welche als Biotope gesetzlich geschützt sind. Sie beherbergen unterschiedlichste Tier- und Pflanzengemeinschaften und erfüllen somit eine zentrale Rolle für den Erhalt der marinen Artenvielfalt. Neben ihrer Funktion als Siedlungsraum bilden sie auch eine Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl von Arten wie z.B. Fische, marine Säuger und verschiedene Küstenvogelarten. Darüber hinaus verbessern sie die Wasserqualität und tragen zum Küstenschutz bei. Bedingt durch diverse menschliche Belastungen sind diese Lebensräume jedoch bedroht.

Durch einen Nationalpark Ostsee könnte die natürliche strukturelle und biologische Diversität auch zukünftig effektiv geschützt und somit erhalten bleiben.

Vielfältige Lebensräume in der Ostsee

Die Küstengewässer der schleswig-holsteinischen Ostsee beherbergen eine Reihe von Lebensräumen von hoher ökologischer Bedeutung. Riffe, Großalgen und Seegras sowie dauerhaft überspülte Sandbänke sind Lebensraum für charakteristische Tiere und Pflanzen, darunter auch eine Vielzahl geschützter oder bedrohter Arten. Zusätzlich sind sie eine wichtige Nahrungsgrundlage für marine Säugetiere und Meeresvögel. Sie sind sowohl durch die EU Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als auch durch nationales Recht geschützt.

Riffe, Großalgen und Seegras sowie sublitorale Sandbänke sind integrale Bestandteile der bereits bestehenden Natura 2000 Schutzgebiete, welche die Grundlage für die aktuelle Potenzialkulisse bilden. Trotz der bestehenden Schutzgebiete sind diese Lebensräume jedoch weiterhin bedroht. Auf der Basis neuer Kartierungsergebnisse wurde die Potentialkulisse auch kleinflächig über die bestehenden Schutzgebiete erweitert, mit dem Bestreben, diese wertvollen marinen Habitate zukünftig hinreichend schützen zu können.

Riffe als Hotspot der Biodiversität

Bei dem Wort "Riffe" denken die meisten Menschen zuerst an tropische Korallenriffe mit einer bunten Artenvielfalt. Doch Riffe gibt es auch in den Küstengewässern der schleswig-holsteinischen Ostsee. Hier gehören diese zu den besonders wertvollen Lebensräumen und sind deshalb sowohl durch die EU (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) als auch national (Bundesnaturschutzgesetz) gesetzlich geschützt.

Divers besiedelter Block innerhalb eines Riffvorkommens mit typischem Bewuchs durch Großalgen und Schwämme.
Riff mit typischem Bewuchs durch Großalgen und Schwämme.

Bei Riffen handelt es sich um Bereiche mit natürlichen, vom Meeresboden erkennbar aufragenden, Strukturen, welche durch Stein-oder Blockvorkommen aber auch durch koloniebildende Tierarten gebildet werden. In unseren heimischen Gewässern stellen Riffe einzigartige Ökosysteme und Lebensräume dar. Sie bieten vielfältige Siedlungsmöglichkeiten und Lebensgrundlage für unterschiedlichste Organismen. Riffe stärken deshalb die Biodiversität im Bereich des Meeresbodens und der Küsten der Ostsee und beherbergen hier die artenreichsten Lebensgemeinschaften der Unterwasserlandschaften.

Strandkrabbe und gemeiner Seestern auf bewachsenem Riffblock.
Während die Strandkrabbe ein Nahrungsgeneralist ist, ernährt sich der Seestern hauptsächlich von Miesmuscheln.

Geogene Riffe

Sogenannte Geogene Riffe in der Ostsee entstanden durch die letzte Eiszeit. Nach dem Abschmelzen der Gletscher wurde das Material am Meeresboden abgelagert und es entstanden so Stein- und Blockfelder.

Neben Steinen und Blöcken können Riffstrukturen in der Ostsee auch durch Geschiebemergel gebildet werden. Hierbei handelt es sich ursprünglich um Sediment, welches direkt vom Gletscher an seiner Basis abgelagert wurde.

Geogene Riffe sind wichtige Habitate für eine Vielzahl unterschiedlicher Meeresorganismen. Sie bieten vielfältige Siedlungsflächen für festsitzende Organismen. So entstehen diverse Lebensräume mit Versteck- und Schutzmöglichkeiten für mobile Arten. In den flachen Bereichen zählen neben diversen Tierarten hierzu auch eine artenreiche ein- und mehrjährige Algengemeinschaft. Zusätzlich sind geogene Riffe wichtige Jagdreviere für verschiedene Fischarten, Meeressäuger und Wasservögel. Das Vorkommen vieler Tier- und Pflanzenarten ist somit direkt von dem Vorhandensein und dem Zustand von Riffen im Küstenbereich abhängig.

In der Potenzialkulisse für einen möglichen Nationalpark Ostsee bedeckt der Lebensraumtyp Riffe aktuell insgesamt einen gesicherten Flächenanteil des kartierten Meeresbodens von rund 49 %. Dies verdeutlicht auch die hohe Bedeutung der bestehenden Schutzgebiete, auf denen die Potenzialkulisse ja aufbaut, für diesen Lebensraum.

Insgesamt sind bereits 65 % der schleswig-holsteinischen Hoheitsgewässer kartiert. Weitere Kartierung zur Vervollständigung der Datenlage laufen aktuell. 

Gefährdung

Insbesondere in der schleswig-holsteinischen Ostsee wurden geogene Riffe durch die historische Steinfischerei, welche zwischen dem Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre industriell betrieben wurde, stark reduziert und geschädigt.

Aktuell stellen menschliche, grundberührende Aktivitäten ein erhebliches Gefahrenpotential für die Integrität und Funktionalität von Riffen dar.  

Biogene Riffe

Sogenannte Biogene Riffe werden in der Ostsee im Wesentlichen durch Miesmuschelbänke gebildet, welche sich auf weichem Untergrund entwickelt haben. 

Durch ihre Lebensweise als Filtrierer wirken Miesmuscheln als "Kläranlage" des Meeres. Eine ausgewachsene Muschel filtert bis zu 2 Liter Meerwasser pro Stunde und entfernt hierbei Plankton sowie kleine organische Partikel. Zusätzlich zu ihrer Reinigungsfunktion bilden Miesmuschelkolonien biogene Riffe, welche durch diverse Organismengruppen besiedelt werden. Im Flachwasserbereich bilden Miesmuschelbänke darüber hinaus auch eine wichtige Besiedlungsfläche für verschiedene Algenarten. Die Miesmuschel ist eine Schlüsselart an der deutschen Ostseeküste, da sie vielfältige Funktionen im Ökosystem erfüllt und ein zentrales Element im Nahrungsnetz darstellt.

Filtrierende Miesmuscheln als Teil eines biogenen Riffs.
Miesmuscheln am Riff filtern das Ostseewasser.

Gefährdung

Der Lebensraumtyp Miesmuschelbank wird in der nationalen Roten Liste gefährdeter Biotope und ebenfalls in der Roten Liste der Helsinki Kommission (HELCOM) geführt. In den letzten Jahrzehnten haben die Bestände der Miesmuscheln in Nord- und Ostsee teilweise stark abgenommen. Als Ursache hierfür wird u.a. die Belastung durch Schadstoffe angenommen.

Seegraswiesen – wertvolle Lebensräume im Flachwasser

In der schleswig-holsteinischen Ostsee bilden Bestände von Großalgen und Seegras einen integralen Bestandteil der Lebensräume im Flachwasser. In unseren heimischen Gewässern ist Seegras der prominenteste Vertreter der Weichbodenvegetation. Großalgen benötigen in der Regel einen festen Untergrund, an dem sie sich anheften können, da diese, im Gegensatz zu Seegras, keine Wurzeln ausbilden. Beide Gruppen erfüllen zentrale ökologische Funktionen in den küstennahen marinen Lebensräumen. Als Pflanzen sind sie direkt davon anhängig, wieviel Licht für Photosynthese am Meeresboden ankommt, was in erheblichem Maße durch die Wasserqualität beeinflusst wird.

Seegrasbestände

Bei der Weichbodenvegetation der Ostsee handelt es sich hauptsächlich um sogenannte höhere Pflanzen (Blütenpflanzen), zu welchen auch die Gruppe der Seegräser gehört. In unseren heimischen Gewässern ist diese mit zwei Arten vertreten. Seegras besiedelt vorzugsweise sandige Bereiche des Flachwassers und bildet hier ausgedehnte Sprossensysteme (Rhizome). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Bestände mehrere hundert Jahre alt werden können.

Seegrasbestände können mehrere hundert Sprossen pro Quadratmeter Meeresboden bilden. Der so entstehende Lebensraum ist für viele Tier- und Pflanzenarten Ansiedlungsfläche und Aufenthaltsraum als auch Nahrungsgrundlage. Seegras erfüllt z.B. wichtige Funktionen als Laichort für verschiedene Fischarten und als "Kinderstube" für Jungfische.

Neben ihrer Funktion als Habitat tragen Seegraswiesen auch zum Schutz der Küsten bei. Sie verlangsamen küstennahe Strömungen und mildern die Wirkung von Wellen, was zu einer Stabilisierung des Sediments und verringerter Küstenerosion führt. Zusätzlich führt die Verlangsamung der Strömung dazu, dass vermehrt Partikel und Schwebstoffe absinken, was zu einer Verbesserung der Wasserqualität führt.

Seegrasbestände zählen somit zu den ökologisch wertvollsten und produktivsten Lebensräumen unserer Flachwasserbereiche.

 

Gefährdung

Die Verbreitung von Seegrasbeständen erfolgt hauptsächlich durch das Wachstum der Rhizome und Sprossenbildung. Aus diesem Grund stellen grundberührende Aktivitäten, wie z.B. das Ankern, ein hohes Gefahrenpotential für Seegrasbestände dar.

Für die Photosynthese benötigt Seegras eine ausreichende Lichtintensität am Meeresboden. Diese wird jedoch durch die Nährstoffbelastung und das nachfolgend starke Wachstum von Kleinstalgen (Phytoplankton) stark herabgesetzt. Als Folge ist die aktuelle Tiefengrenze von Seegras deutlich flacher also noch in vorindustrieller Zeit. Aus diesem Grund stuft die Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM) die Seegrasbestände der Ostsee als stark gefährdet ein. Auch national sind Seegraswiesen als Biotoptyp gesetzlich geschützt. 

Großalgen als Lebensräume

Großalgen besiedeln geogene Riffe und Steine und Blöcke im strandnahen Flachwasserbereich an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Großalgen sind meist mehrjährig und beinhalten die Gruppen der Grün-, Rot- und Braunalgen. Ihre Größe variiert, je nach Art, zwischen einigen Zentimetern bis teilweise über 1 m. Ähnlich wie Seegrasvorkommen bilden Großalgen strukturell komplexe Lebensräume, in denen, neben den entstehenden Habitaten, auch die Pflanzen selbst besiedelt werden. In unseren heimischen Gewässern bilden Großalgenbestände somit besonders wertvolle Lebensräume, welche durch eine diverse Artengemeinschaft besiedelt werden. Hierzu zählt eine Vielzahl von Fischarten und wirbellosen Tieren. Wie auch Seegrasbestände sind marine Großalgen in Deutschland gesetzlich geschützt.

Gefährdung

Großalgen sind sehr vielfältig: Insgesamt gibt es 357 einheimische Arten, Unterarten und Varietäten in der deutschen Nord- und Ostsee. Davon gelten nur rund 34 % sicher als ungefährdet. Für viele Arten ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um einen Gefährdungsstatus abzuleiten. Aktuell sind ca. 7% der Arten und Unterarten als bestandsgefährdet eingestuft und weitere 8,5 % gelten bereits als ausgestorben oder verschollen.

Ähnlich wie Seegras sind Großalgen durch erhöhte Nährstoffeinträge und grundberührende menschliche Aktivitäten stark gefährdet. 

Dauerhaft überspülte Sandbänke

Dauerhaft überspülte Sandbänke in der Ostsee sind sandige Erhebungen des Meeresgrundes. Sie können bis dicht unter die Meeresoberfläche reichen, fallen aber bei Niedrigwasser nicht trocken und werden somit ständig durch Meerwasser überspült. Sandbänke sind oft vegetationsfrei oder nur gering bewachsen. Nichtsdestotrotz erfüllen diese Bereiche zentrale ökologische Funktionen in unseren Küstengewässern. Sublitorale Sandbänke sind wichtige Nahrungsgebiete und Kinderstube für eine Vielzahl von Fischarten und beherbergen eine charakteristische Organismengemeinschaft. Die dort lebenden Tiere stellen für rastende und überwinternde Meeresvögel sowie für Meeressäuger überlebenswichtige Nahrungsquellen dar. 

Sublitorale Sandbänke wirken zudem auch als kritische Reservoire für die Regeneration und Rekolonisierung angrenzender Meeresgebiete nach katastrophalen Ereignissen wie Sauerstoffmangel in tieferen Bereichen oder Eiswintern im küstennahen Flachwasserbereich. Nach aktuellen Stand der Kartierungen bilden sublitorale Sandbänke ca. 5 % des Meeresbodens innerhalb der Potenzialkulisse.

Seeskorpion auf Sandbank. Diese Art lebt auf sandigen oder schlammigen Böden zwischen Steinen und Algen.
Der Seeskorpion lebt auf sandigen oder schlammigen Böden zwischen Steinen und Algen und kann seinen Hautton der Umgebung anpassen.

Gefährdung

Die dauerhaft überspülten Sandbänke sind gesetzlich geschützt. Menschliche Störungen der Sedimentstrukturen können den Lebensraum gefährden, z.B. wenn ein natürlicher Sedimenttransport durch künstliche Festlegung unterbunden wird oder Sedimente abgebaut werden. Eine weitere Gefährdung besteht durch grundberührende menschliche Aktivitäten, wie z.B. die Schleppnetzfischerei. 

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link:

Datenschutz

Auswahl bestätigen