1.6 Bewertung der Straßenbeleuchtung
Frage: Bei der Erstbewertung der Straßenbeleuchtung (Anlageklasse 45, ND 30 Jahre) treten in der Praxis bei einigen Gemeinden Probleme auf, da eine korrekte Einzelbewertung aufgrund fehlender Daten nicht möglich ist. Es fehlen Angaben zum konkreten Anschaffungsdatum der einzelnen Straßenlaternen, da kein Straßenlampenkataster vorhanden ist.
Die AK der Straßenlaternen sind zudem sehr unterschiedlich und liegen heute generell wohl zwischen etwa 700 bis 2.000 EUR je nach Ausführung der Straßenlaterne. Historische Anschaffungswerte lagen bei etwa 700-800 EUR. Die Gesamtkosten der Investitionen zur Straßenbeleuchtung können regelmäßig z.B. aus den kameralen Jahresabschlüssen ermittelt werden. Eine konkrete Zuordnung auf eine bestimmte Straßenlaterne oder auch nur eine bestimmte Straße und die Berechnung des Restbuchwertes bzw. der Restnutzungsdauer und damit eine korrekte Einzelerfassung im Inventar und in der Anlagenbuchführung ist aber in Teilbereichen nicht mehr möglich.
Die Straßenlaterne wird generell als ein beweglicher Vermögensgegenstand angesehen, da die Laterne problemlos abgebaut und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden kann. Es stellt sich hier die Frage, ob für die Erstbewertung die Vereinfachung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GemHVO-Doppik angewandt werden darf. Dann könnte eine pauschale Abschreibung von 50% vorgenommen werden und der Restwert über 5 Jahre gemäß GemHVO-Doppik oder ggf. auch länger z.B. über 15 Jahre abgeschrieben werden. Die Bewertung zur EB müsste mit dem gewogenen Durchschnittswert nach § 37 Abs. 3 GemHVO-Doppik vorgenommen werden.
Die Bewertung nach § 37 Abs. 2 GemHVO-Doppik mit einem Festwert scheitert daran, da die Laternen generell nicht regelmäßig ersetzt werden und der Gesamtwert in einer Gemeinde meist auch nicht von nachrangiger Bedeutung ist. Daher müsste aus meiner Sicht grundsätzlich eine Einzelbewertung vorgenommen werden.
Frage 1: Wie wird eine Bewertung der Straßenlaternen nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GemHVO-Doppik für die EB gesehen? Falls diese Vereinfachung nicht möglich ist, wie muss dann bei der Erstbewertung unter den oben genannten Sachverhalt verfahren werden?
Frage 2: Wie ist mit der Straßenbeleuchtung ab 01.01.2008 umzugehen, wenn eine zusätzliche Straßenlaterne unter 1.000 EUR (ohne USt) kostet? Nach § 38 Abs. 4 Satz 2 GemHVO-Doppik ist die Straßenlaterne dann wohl in einen Sammelposten zu buchen.
Falls die Zuordnung zum Sammelposten richtig ist, wäre zu klären, in welchem Sammelposten die Straßenlaternen zu buchen sind. Es könnten nach der Änderung der GemHVO die Sammelposten 0791 oder 0891 genutzt werden. Oder müsste unter 045 ein weiterer Sammelposten eingerichtet werden?
Zu Frage 1
Eine Bewertung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GemHVO-Doppik setzt bewegliche Vermögensgegenstände voraus.
Die handelsrechtliche Kommentarliteratur bedient sich der steuerrechtlichen Abgrenzung:
R 7.1 EStR 2005
R 7.1 Abnutzbare Wirtschaftsgüter
Bewegliche Wirtschaftsgüter
(2) Bewegliche Wirtschaftsgüter können nur Sachen (§ 90 BGB), Tiere (§ 90a BGB) und Scheinbestandteile (§ 95 BGB) sein. Schiffe und Flugzeuge sind auch dann bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie im Schiffsregister bzw. in der Luftfahrzeugrolle eingetragen sind.
(3) Betriebsvorrichtungen sind selbständige Wirtschaftsgüter, weil sie nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen. Sie gehören auch dann zu den beweglichen Wirtschaftsgütern, wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind.
(4) Scheinbestandteile entstehen, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt werden. Einbauten zu vorübergehenden Zwecken sind auch
- die vom Stpfl. für seine eigenen Zwecke vorübergehend eingefügten Anlagen,
- die vom Vermieter oder Verpächter zur Erfüllung besonderer Bedürfnisse des Mieters oder Pächters eingefügten Anlagen, deren Nutzungsdauer nicht länger als die Laufzeit des Vertragsverhältnisses ist.
(6) Zu den selbständigen unbeweglichen Wirtschaftsgütern i.S.d. § 7 Abs. 5a EStG gehören insbesondere Mietereinbauten und -umbauten, die keine Scheinbestandteile oder Betriebsvorrichtungen sind, Ladeneinbauten und ähnliche Einbauten sowie sonstige selbständige Gebäudeteile i.S.d. > R 4.2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5.
Zur Steuerrechtsprechung vgl. auch BFH, Urteil vom 9. 8. 2001 - III R 43/98:
Für die Abgrenzung beweglicher Sachen genügt für die Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsguts nicht, dass die Gegenstände einem einheitlichen Zweck dienen. Dem einheitlichen Zweck kommt lediglich eine Indizwirkung zu. Die Rechtsprechung zieht für eine abschließende Beurteilung weitere Kriterien heran. Hierfür sind insbesondere der Grad der Festigkeit einer Verbindung (vgl. § 93 BGB), der Zeitraum, auf den eine evtl. Verbindung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist sowie das äußere Erscheinungsbild von Bedeutung. Ist Letzteres dadurch bestimmt, dass die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder gar ein Gegenstand ohne den oder die anderen ein negatives Gepräge erhält, so ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.
Nach Würdigung dieser Vorgaben dürften Straßen und Vorrichtungen zur Straßenbeleuchtung in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen. Gerade in geschlossenen Ortschaften erscheint die Straße ohne Straßenbeleuchtung unvollständig. Im Übrigen ist eine selbstständige Nutzung keine Voraussetzung für eine selbstständige Bewertung.
Eine Bewertung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GemHVO-Doppik ist daher nicht möglich.
Eine vereinfachte Bewertung und Bilanzierung ist jedoch nach § 37 Abs. 2 GemHVO-Doppik (Festwert) durchaus möglich und wird auch in anderen Gemeinden (auch in anderen Ländern) so praktiziert:
Vorrichtungen der Straßenbeleuchtung
- sind Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens,
- werden regelmäßig ersetzt,
- sind im Gesamtwert für die Gemeinde von nachrangiger Bedeutung und
- unterliegen in Größe, Wert und Zusammensetzung nur geringen Veränderungen.
Die Regelmäßigkeit wird dann erfüllt, wenn ein vorhandener Bestand aufgrund der betrieblichen Gegebenheit nach Abnutzung oder Verbrauch wieder erneuert werden muss. Diese Vorgabe ist auch im Zusammenhang mit der geforderten geringen Veränderung zu betrachten.
Zur nachrangigen Bedeutung: Nach der einschlägigen Literatur wird ein Festwert in Höhe von 5 % der Bilanzsumme noch als nachrangig angesehen.
Der/DieFestwert(e) der Straßenbeleuchtungsvorrichtungen können wie folgt ermittelt werden:
Beim Festwertverfahren wird unterstellt, dass die Abgänge und die Abschreibungen durch Zugänge in der gleichen Periode annähernd ausgeglichen sind. Somit fließen Ersatzbeschaffungen aufwandswirksam in die Ergebnisrechnung. Festwerte bezwecken eine Vereinfachung der Inventur und der Bewertung.
Die Bildung eines Festwertes setzt zunächst eine Inventur voraus sowie die Ermittlung der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten.
§ 38 GemHVO-Doppik sieht Inventurvereinfachungen in der Form vor, dass auf eine vollständige körperliche Erfassung der Vermögensgegenstände verzichtet werden kann, wenn deren Bestand mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden aufgrund von Stichproben ermittelt wird. Das Verfahren muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen. Der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muss dem Aussagewert eines aufgrund einer körperlichen Bestandsaufnahme aufgestellten Inventars gleichkommen.
In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass als anerkannte mathematisch-statistische Methode insbesondere die Zufallsstichprobe in Betracht kommt. Mit der Stichprobeninventur müssen die Grundsätze der Vollständigkeit, der Richtigkeit, der Einzelerfassung und der Nachprüfbarkeit gewährleistet sein. Eine reine Definition am „grünen Tisch“ ohne eine ausreichende Stichprobe ist keine ausreichende Inventurgrundlage, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht.
Die Bildung eines Festwertes kann in der Regel erst erfolgen, wenn sich der Bestand nahezu auf die einzelnen Anschaffungsjahre der Nutzungsdauer verteilt (homogene Altersstruktur). Die Bewertung des Festwertes hat vorrangig mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten zu erfolgen. Hierbei wird die bisherige Abnutzung durch pauschale Abschläge berücksichtigt. In der Praxis werden 40 bis 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt.
Zu Frage 2:
Die Frage setzt voraus, dass eine Erfassung als GWG möglich wäre. Eine Bewertung als geringwertiges Wirtschaftsgut scheidet jedoch aus:
Es fehlt an der geforderten selbstständigen Nutzung. So wie sich ein Kinosaal aus den einzelnen Kinosesseln zusammensetzt, so bilden die einzelnen Straßenlaternen die Beleuchtung einer Straße ab.