1.103 Abschläge wegen öffentlicher Zweckbestimmung bei bekannten AHK
Frage: Im Rahmen der Bewertung von Grundstücken setzen wir (sofern eine Ersatzbewertung mit Bodenrichtwert und Rückindizierung vorgenommen wurde) aufgrund dauerhafter öffentlicher Zweckbestimmung nur einen Wert von 50% (bzw. 20%) des rückindizierten BRW an.
Frage: Wie ist bei bekannten Anschaffungskosten zu verfahren?
Ist hier analog ebenfalls nur ein Wert von 50% anzusetzen oder die vollen bekannten Anschaffungskosten?
Ich tendiere zu den vollen bekannten Kosten und Anwendung der Abschläge nur beim Ersatzwertverfahren.
Da die Voraussetzungen für eine Ersatzbewertung nach § 55 Abs. 2 GemHVO-Doppik nicht vorliegen, findet § 55 Abs. 1 Anwendung, nach dem die (vollen) Anschaffungskosten abzüglich der Abschreibungen anzusetzen sind.
Die im Raum stehende Überlegung, hier analog zur sonst scheinbar übrigen Bewertungspraxis bei Anwendung des zweiten Absatzes eine gleichartige Abwertung vorzunehmen, muss grundsätzlich hinter dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip zurücktreten.
Aus der Fragestellung geht nicht hervor, warum bzw. auf welcher Grundlage die bisherigen Anpassungen um 50% bzw. 80 % vorgenommen wurden. Weiterhin relevant ist auch die Frage, ob es sich bei dem in Frage stehenden Vermögensgegenstand um Infrastruktur handelt:
Im Hinblick auf die Abschläge auf die AHK der übrigen Vermögensgegenstände kann es nämlich irrelevant sein, ob man die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 55 Abs. 1 oder nach Abs. 2 ermittelt.
Die Frage ist, ob eine als dauerhaft angenommene Wertminderung im Sinne von § 43 Abs. 6 GemHVO-Doppik gleichzusetzen ist mit einem Abschlag wegen öffentlicher Zweckbestimmung bei der Verkehrswertermittlung auf Basis des BauGB und hiervon abgeleiteten Rechtsnormen.
§ 43 Abs. 6 GemHVO-Doppik sieht bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen vor. Und diese Abschreibungen sind auch dann durchzuführen, wenn sie die genauen AHK ermitteln können.
Die Bebauung mit einer öffentlichen Einrichtung rechtfertigt nach Ansicht der Kompetenzteams noch keine außerplanmäßige Abschreibung, da mit dieser nicht in jedem Fall eine dauernde Wertminderung einhergeht. Der Verordnungsgeber hat im Falle des Infrastrukturvermögens eine Sonderregelung getroffen (§ 43 Abs. 7 GemHVO-Doppik), da dieses langfristig gewidmet wird und eine abweichende Nutzung oder Veräußerung kaum realisierbar ist.
Grundstücke mit öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Rathäuser oder Kindergärten unterliegen dagegen keiner formalen Nutzungsbeschränkung; sie können grundsätzlich auch ohne Einschränkung veräußert und die Gebäude anderweitig genutzt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund hier eine dauernde Wertminderung i. S. d. rechtlichen Vorgaben eintreten soll.
Vgl. hierzu die Ausführungen des LRH in seinen Handreichungen über die wesentlichen Ergebnisse aus der Querschnittsprüfung 'Eröffnungsbilanzen kommunaler Körperschaften' (http://www.landesrechnungshof- sh.de/file/handreichung_eroeffnungsbilanzen_2009.pdf), Tz. 5.1.2: ,,[So] ... war es nicht erklärlich, warum ein Grundstück mit einem vorhandenen Verwaltungsgebäude in direkter Zentrumslage einen niedrigeren Bodenwert aufweisen soll als die umliegenden Grundstücke".
Einige im Umlauf befindliche Empfehlungen sehen für den bebauten Grund und Boden für gemeindeeigene (öffentliche) Zwecke einen Abschlag von 50 % vor. Hierbei kann es sich um einen gegriffenen Wert in Anlehnung an vergleichbare Handlungsempfehlungen aus anderen Bundesländern handeln. Die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen praktizierten Abschläge von Grundstückswerten bei einer kommunalen Nutzungsorientierung machen nur deshalb Sinn, weil die Abschläge dort von den vorsichtig geschätzten Zeitwerten (= dortige Wertbasis für Eröffnungsbilanzen) vorgenommen worden sind.
Zur grundlegenden Problematik hat sich der LRH 2007 in seiner Querschnittsprüfung "Vermögenserfassung und -bewertung bei der Einführung eines neuen kommunalen Rechnungswesens" kritisch geäußert und lediglich bei Infrastrukturvermögen (Straßen) Wertminderungen gesehen. Es scheint nicht einsehbar, warum der Grund und Boden an (Buch-)Wert verlieren sollte, nur weil auf diesem ein Verwaltungsgebäude, ein Schulgebäude oder ein Kindergarten errichtet wird. „Andernfalls müsste bei zukünftigen Beschaffungsvorgängen sogleich die außerordentliche Abschreibung allein wegen der Grundstücksnutzung für öffentliche Zwecke (voraussichtlich dauernde Wertminderung?) die Regel werden".
Schließlich bleibt festzuhalten, dass, wenn eine außerplanmäßige Abschreibung berücksichtigt wird, diese in allen gleich gelagerten Fällen zu berücksichtigen ist.
Es kommt also darauf an, ob die Gründe für die bisherigen Abschläge als dauerhafte Wertminderung nach § 43 Abs. 6 GemHVO-Doppik ausgelegt werden.