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Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
620 Millionen Euro.
620 Millionen Euro für den ländlichen Raum in den nächsten Jahren bis zum Ende der Förderperiode 2020.
Dass ist ein Erfolg, ein Ergebnis schwieriger Verhandlungen auf der Sonder-AMK im November 2013.
620 Millionen Euro Steuergeld. Mehr als eine halbe Milliarde öffentliches Geld für unser Land – Grund genug für diese Regierungserklärung, um der Öffentlichkeit darzulegen, wie und wofür wir es ausgeben werden.
Dieses Geld wird nicht mit der Gießkanne ausgegeben, sondern verantwortungsvoll und zielgerichtet so eingesetzt, dass Ökologie, Tierschutz, Klima- und Gewässerschutz profitieren. Wir nutzen es, um das Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ umzusetzen. Die Zukunft des ländlichen Raumes wird in diesem Sinn nachhaltig gestaltet.
Im Vordergrund steht dabei die Entwicklung einer nachhaltigen und innovativen Landwirtschaft, bei der Tierwohl und Umweltleistungen gezielt gefördert werden. Hierzu verwenden wir insbesondere die zusätzlichen Mittel, die aus der reinen Flächenprämie der ersten Säule (Direktzahlungen) in die zweite Säule umgeschichtet werden. Das ist ein erster Schritt weg vom Prinzip „Geld pro Hektar“ hin zum Prinzip „Geld für gesellschaftliche Leistungen“. Dieser Weg muss in Zukunft noch stärker verfolgt werden.
Zur Erinnerung:
Etwa 71 Mio. Euro oder 17 % der insgesamt 419 Mio. € aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) stammen aus umgeschichteten Mitteln der so genannten ersten Säule.
Die Umschichtung dieser Mittel ist damals gegen den erbitterten Widerstand von Bauernverband und Bundeslandwirtschaftsministerium sowie einigen Länderkollegen durchgesetzt worden. Und auch die CDU-Opposition fand das damals falsch. Das Argument war, dass das Geld der ersten Säule „Bauerngeld“ sei. Es ist aber kein Bauerngeld, es ist Steuergeld. Und ich finde es richtig, dass öffentliches Geld künftig nicht pauschal pro Hektar, sondern und letztlich ausschließlich für definierte Leistungen verwendet werden, Leistungen, die uns als Gesellschaft etwas wert sein sollten, aber keinen Preis haben.
Den 419 Millionen € ELER-Mitteln stehen 2 Mrd. Euro aus der ersten Säule gegenüber, die an schleswig-holsteinische Betriebe gezahlt werden, fast das Fünffache also, das nicht für definierte Leistungen, das inhaltlich unkonditioniert ausgegeben wird.
Insofern sind diese 4,5%, die von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet wurden, ein Einstieg in einen Systemwechsel, der aus meiner Sicht mittelbar zur Abschaffung der ersten Säule führen muss. Geld würde dann nur noch für die Bereiche ausgezahlt, deren Wert nicht am Markt vergütet wird: Ökosystemdienstleistungen, Klimaschutz, Gewässerschutz und Tierschutz. Hinzu muss ein zweiter Bereich kommen, der die Lebensqualität und Daseinsbedingungen im ländlichen Raum stärken wird.
Das ist heute noch Zukunftsmusik. Aber schon jetzt haben wir unser neues "Landesprogramm für den ländlichen Raum" (LPLR) nach diesem Prinzip konzipiert und programmiert. Öffentliches Geld gibt es dort im Agrarbereich nur für eine adäquate Gegenleistung an öffentlichen Gütern, die am Markt nicht entgolten werden. Beispiele sind der Vertragsnaturschutz, der Ökolandbau, die Anlage von Gewässerrandstreifen, sind tiergerechte Ställe, der Anbau von Eiweißpflanzen und Beratungsleistungen für den Klima-, Tier- und für den Gewässerschutz.
Lassen Sie mich einige Beispiele etwas näher erläutern:
Wir werden den Vertragsnaturschutz weiter ausbauen. Die dafür zur Verfügung stehenden ELER-Mittel haben wir von 29 auf 57 Mio. € deutlich erhöht.
Meine Damen und Herren,
mit dieser neuen Förderperiode stellen wir in Schleswig-Holstein wichtige Weichen:
der Ökolandbau liefert als Anbausystem gegenüber der konventionellen Landwirtschaft erhebliche Vorteile (Biodiversität, Nährstoffbilanz, Grundwasserschutz, rückstandsarme Lebensmittel). Die Landesregierung hat sich deshalb eine deutliche Ausweitung des Ökolandbaus von derzeit rund 3,5 % der landwirtschaftlichen Fläche auf 7 % zum Ziel gesetzt. Um das zu erreichen, haben wir die Umstellungs- und Beibehaltungsprämien deutlich angehoben und verbessern auch in anderen Bereichen wie der Förderung der Beratung oder der Agrarinvestitionsförderung die Bedingungen für den Ökolandbau.
Erstmals versuchen wir unsere Abhängigkeit von Importsoja zu reduzieren, indem wir heimische Eiweißpflanze anbauen.
Wir fördern den Weidegang von Kühen und Mastochsen.
Wir haben die Zahlungen für Verträge in Gänserastgebieten deutlich angehoben.
Wir haben mit den europäischen Innovationspartnerschaften – als Vorreiterland in der Bundesrepublik – ein Praxis-Wissenschaftstool etabliert, um u.a. den Genpool alter Arten zu erhalten, Rindergesundheit zu erhöhen oder die Ertragssteigerung durch Zwischenfrüchte im Ökolandbau zu fördern.
Wir werden künftig Investitionen in besonders tiergerechte Ställe fördern. Das hat nichts mehr zu tun mit dem Agrarinvestitionsprogramm (AFP) alter Couleur, das als Gießkannenförderung weitgehend Mitnahmeeffekte initiiert hatte, als Strohfeuer schnell verglüht und verraucht und von der alten Landesregierung zu Recht abgeschafft wurde. Wir werden jetzt in Schleswig-Holstein Stallprojekte bekommen, die als Leuchttürme Vorbildcharakter haben für die landwirtschaftliche Praxis in Schleswig-Holstein und so eine Bewegung für mehr Tierschutz auslösen können. Gefördert wird künftig die Realisierung neuer Ideen, nicht der Mainstream.
Mit der Beratungsförderung steht uns für die Landwirtschaft ein völlig neues Förderinstrument zur Verfügung. Hier geht es nicht darum, betriebswirtschaftliche oder produktionstechnische, ausschließlich den wirtschaftlichen Unternehmenszielen dienende Beratung zu verbilligen. Auch hier geht es jetzt um einen Mehrwert der Beratung für die öffentlichen Güter. Wir werden noch vor der Sommerpause die fünf Beratungsmodule Grünland, Tierwohl, ökologischer Landbau, integrierter Pflanzenschutz und Klimaschutz/Energie ausschreiben. Die Beratung soll ab 2016 angeboten werden (1 Mio. € p.a.).
Mit der ELER-Förderung von Beratung (neu) und Bildungsmaßnahmen gibt es neue Möglichkeiten für die Umsetzung konkreter politischer Vorhaben.
Beispiel: Verzicht auf routinemäßiges Schwanzkupieren bei Schweinen
Ziel unserer Vereinbarung mit Bauernverband, Landwirtschaftskammer ist ein Verzicht ab 2017. Dies soll in drei Stufen geschehen (Forschung Prof. Krieter, Umsetzung in Pilotbetrieben und Umsetzung in der Praxis). Wir werden für die intensive Schulung der Pilotbetriebe in Stufe 2 ELER-Mittel einsetzen (Bildung) sowie die Praxisumsetzung durch breit angelegte Beratungsmaßnahmen – finanziert aus dem LPLR – unterstützen.
Nach Genehmigung des Programms durch die Europäische Kommission hat die CDU kritisiert, Förderung von Ökolandbau sei nicht genug. Stimmt – es geht um mehr: Es geht dieser Landesregierung um eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft. Das ist nicht deshalb erforderlich, weil es um abstrakte gesellschaftliche Ansprüche geht, sondern um Fragen, die gerade die Menschen im ländlichen Raum umtreiben: Denn gerade im ländlichen Raum gibt es eine zunehmenden Entfremdung zwischen der Landwirtschaft und den Menschen auf dem Land. Wie viele Beschwerden, Anrufe kommen, weil auf den Feldern Gülle ausgebracht wird? Weil die Bürgerinnen und Bürger sich Sorgen um die Gewässer, um ihr Grundwasser machen wegen zu hoher Nährstoffeinträge? Wie viele Briefe landen auf meinem Schreibtisch, weil ein großer Tierstall gebaut wird? Wie viele Bürgerinitiativen gibt es, wie viel Streit auf den Dörfern gibt es deswegen?
Das macht mir Sorgen. Es muss uns alle besorgen, wenn die Landwirtschaft, die schleswig-holsteinische Kulturlandschaft, die den ländlichen Raum aufhebt, und die Menschen, die dort leben, auseinander gehen und sich gegeneinander positionieren
Meine Damen und Herren,
mit dem neuen Programm haben wir eine strategische Weichenstellung vor uns. Schleswig-Holstein muss Antworten geben, wie sich Lebensqualität und Wohlstand für die ländlichen Räume sichern oder wiederherstellen lassen.
Wir müssen jetzt formulieren, wie wir Bildung und ärztliche Versorgung in zehn, in 20 oder 30 Jahren sichern, wie wir Mobilität, Bildung, Arbeit so organisieren, dass wir keine Region Schleswig-Holsteins abschreiben müssen.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung bekennt sich zum ländlichen Raum.
Mit dem neuen Programm schaffen wir eine gute Ausgangslage, auf die die Landesentwicklungsstrategie konsequent aufbaut.
Wir setzen darauf, dass die Akteure in den Regionen einen weiten Entwicklungshorizont ins Auge fassen und nicht nur vom Kirchturm bis zur Gemeindegrenze schauen.
Deshalb stärken wir mit dem neuen LPRL die ländlichen (Infra)Strukturen:
20 Mio. € für Breitband, um den Menschen in unseren Dörfern Zugang zu schnellem Internet zu ermöglichen,
14 Mio. € für gute Ideen zur Verbesserung der Nahversorgung und der Bildungsinfrastruktur, gerade an den Standorten, an denen Grundschulen schließen müssen
10 Mio. € für die Erhaltung des ländlichen Kulturerbes,
6 Mio. € für Direktverarbeitung und Vermarktung, also Hofläden, kleine Schlachtereien, Räuchereien, Meiereien,
5 Mio. € für touristische Infrastruktur zum Natur- und Umwelterlebnis im ländlichen Raum und 8 Mio. € für die Modernisierung der ländlichen Wege.
Gerade in den ländlichen Räumen haben wir einen verstärkten Handlungsbedarf, mit den Veränderungen des demografischen Wandel umzugehen – und zwar kreativ und konstruktiv. Die Sicherung der Daseinsvorsorge ist für mich ein wichtiges Anliegen, mit Schwerpunkten wie Bildung, Gesundheit, Mobilität. Um Bildungsorte zu erhalten für Kindergärten, für Schule, für Kultur und für Beratungsangebote, schaffen wir das Angebot, neue Partnerschaften zu knüpfen. Die Dorfschule von gestern könnte zukünftig zum „Haus des Lernens und Lebens“ für alle Generationen entwickelt werden. Z.B. durch Verknüpfung von Grundschule, KiTa, Familienbildungsstätte, VHS, JugendTreff, Sport, Kultur… so wie es vor Ort passt. Dass das Ministerium für ländliche Räume, das Sozialministerium und Bildungsministerium im engen Zusammenspiel die Rahmenbedingungen dafür entwickelt haben, ist selbst ein Zeichen sektorenübergreifenden Handelns.
Wir unterstützen Diversifizierung und setzen damit bewusst ein anderes politisches Signal: Nicht immer mehr Spezialisierung und immer größere Strukturen sondern vielfältigere und differenziertere Verdienst- und Erwerbs- und Lebensmöglichkeiten wollen wir in den ländlichen Räumen Schleswig-Holsteins.
Mit dem erneuten flächendeckenden Ansatz der AktivRegionen und der Genehmigung der 22 Integrierten Entwicklungsstrategien haben wir den guten, etablierten Ansatz der Vergangenheit verstetigt und fokussiert. 63 Mio. € werden für die neu vereinbarte Schwerpunktsetzung in den Bereichen Klimawandel & Energiewende, Wachstum & Innovation, Nachhaltige Daseinsvorsorge und Bildung eingesetzt. Ich freue mich, dass wir uns in einem gemeinsamen Diskussionsprozess mit den AktivRegionen auf diese Schwerpunktsetzung verständigen konnten.
Schließlich geht ein großer Batzen, 68,3 Millionen €, in den Küsten- und Hochwasserschutz, davon 56,5 Millionen für den Küstenschutz. Im Generalplan Küstenschutz erwarten wir einen Meeresspiegelanstieg von bis zu 1,40 Meter. Jeder, der den Klimawandel leugnet, sollte einen Blick in den schleswig-holsteinischen Landeshaushalt werfen. Hier materialisieren sich seine Folgen in Euro.
Den Klimawandel einzudämmen, eine nachhaltige, Umwelt und Tierwohl berücksichtigende Landwirtschaft und ein attraktives Lebensumfeld im ländlichen Raum ist der Dreiklang dieses Programmes. Ich bedanke mich bei allen, die mitgeholfen haben, es aufzustellen und durchzusetzen. Es konnte mit großem Konsens der beteiligten Verbände und Partner beschlossen werden. Ich hoffe, die Öffentlichkeit findet, dass Ihr Geld gut angelegt ist.
Meine Damen und Herren,
gemeinsam mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern hat die schleswig-holsteinische Landesregierung überzeugende Konzepte erarbeitet und auch die Europäische Kommission überzeugt.
Damit haben wir Perspektiven aufgemacht und öffentliche Mittel für unser Land erschlossen, für mehr Nachhaltigkeit und mehr Entwicklung.
Wir haben einen grundlegenden Schritt geschafft hin zu einer Strategie, die den ländlichen Raum nicht aufgibt, sondern zu einem Raum für Visionen und innovative Konzepte macht.
Ich danke deshalb allen lokalen und regionalen Akteuren und ermuntere ausdrücklich dazu, den Rahmen, den dieses Programm absteckt, jetzt engagiert und tatkräftig auszufüllen!
Verantwortlich für diesen Pressetext:
Nicola Kabel | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume | Mercatorstr. 3, 24106 Kiel | Telefon 0431 988-7201 | Telefax 0431 988-7137 | E-Mail:
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