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Landesjugendamt
Schleswig-Holstein
: Thema: Ministerien & Behörden

Rechtskreiswechsel 1. Juni 2022 und Führungszeugnis für Menschen aus der Ukraine

Letzte Aktualisierung: 24.05.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie bereits angekündigt, möchte ich Sie mit diesem Schreiben in Bezug auf die Themen Rechtskreiswechsel zum 1. Juni 2022 sowie Führungszeugnisse für Personen aus der Ukraine informieren.

1 Rechtskreiswechsel zum 1. Juni 2022

Nach Beratungen in Bundesrat und Bundestag hat der Bundestag 20. Mai 2022 das Gesetz zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze beschlossen. In diesem Artikelgesetz findet sich auch der sog. Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Regelsysteme des Sozialgesetzbuches (hpts. SGB II und SGB XII) zum 1. Juni 2022 wieder.

Da Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB VIII bereits vom ersten Tag des Aufenthaltes in Deutschland bestanden und weiterhin bestehen, hat das Bundesgesetz grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Jugendhilfe.

Auswirkungen ergeben sich hingegen für das Setting der Fluchtgemeinschaften „evakuierte Waisenheime“. Nach einem intensiven fachlichen Austausch mit dem MWVATT und dem BMAS gilt für dieses Setting folgendes:

In Bezug auf evakuierte Waisenheime ist selbstverständlich weiterhin das Ziel, dass die Gemeinschaften auch zukünftig in der bisherigen Weise zusammenleben können und hierbei ihr Lebensunterhalt gesichert ist.

Die Betreuenden und erziehungsberechtigten Personen, sofern erwerbsfähig und hilfebedürftig sowie erwerbsfähige Jugendliche ab Vollendung des 15. Lebensjahres, gehören zum Rechtskreis des SGB II. Kinder unter 15 Jahren zählen zum Rechtskreis des SGB XII. Auf diese Weise ist der Lebensunterhalt also auch ab dem 1. Juni 2022 außerhalb des AsylbLG gesichert.

Auch wenn für den Bezug von SGB II-Leistungen gilt, dass die Leistungsberechtigten arbeitsfähig sind und somit grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, verhält es sich in dieser besonderen Konstellation unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II wie folgt: Wenn die Notwendigkeit dargestellt wird, dass die betreuenden Personen sich umfassend um die geflüchteten Kinder kümmern müssen – z.B. auf Grund der Traumatisierungen der Kinder – können sie von der üblichen Vermittlung ausgenommen werden. Dies ist dem Jobcenter gegenüber in dem jeweiligen Einzelfall entsprechend darzustellen. Auch zu dieser Auslegung und damit verbundenen Vorgehensweise haben wir uns eng mit dem MWVATT abgestimmt und vereinbart, dass wir in dieser Angelegenheit auch im Weiteren im engen Austausch stehen.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass es eine für die Kinder erziehungsberechtigte Person gibt und dieser Sachverhalt auch entsprechend durch das zuständige Jugendamt dokumentiert ist. Hierzu enthält die aktuelle Punktuation des BMFSFJ wichtige Hinweise:

  • Erziehungsberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII sind Personen über 18 Jahren, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnehmen (…). Diese Vereinbarung mit den Personensorgeberechtigten muss für ihre Wirksamkeit nicht schriftlich abgeschlossen sein.
  • Das Jugendamt hat im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen zu ermitteln, ob die Kinder und Jugendlichen von Erziehungsberechtigten begleitet sind (§ 20 Abs. 1 SGB X). Es bedient sich gem. § 21 Abs. 1 SGB X der Beweismittel, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (insbesondere: Einholen von Auskünften jeder Art - auch elektronisch und als elektronisches Dokument, Anhörung von Beteiligten, Beiziehen von Urkunden).
  • In die Ausübung dieses Ermessens sind auch die Regelungen des Family Code of Ukraine einzubeziehen, die insbesondere vorsehen, dass der Verwaltung der Einrichtung („Kinderheim“, „Kinderanstalt“), in der Kinder und Jugendliche dauerhaft untergebracht sind, die Vormundschaft übertragen wird. Daneben finden sich auch weitere Betreuungsformen (Patronat, Pflegefamilie, familiennahe Kinderheime), die Vertretungsrechte der jeweiligen Betreuungspersonen begründen. Liegt eine dieser Betreuungsformen vor, ist grundsätzlich von einer Erziehungsberechtigung der Betreuungspersonen auszugehen.
    Der Gesamtkomplex des Rechtskreiswechsels ist auch Bestandteil der Gespräche der Länder mit dem BMFSFJ im Rahmen der Bund-Länder-AG auf Ebene der AGJF. Dort haben die Länder zuletzt am 23. Mai 2022 angeregt, die Punktuation des BMFSFJ um diesen Sachverhalt zu erweitern. Sobald dies erfolgt ist, werden wir Sie erneut informieren.
    2 Führungszeugnis für Personen aus der Ukraine
    Für Personen aus der Ukraine, die aktuell geflüchtet sind und nun in der Jugendhilfe tätig sein möchten und für die entsprechend ein erweitertes Führungszeugnis benötigt wird, gibt es die Möglichkeit, ein deutsches Führungszeugnis zu beantragen. Dieses Führungszeugnis deutscher Behörden hat jedoch nur dann eine Aussagekraft, wenn zuvor bereits ein Wohnsitz in Deutschland gegeben war; anderenfalls ist die Aussagekraft mindestens gering.

Aussagekräftiger ist daher ein ukrainisches Führungszeugnis. Dieses kann wie folgt beantragt werden:

Ein Führungszeugnis aus der Ukraine kann online beantragt und erhalten werden. Die Beantragung dauert ca. 10 Min und ist kostenlos. Auf Ukrainisch ist dies hier beschrieben: https://diia.gov.ua/services/dovidka-pro-vidsutnist-sudimosti.

Die Beantragung erfolgt über die App "Diia" (auf Deutsch - "Handlung"). Die App ist für Android unter https://play.google.com/store/apps/details?id=ua.gov.diia.app zugänglich. Für IOS ist die App unter https://apps.apple.com/de/app/%D0%B4%D1%96%D1%8F/id1489717872 zugänglich.- Voraussetzung für die Nutzung der App ist die Autorisierung durch eine Bank ID (sprich - ein Online Konto bei einer der ukrainischen Banken: MonoBank oder Privat24) oder NFC.

Unabhängig davon, ob ein deutsches oder ukrainisches Führungszeugnis beantragt wurde, empfehlen wir zusätzlich eine gesonderte Selbstauskunft und -Erklärung einzufordern. Eine mögliche Mustererklärung ist in der Anlage beigefügt; eine Übersetzung dieser Erklärung ist ebenfalls geplant.

Auch für zusätzliche Unterstützungskräfte als „helfende Hand“ gilt das Vorliegen eines erweiterten Führungszeugnisses als üblicher Mindeststandard der Jugendhilfe nach dem SGB VIII. Die Voraussetzungen nach § 28 KiTaG müssen nicht erfüllt werden.

Ich hoffe, dass diese Informationen Klärung in die Sachverhalte bringen und den verschiedenen Akteuren, die besonders auch in beratender Funktion aktiv sind, ausreichend Handlungssicherheit bieten.

Bei weiteren Fragen und Klärungsbedarf wenden Sie sich bitte gerne per Mail oder telefonisch an uns!

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Wilke
Leiter des Landesjugendamtes

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