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Landesjugendamt
Schleswig-Holstein
: Thema: Ministerien & Behörden

Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen (UMA)

Situation in der Erziehungshilfe und bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe.

Letzte Aktualisierung: 23.11.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Zahl der in Schleswig-Holstein aufgenommenen UMA ist in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Es erreichen uns nun täglich Anfragen der Jugendämter, dass die Aufnahmekapazitäten erschöpft seien und für zugewiesene UMA kaum noch Unterbringungsplätze zu finden seien.

Das Landesjugendamt stellt fest, dass in der aktuellen Situation die regulären Standards nicht mehr einzuhalten sind.

Mit diesem Schreiben möchten wir auf diesen Umstand reagieren und Sie darüber informieren, wie das Aufnahme- und Verteilverfahren gemäß §§ 42a ff. SGB VIII ausgestaltet ist und welche rechtlichen Möglichkeiten in Bezug auf die Mindeststandards bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von UMA aktuell gegeben sind.

Im Rahmen der Erstaufnahme ist zunächst zu prüfen, ob eine humanitäre Aufnahme geflüchteter Menschen vorliegt, bei der die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme gem. § 42a SGB VIII erfüllt sind; die Hinweise zur Einschätzung und Einordnung ukrainischer Fluchtgemeinschaften bleiben dabei bestehen.

Aufnahme- und Verteilverfahren der öffentlichen Träger im Rahmen der §§ 42a ff. SGB VIII

  • Alle gemäß § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut genommenen UMA sind an die Landesverteilstelle zu melden. Dabei ist insbesondere anzugeben, ob die betreffenden UMA bundes- bzw. landesweit verteilt werden können oder ob Verteilausschlüsse bestehen.
  • Sofern die meldenden Jugendämter über ihre Auslastungsquote hinaus belastet sind, werden die verteilfähigen UMA von der Landesverteilstelle im Rahmen des Verteilverfahrens an Jugendämter, die unterhalb ihrer Auslastungsquote liegen, zur regulären Inobhutnahme zugewiesen. Die Zuweisungsjugendämter sind gem. § 36a Abs. 3 S. 3 JuFöG verpflichtet, die UMA zu übernehmen. Die UMA können in der Inobhutnahme bei geeigneten Personen, in geeigneten Einrichtungen und in sonstigen Wohnformen untergebracht werden (§ 42 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Insofern sind neben der „klassischen“ Heimunterbringung auch andere Unterbringungskonstellationen möglich.
  • Jugendämter, die so stark überlastet sind, dass sie vorläufige Inobhutnahmen neu ankommender UMA nicht mehr durchführen können, haben gem. § 36b JuFöG die Möglichkeit, bei der Landesverteilstelle zu beantragen, dass die Zuständigkeit für die betreffenden vorläufigen Inobhutnahmen auf andere, weniger belastete Jugendämter übertragen wird. In Betracht kommt die Regelung des § 36b JuFöG, insbesondere bei Jugendämtern mit Erstaufnahme-Standorten, aktuell beim Jugendamt der Stadt Neumünster.
  • Grundlage für die Zuweisungsentscheidungen in beiden o. g. Verfahren sind die Auslastungsquoten, die sich aus den jeweiligen Tageslisten im UMA-Registerportal beim BVA ergeben. Insofern ist es unabdingbar, dass die Angaben im Registerportal aktuell gehalten werden. Das Gesetz sieht grundsätzlich eine werktägliche Meldung vor (§ 42b Abs. 6 S. 1 SGB VIII); aus Sicht der Landesstelle ist eine wenigstens wöchentliche Aktualisierung ausreichend.

A. Stationäre Unterbringung von UMA in Schleswig-Holstein – Sicherstellung besonderer Schutzbedürfnisse

Für Einrichtungen im Regelsystem der Kinder- und Jugendhilfe sind Absenkungen regulärer Standards der KJVO aktuell begrenzt möglich. Voraussetzung hierfür ist zum einen die Erforderlichkeit sowie zum anderen die Abwägung der individuellen Hilfebedarfe der Betreuten unter Berücksichtigung der personellen, räumlichen und konzeptionellen Ausgestaltung der Einrichtung. Für alle nachstehend aufgeführten Unterbringungsmöglichkeiten gilt, dass die Einrichtungen insbesondere die personellen, räumlichen und konzeptionellen Voraussetzungen erfüllen müssen.

In begründeten Ausnahmefällen ist es möglich, dass für die Unterbringung von UMA zeitlich befristet:

  • Doppelzimmernutzungen vorgesehen werden (das Einvernehmen der dort untergebrachten Betreuten ist herzustellen),
  • abweichende Gruppengrößen genehmigt werden (mehr als 10 Plätze) oder
  • Sprach- und Kulturmittler*innen im Betreuungsdienst eingesetzt und teilweise auf den Mindestpersonalbedarf angerechnet werden.

Die vorstehenden Abweichungen sind von den jeweils zuständigen Ansprechpartner*innen der Einrichtungsaufsicht vorab zu genehmigen. Grundlage dieser Abweichungen ist § 24 KJVO in Verbindung mit den besonderen Bedarfen der öffentlichen Träger in Schleswig-Holstein, mit denen zusammengearbeitet werden soll. Die Notwendigkeit von Abweichungen ist jeweils auch vom öffentlichen Träger mit zu begründen.

B. Genehmigte Einrichtungen, die aktuell in Betrieb sind – Möglichkeiten

  1. Einrichtungen für vorläufige Inobhutnahme gem. § 42a SGB VIII

    Inobhutnahmen gem. § 42a SGB VIII stellen eine besondere Herausforderung dar, da die Minderjährigen innerhalb der Frist von vier Wochen regelhaft verteilt werden. Träger, die regelhaft vorläufige Inobhutnahmen gem. § 42a SGB VIII in einer Einrichtung anbieten möchten, sollten über Kenntnisse über die spezifischen Anforderungen für diese Leistung verfügen. Eine Abstimmung mit den für die Inobhutnahme örtlich zuständigen Jugendämtern, mit denen eine Kooperation konkret geplant ist, ist dringend geboten.


  2. Einrichtungen, die Inobhutnahmen im Rahmen von § 42 SGB VIII durchführen

    Einrichtungen, für die gegenwärtig eine Betriebserlaubnis für die stationäre Unterbringung auch im Rahmen des § 42 SGB VIII besteht, können entsprechend der oben genannten Voraussetzungen befristet mit maximal bis zu 13 Plätzen je Gruppe genehmigt werden.


  3. Einrichtungen, die Maßnahmen nach §§ 34, 35a und 41 SGB VIII durchführen

    In vollstationären Wohneinrichtungen mit auf Dauer angelegten Maßnahmen (insbesondere § 34 SGB VIII) soll die maximale Platzzahl von zehn Personen in einer Gruppe grundsätzlich nicht überschritten werden. In besonders begründeten Einzelfällen (z.B. Unterbringung von Geschwistern) können zeitlich befristet abweichende Gruppengrößen von maximal insgesamt 13 Plätzen genehmigt werden.


  4. Einrichtungen, die unterschiedliche Betreuungsformen parallel durchführen

    Eine Mischung unterschiedlicher Maßnahmen und Betreuungsformen (beispielsweise §§ 42a, 42 und 34 SGB VIII) setzt eine entsprechende konzeptionelle Ausrichtung der Einrichtung voraus. Die Konzeption ist gegebenenfalls auf die unterschiedlichen Erwartungen an die Dauer des Aufenthaltes entsprechend anzupassen. Sowohl in personeller, als auch konzeptioneller Hinsicht ist hier den schneller veränderlichen Gruppenstrukturen Rechnung zu tragen.


  5. Sonstige betreute Wohnformen nach § 48a SGB VIII

    Bei einem zusätzlichen Betreuungsbedarf von UMA, können nach vorheriger Erlaubnis durch das LJA befristet in der Einrichtung vorhandene und geeignete Zimmer doppelt belegt werden. Eine solche Doppelbelegung hat jeweils in Abstimmung mit den Betreuten und der Vormundschaft zu erfolgen.

C. Abweichungen bezüglich der personellen Voraussetzungen

Grundsätzlich gelten bezüglich der personellen Voraussetzungen die Vorgaben der §§ 18 bis 21 KJVO. Der Mindestpersonaleinsatz gemäß §§ 18,19 KJVO in der Tagesbetreuung ist sicherzustellen. Der erforderliche Fachkraftschlüssel kann in der aktuellen Situation teilweise über den Einsatz sog. „sozial erfahrener Kräfte“ erfüllt werden. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei diesen um sozial erfahrene Sprach- und Kulturmittler*innen für die Zielgruppe handeln muss. Der Anteil der Sprach- und Kulturmittler*innen darf ein Drittel des Fachkräfteschlüssels grundsätzlich nicht übersteigen. Die personellen Gegebenheiten sind im Rahmen von Ausnahmeanträgen bei den zuständigen Einrichtungsaufsichten darzulegen.

Hinsichtlich der Sicherstellung des Verbotes der Beschäftigung von einschlägig vorbestraften Personen gem. § 72a SGB VIII hat sich der Träger von Mitarbeitenden, die Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe wahrnehmen, ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 und § 30a Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) vorlegen zu lassen.

Ist dieses aufgrund des bisherigen Wohnsitzes außerhalb Deutschlands nicht möglich, hat er sich eine Selbsterklärung vorlegen zu lassen, aus der hervorgeht, dass die Person

  • nicht wegen einer in § 72a SGB VIII aufgeführten Straftat rechtskräftig verurteilt ist,
  • kein Ermittlungsverfahren wegen einer in § 72a SGB VIII aufgeführten Straftat gegen sie anhängig ist.

Um es Ihnen möglichst einfach zu machen, finden Sie in der Anlage eine Mustererklärung, die Sie beispielhaft nutzen können.

Sollten Sie Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Landesverteilstelle UMA sowie im Referat VIII 30 (Aufsicht und Beratung von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe) zu kontaktieren. Dies gilt insbesondere auch für sich vor Ort ergebende Einzelfälle, die kooperativ von uns betrachtet werden.

Lassen Sie mich abschließend für Ihren Einsatz ganz herzlich danken und gleichzeitig noch einmal an Sie alle appellieren, in dieser besonders herausfordernden Lage noch ein wenig kooperativer und lösungsorientierter zu handeln, als dies in normalen Zeiten der Fall ist.

Wir werden diese Situation dann besonders gut meistern, wenn Sie und wir als Solidargemeinschaft zusammen und nicht gegeneinander agieren. Wir werden Sie dabei selbstverständlich im Rahmen unserer Möglichkeiten und Befugnisse unterstützen!

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Wilke
Leiter des Landesjugendamtes

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