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Landesjugendamt
Schleswig-Holstein
: Thema: Ministerien & Behörden

Aktuelle Situation der Flüchtlinge aus der Ukraine

Schreiben des Landesjugendamtes vom 30. März 2022

Letzte Aktualisierung: 01.04.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf der vergangenen Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 7. Februar 2022 wurde beschlossen, ein Gremium zum Fachaustausch zwischen der Verwaltung des Landesjugendamtes und dem Landesjugendhilfeausschuss einzurichten, um Ihnen insbesondere in Krisenzeiten möglichst schnell und kurzfristig Informationen zukommen zu lassen, aber auch ebenso schnell Ihre Expertise und Fachlichkeit nutzen zu können.

Diese Situation ist mit dem Krieg in der Ukraine leider schneller eingetreten als erwartet. Vor diesem Hintergrund sind der Vorstand des Landesjugendhilfeausschusses und der Leiter der Verwaltung des Landesjugendamtes übereingekommen, das Gremium schnell einzusetzen, um hier schnell einen entsprechenden Fachaustausch zu implementieren. Am 23. März 2022 ist das Gremium das erste Mal zusammengekommen und hat sich darüber verständigt, Ihnen zum einen mit diesem Schreiben die ersten in der Verwaltung des Landesjugendamtes vorliegenden Informationen aus Landes- und Bundesebene zukommen zu lassen. Ziel ist es, diese Informationen in unregelmäßigen Abständen und bei gegebener Aktualität zu erneuern. Zum anderen liegt es sehr in unserem Interesse, uns von Ihrer Fachexpertise beraten zu lassen. Wir freuen uns über Ihren Input zu der aktuellen Thematik, nicht nur im Rahmen der kommenden Sitzung im Mai, sondern gerne auch laufend im direkten Dialog. Bei Fragen oder Anliegen rufen Sie uns bitte an oder senden uns eine E-Mail.

Die Informationen über Flüchtlinge, die aus dem Kriegsgebiet hierher nach Schleswig-Holstein kommen, sind noch begrenzt und können innerhalb kurzer Zeit schon wieder überholt sein. Valide Daten liegen noch nicht vor und die offiziellen Zahlen können weder privat eingereiste Menschen berücksichtigen noch Doppelregistrierungen ausschließen.

Der in Schleswig-Holstein im Innenministerium eingesetzte interministerielle Leitungsstab geht zusammen mit dem Bund derzeit davon aus, dass bis zu 1 Million Menschen aus der Ukraine vorübergehend in Deutschland Schutz suchen werden. Nach dem sog. „Königsteiner Schlüssel“ hätten die Schleswig-Holsteinischen Kommunen damit rechnerisch Verantwortung für rund 34.000 Menschen zu übernehmen. Die aktuelle Verteilung der Geflüchteten vollzieht sich nicht gleichmäßig. So befinden sich in der Stadt Neumünster aktuell ca. 850 Personen und im Kreis Pinneberg ca. 3.750 Personen. Zurzeit sind mehr als 2.100 Menschen in den Unterkünften des Landes registriert, weitere 3.000 bis 4.000 Geflüchtete sind bereits in den Kreisen untergebracht. Es zeichnet sich in einigen Regionen (Kiel, Lübeck, Flensburg und Hamburger Randgebiet) bereits ein Unterbringungsproblem ab, während im ländlichen Raum die Situation weniger angespannt ist.

Es ist davon auszugehen, dass es auch zukünftig sehr unterschiedliche Zahlen in den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein geben wird und sich somit auch die Hilfe- und Unterstützungsbedarfe unterscheiden werden.

Das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge arbeitet aktuell intensiv an der Schaffung und Bereitstellung neuer Unterkünfte und der Erweiterung bereits vorhandener Kapazitäten. Laut Aussagen des interministeriellen Leitungsstabes stellt jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt zwischen 300 und 500 Plätze in Notunterkünften. Aktuell sind dort auch bereits Geflüchtete untergebracht, die über das Verteilsystem des Bundes nach Schleswig-Holstein gekommen sind.  

Die Mehrzahl der Geflüchteten sind Kinder und Frauen. Begründete Schätzungen gehen davon aus, dass die meisten den Altersgruppen von 0 bis 12 Jahren und von 30 bis 40 Jahren angehören.

  1. Kinder- und Jugendhilfe

    Schutz von Kindern und Jugendlichen in Flüchtlingseinrichtungen:
    Kinder und Jugendliche sowie Frauen sind auf der Flucht, aber auch in Gemeinschaftsunterkünften besonders vulnerabel. Daher benötigt diese Personengruppe besonderen Schutz. Bei der Unterbringung ukrainischer Kinder und Jugendlicher handelt es sich um eine temporäre Unterbringung in einer Notsituation, nicht um eine Unterbringung i.S.d. SGB VIII. Das bedeutet insbesondere, dass es keiner Betriebserlaubnis bedarf, um die Betroffenen in einer gemeinschaftlichen Unterkunft betreuen zu können. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist somit nicht über eine entsprechende Betriebserlaubnis gewährleistet und muss anders sichergestellt werden.

    Mit der Herausforderung den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Flüchtlingsunterkünften zu gewährleisten, war das Land bereits in den Jahren 2015/2016 in der Folge des Krieges in Syrien konfrontiert und es wurden von der Landesregierung entsprechende Schutzkonzepte und Kinderschutzstandards für die Gemeinschaftsunterkünfte entwickelt: Schutzkonzept Landesunterkünfte. Diese Konzepte und Kinderschutzstandards werden unmittelbar angewendet.

    An allen Standorten (Neumünster, Boostedt, Rendsburg, Bad Segeberg) des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge (LfZuF) ist der Schutz von Kindern durch die Aufnahme in die Leistungsbeschreibung für die Träger strukturell verankert. So verfügt jede Einrichtung über eine/n Kinderschutzbeauftragte/n und das Vorgehen bei (vermuteter) Kindeswohlgefährdung ist geregelt.

    Unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA):
    Für die Betreuung und Versorgung der UMA sind die örtlichen Jugendämter zuständig, in deren Bereich die unbegleitete Einreise jeweils festgestellt wird. Das MSGJFS/LJA ist gem. § 36a Abs.1 JuFöG Landesverteilstelle für UMA im Verteilverfahren gem. §§ 42a ff. SGB VIII. Das Land ist außerdem zuständig für die Kostenerstattung gem. §§ 89, 89a-d SGB VIII. Das MSGJFS/LJA ist darüber hinaus Ansprechpartner der örtlichen Jugendämter in grundsätzlichen Fragen der Unterbringung und Betreuung (z. B. traumapsychiatrische bzw. -pädagogische Versorgung). Die ukrainischen Flüchtlinge halten sich in der Regel rechtmäßig in Deutschland auf und haben damit grundsätzlich Anspruch auf Jugendhilfeleistungen gem. § 6 Abs. 2 SGB VIII.

    Einen umfassenden Überblick zu den rechtlichen Grundlagen bei der Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen (begleitet oder unbegleitet) bietet auch das DIJuF.

    In Schleswig-Holstein werden aktuell insgesamt 557 UMA von den örtlichen Jugendämtern betreut (Stand 25.3.2022). Bislang sind der Landesverteilstelle 17 UMA aus der Ukraine gemeldet worden, die überwiegend bei Verwandten oder Bekannten untergebracht wurden.

    Da es sich aktuell bei den Geflüchteten vorrangig um Mütter mit ihren Kindern handelt und vergleichsweise wenige unbegleitete Minderjährige aus der Ukraine zu uns kommen, ist dies aktuell nicht als akute Problemlage einzuschätzen. Wie bei allen Angaben muss auch hier darauf verwiesen werden, dass es sich um eine dynamische Gesamtsituation handelt und nicht konkret absehbar ist, wie sich die Zahlen hier in Zukunft entwickeln werden.  

    Evakuierung ganzer Kinder- und Jugendheime aus der Ukraine:
    Die Evakuierung ganzer Einrichtungen aus der Ukraine (Waisenhäuser, Kinderheime) stellt eine besondere Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe dar. Für die Sicherstellung einer bestmöglichen, rechtskonformen und einzelfallgerechten Verteilung unter Berücksichtigung des Kindeswohls setzen sich die für die Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder für die Einrichtung einer Bundeskoordinierungsstelle zur Aufnahme von Minderjährigen aus evakuierten Kinderheimen bzw. Waisenhäusern aus der Ukraine ein. Ein entsprechender JFMK-Beschluss ist aktuell in der Abstimmung.

    Ein zentrales Ziel der bundesweiten Koordinierung besteht darin, die Fluchtgemeinschaften bei der Unterbringung nach Möglichkeit nicht zu trennen aufgrund der aufgebauten Beziehungen, der sprachlichen Barrieren und der möglicherweise traumatischen Erlebnisse der Kinder und Jugendlichen auf der Flucht und in ihrem Heimatland. Die Maßnahmen der Aufnahme, Unterbringung und Unterstützung erfolgen in den Ländern zunächst auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte. Diese nehmen im Rahmen einer Krisenintervention die Fluchtgruppen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes auf, führen eine Bedarfsklärung durch und beziehen dabei auch die für Sozialhilfe, Eingliederungshilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Behörden ein. Der im Innenministerium angesiedelte Interministerielle Leitungsstab sowie die Fachministerien begleiten und unterstützen im jeweiligen Einzelfall. Auch ein enges Zusammenwirken mit den Trägern ist unumgänglich. Die Sicherung des Kindeswohls obliegt dabei stets auch der Kinder- und Jugendhilfe, die bei entsprechendem Bedarf auch die in den anderen Systemen untergebrachten Kinder und Jugendlichen grundsätzlich begleitet. Dies schließt dem jeweiligen Bedarf entsprechende Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ein.

    In Schleswig-Holstein wirkt der interministerielle Leitungsstab im Innenministerium bei der Koordinierung aktiv mit und unterstützt die Kreise und kreisfreien Städte. Die Sicherung des Kindeswohls obliegt dabei der Kinder- und Jugendhilfe, die bei entsprechendem Bedarf die Kinder und Jugendlichen begleitet. Dies schließt im Einzelfall auch entsprechende Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ein.

    Kindertagesbetreuung:
    Die tatsächlichen Bedarfe der geflüchteten Familien für eine Betreuung im Rahmen der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist derzeit nur schwer abzuschätzen. Erste Rückmeldungen aus den Kreisen und kreisfreien Städte weisen darauf hin, dass die in den Erstaufnahmeeinrichtungen ankommenden Flüchtlinge zunächst eher niedrigschwellige und zeitlich befristete Unterstützungs- und Kinderbetreuungsangebote wünschen. Für die Zeit nach dem Ankommen in gefestigtere Strukturen werden aber auch Wünsche nach frühkindlicher Bildung im Regelsystem geäußert. Bei den Menschen, die im privaten Bereich untergekommen sind und der Wunsch besteht, eine Arbeit aufzunehmen, wird noch deutlicher der Wunsch nach einer zuverlässigen und regelhaften Betreuung ihre Kinder in Kita bzw. Kindertagespflege geäußert.

    So plant das MSGJFS derzeit unter Hochdruck und in enger Abstimmung mit den Vertretungen der Kommunen und Einrichtungsträgern, welche Maßnahmen und Verfahren vorzusehen sind.

    Dabei wird zweigleisig vorgegangen:

    a) Kinderbetreuung in Spielkreisen und anderen niedrigschwelligen Angeboten
    Es sollen Betreuungsangebote aber auch Eltern-Kind-Angebote und Spielangebote in Landesunterkünften, in Angeboten der Familienzentren und Familienbildungsstätten, Spielkreisen, im Rahmen von Integrations- und Sprachkursen und ehrenamtlichen Initiativen zur Verfügung stehen. Diese können in Vorbereitung auf Kita und KTP zum Tragen kommen, ebenso in manchen Fällen alternativ, wenn die Familien (vorerst) keine Kita-Betreuung benötigen bzw. wünschen. Hier ist keine Betriebserlaubniserteilung der Aufsichten erforderlich, daher „niedrigschwellig“. Neben einer Handreichung des LJA arbeitet das Land aktuell an einer Förderrichtlinie, mit der das Land finanzielle Unterstützung für entsprechende Betreuungsmöglichkeiten geben will.

    b) Betreuung in Kitas und Kindertagespflege
    Das Land prüft derzeit, in welcher Weise zusätzliche Plätze geschaffen werden und somit weitere Kinder in den Kitas betreut werden können. Die Einrichtungsaufsichten werden hier eine entscheidende Rolle spielen, da räumliche und personelle Bedingungen zu prüfen sind. Die Notwendigkeit von zusätzlichen Hilfskräften wird gesehen und aktuell ebenfalls ausgelotet. Dies betrifft auch die Finanzierung. Es wird zudem geprüft, wie auch geflüchtete Mütter und Väter unterstützend in der Kita tätig sein können.

    Grundsätzlich gilt, dass die Zuständigkeit für die Betreuung der Kita-Kinder selbstverständlich auch in dieser Situation bei den Kommunen liegt. Hier wird im Einzelfall und unter Berücksichtigung der vor Ort geltenden organisatorischen, personellen und räumlichen Bedingungen gehandelt. Das Land sieht sich dabei in der Verantwortung, für passende Rahmenbedingungen zu sorgen, so dass diese Herausforderung vor Ort bestmöglich gelingt.

  2. Schule und Familie

    Der reguläre Schulbesuch von nach Deutschland geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine ist ein wichtiger Schritt, um diesen Kindern und Jugendlichen das Ankommen in unserem Land zu erleichtern, ihre Bildungschancen zu erhalten und zu fördern sowie unmittelbar zur gesellschaftlichen Integration beizutragen.
    Das Land Schleswig-Holstein wird, wie die meisten anderen Bundesländer, Willkommensklassen einrichten, in denen die ukrainischen Kinder und Jugendlichen zunächst vor allen Dingen die deutsche Sprache erlernen und auf den Unterricht in den Regelklassen vorbereitet werden.Aktuell sind 1.098 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine in Schleswig-Holstein an Schulen angekommen. Eine Anmeldung der Kinder und Jugendlichen für den Schulbesuch erfolgt auf der Ebene der unteren Schulbehörden und es ist davon auszugehen, dass eine Erfassung und Weitergabe an die oberen Schulbehörden und die zuständigen Stellen im Bildungsministerium erfolgt. Alle aktuellen Informationen rund um das Thema Schule sind hier zu finden: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Der Krieg in der Ukraine.

    Schulbesuch:
    Zum Thema Schulbesuch hat das Bildungsministerium Schleswig-Holstein alle wichtigen Informationen und eine FAQ-Liste auf der Homepage der Landesregierung bereitgestellt.

    Unterrichtsmaterial:
    Um notwendiges Unterrichtsmaterial zu erhalten oder eine digitale Ausstattung wird auf die Schule bzw. das zuständige Schulamt verwiesen, eine Liste der Ansprechpartner steht auf der Seite zur Verfügung.

    Lehrkräfte:
    Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sucht Unterstützungskräfte zur Unterstützung der Lehrkräfte bei der Planung, Durchführung und Nachbereitung von Unterricht in Sprachlerngruppen mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) für ukrainische Flüchtlinge. Die Ausschreibung ist zunächst befristet bis zum 31.Juli 2022 und findet sich auf der Seite des Bildungsministeriums.

    Informationen und Weiterbildung für Lehrkräfte und Erzieher:innen:
    Gerade für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass Erwachsene in Krisensituationen Sicherheit vermitteln und altersangemessen mit den Sorgen und Nöten von Kindern und Jugendlichen umgehen. Dies ist auch für Lehrkräfte und Erzieher:innen von großer Bedeutung. Das IQSH hat hierfür Informationsmaterialien zusammengestellt und entsprechende Fortbildungsangebote entwickelt. Die Informationen findet man hier: Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein - Ukraine – Informationsmaterial für Lehrkräfte und Unterricht.


Die Verwaltung des LJA und der Vorstand des LJHA sind bemüht, alle verfügbaren Informationen zur Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien so zeitnah wie möglich aufzubereiten und den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe laufend und aktualisiert für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Wilke (Leiter der Verwaltung des Landesjugendamtes) und Michael Saitner (Vorsitzender des Landesjugendhilfeausschusses)

Ergänzende Informationen

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