Landesamt für
Denkmalpflege: Thema: Ministerien & Behörden
Solarenergie und Denkmalpflege
Praxishilfe für Schleswig-Holstein
Letzte Aktualisierung: 11.03.2025
Der vorliegende Solarleitfaden soll zum einen eine Unterstützung für Eigentümerinnen und Eigentümer bei der Planung denkmalverträglicher Solaranlagen sein. In seinem letzten Teil richtet er sich zudem an die unteren Denkmalschutzbehörden des Landes, in dem bereits bestehende Instrumente, wie Leitlinien, weiterentwickelt werden.
Da Solaranlagen geeignet sind, das Erscheinungsbild von Kulturdenkmalen und Denkmalbereichen zu beeinträchtigen, bedarf es einer entsprechenden denkmalrechtlichen Genehmigung.
Fachliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Solaranlagen sind stets einzelfallbezogen zu treffen.
Mithilfe der folgenden Maßgaben, die bei der denkmalrechtlichen Entscheidungsfindung bei Anträgen zur Errichtung von Solaranlagen eine Rolle spielen, wollen wir bei der Entwicklung einer denkmalverträglichen Planung unterstützen und zugleich den damit verbundenen Prozess des Antrags- und Prüfverfahrens genauer erläutern.
Grundsätzlich und über die alleinige Nutzung erneuerbarer Energien hinausgehend, verfügt die Denkmalpflege seit jeher über ein breites Spektrum an Lösungen zum wirksamen Klimaschutz im Baubestand, welches traditionell auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit beruht. Mit überschaubaren Eingriffen kann durch geeignete Maßnahmen die Nutzungsdauer von Gebäuden gezielt verlängert und die Energiebilanz – auf die gesamte Lebenszeit des Gebäudes bezogen – grundlegend verbessert werden. Deshalb ist Denkmalschutz praktizierter Klimaschutz.
Schleswig-Holstein ist geprägt durch seine vielfältigen Kulturlandschaften. Sie sind maßgebend für die Identität unseres Bundeslandes. Die von Menschen über Jahrhunderte geformte Natur und Architektur gehen hier eine besondere Verbindung miteinander ein. Zwischen Nord- und Ostsee, Marsch und Geest, Deutschland und Dänemark hat sich eine Vielfalt an historischen Bautypen und -formen entwickelt, die durch ihre spezifischen Merkmale unsere Kulturlandschaften prägen.
Die Dächer der Gebäude haben hieran einen bedeutenden Anteil. Zwar dienen sie funktional primär als oberer Abschluss und als Schutz vor Witterungseinflüssen, prägen aber durch ihre Größe und zuweilen aufwendige Gestaltung in großem Maße auch das Erscheinungsbild des jeweiligen Bauwerks. Das Dach ist daher sehr bestimmend für die Ansicht eines jeden Einzelgebäudes, für Hofanlagen sowie die Ortsbilder der Städte und Dörfer, in denen wir leben.
Die äußere Gestalt der Dächer wird durch Neigungswinkel, Dachform und Dachdeckung sowie Schornsteine, Gauben und Fenster ebenso bestimmt wie durch die Details bei der Ausbildung von First, Graten, Traufen und Ortgängen. Im Inneren bildet der Dachstuhl das tragende Gerüst. Seine Konstruktion ist wiederum ausschlaggebend für die Form des Gebäudes und die Last, die das Dach tragen kann. Aufgrund der Bedeutung, die dem Dach als Bauteil eines Hauses durch seinen Einfluss auf die gestalterische Wirkung sowie seiner Raumwirkung im Allgemeinen zu eigen ist, sind dessen individuelle Eigenschaften bei der Beurteilung der Denkmalverträglichkeit einer geplanten Solaranlage zu berücksichtigen. Dabei ist bei einem Baudenkmal nicht allein die Einsehbarkeit der Anlage von Bedeutung, sondern insbesondere auch der jeweilige Aussagewert des Denkmals und dessen Erhalt. Bei der Wahl und Installation der Solaranlage muss daher ganz bewusst u.a. auf die Neigung, Form, Struktur und Farbe sowie das Tragverhalten und den Brandschutz eines Daches geachtet werden.Zusätzlich zu den individuellen Merkmalen eines Daches ist bei der Wahl der Positionierung einer geeigneten Dachfläche für einer Solaranlage auch das städtebauliche oder landschaftliche Umfeld zu beachten. Um die Wirkung städtebaulich geplant angelegter Gebäudegruppen, Platzanlagen oder Blickachsen nicht zu entwerten, gilt es hierbei ebenso eine wesentliche Beeinträchtigung zu vermeiden, wie es bei freien Panoramablicken in die Landschaft der Fall ist.
Aufgrund der zahlreichen Varianten von Dachformen und -materialien sowie ihrer individuellen Einbettung in Landschaft und Siedlungsstrukturen können denkmalfachliche Entscheidungen nur einzelfallbezogen getroffen werden. Denn so vielfältig wie die Kulturlandschaften in Schleswig-Holstein sind, so verschieden sind auch die Ausprägungen der Dächer. Sie reichen von den Reetdächern der Wohn- und Wirtschaftsbauten auf dem Land über die mit Ziegeln oder Schiefer gedeckten Wohnhäuser und Villenbauten in den Städten bis hin zu den mit Bitumen-Schweißbahnen abgedichteten Flachdächern der Verwaltungsbauten oder den Blech- und Glasdächern der Industrie- und Werftanlagen.
Zusätzlich zu den verschiedenen Dacheindeckungen der Einzelgebäude gibt es auch bei großmaßstäblichen Ensembles unterschiedliche Dachlandschaften. Während sich in historisch gewachsenen Ortskernen ein eher heterogenes Bild durch verschiedene Deckungsmaterialien, Vorsprünge und andere Elemente zeigt, werden (Plan-)Siedlungen oft durch einheitlicher gestaltete und geformte Dächer geprägt. Kultur- und Dachlandschaft sind in Schleswig-Holstein untrennbar miteinander verbunden. Ein jedes Baudenkmal trägt zum Erhalt dieser Einheit und somit zum Schutz der Identität unseres Bundeslandes bei.
Helfen Sie mit, unsere Kulturlandschaften durch einen sensiblen und denkmalverträglichen Umgang zu bewahren und Klimaschutz und Denkmalschutz sinnstiftend miteinander zu verbinden.
Kulturdenkmale vermitteln uns und künftigen Generationen als Zeugnisse der Vergangenheit auf unmittelbare Weise unsere Geschichte. Sie veranschaulichen insbesondere historische Handwerkstechniken, Lebenswirklichkeiten und Wertesysteme, prägen zudem in besonderem Maße unsere Umwelt. Die Aussagekraft eines Kulturdenkmals ist eng an seine historische Substanz geknüpft. Zugleich sind Denkmale und Denkmalensembles stets mit den städtebaulichen, topographischen und kulturlandschaftlichen Gegebenheiten verflochten.
Für die Wahrnehmbarkeit eines Denkmals oder Denkmalensembles und seiner Umgebung sind auch Sichtachsen, Blickbeziehungen und Sichtwinkel von wesentlicher Relevanz. Oftmals bestimmt zusätzlich eine gezielte Fernwirkung oder exponierte Lage die Wirkung denkmalgeschützter Gebäude. Auch diese Wirkung gilt es nachvollziehbar zu erhalten.
Die Erforschung und Vermittlung unserer Kulturdenkmale ist Aufgabe der Denkmalschutzbehörden. Die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes beruht auf Kriterien, die im Schleswig-Holsteinischen Denkmalschutzgesetz festgeschrieben wurden. Es sind Objekte, deren Erhaltung wegen ihres besonderen geschichtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen, städtebaulichen oder die Kulturlandschaft prägenden Wertes im öffentlichen Interesse liegt. Behörden und Gesellschaft tragen dafür Sorge, dass Denkmale dauerhaft erhalten und nicht verfälscht, beschädigt, beeinträchtigt oder zerstört werden.
Der Ensembleschutz hat die Zielsetzung, denkmalwerte Zusammenhänge zu erhalten und damit geschichtliche Prozesse in ihrem ursprünglichen Kontext sichtbar zu machen. In Schleswig-Holstein werden diese Zeugniswerte durch die Ausweisung von Denkmalbereichen geschützt.
Mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes Schleswig-Holstein (DSchG SH) im Jahre 1996 wurde der Denkmalbereich erstmals aufgenommen. Er dient dem Schutz von großflächigen Ensembles, die über die Dimension eines einzelnen Straßenzugs oder einer Gutsanlage hinausgehen.
Gemeint sind damit insbesondere unsere historischen Kulturlandschaften oder kulturlandschaftlichen Einheiten als auch großflächige Gebäudegruppierungen, die durch ihr Erscheinungsbild oder durch ihre Beziehung zueinander von besonderer geschichtlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer, technischer, städtebaulicher oder die Kulturlandschaft prägender Bedeutung sind. Dazu zählen Siedlungsstrukturen, Orts- oder Stadtgrundrisse, Stadt- oder Ortsbilder sowie deren Silhouetten als auch Stadtteile und -viertel, Siedlungskerne oder Siedlungen.
Bei den Denkmalbereichen spielt das Erscheinungsbild der sich innerhalb des Gebietes befindlichen Bauten eine wesentliche Rolle – somit auch deren Dächer. Der historisch überlieferte Bestand und sein damit in Beziehung stehender räumlicher Kontext besitzen eine besondere Prägung, die – egal ob im städtischen oder ländlichen Kontext betrachtet – den Kern des jeweiligen Denkmalwertes ausmachen. Um diese authentische und für den jeweiligen Bereich wesensprägende Überlieferung auch an nächste Generationen weitergeben zu können, bedarf es eines gemeinsamen Einsatzes zum Schutze dieser.
Die gesetzliche Grundlage für das Handeln der Denkmalschutzbehörden in Schleswig-Holstein ist das Schleswig-Holsteinische Denkmalschutzgesetz in seiner aktuellen Fassung vom 30. Dezember 2014 (DSchG SH). Das Aufbringen einer Solaranlage stellt die Veränderung eines Kultur-denkmales oder seiner Umgebung und somit gemäß § 12 Abs. 1 DSchG SH ein genehmigungspflichtiges Vorhaben dar. Für die denkmalrechtliche Genehmigung sind die Mitarbeitenden der unteren Denkmalschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Zugleich sind sie als Fachpersonen erste Anlaufstelle für beratungssuchende Eigentümerinnen und Eigentümer. Die potenziellen Eingriffe in den denkmalgeschützten Bestand können hier beurteilt, hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit beraten sowie Planung und Umsetzung der Maßnahme begleitet werden. Eine möglichst frühzeitige Einbeziehung der unteren Denkmalschutzbehörde ist daher angeraten. Die Errichtung von Solaranlagen innerhalb oder in der Umgebung eines Denkmalbereichs ist ebenfalls gemäß § 12 Abs. 2 DSchG SH genehmigungspflichtig.
Entscheidungen nach dem Denkmalschutzgesetz stellen stets Einzelfallentscheidungen dar. Nur wenn überwiegende Gründe des Denkmalschutzes gegen die Erteilung einer Erlaubnis zur Veränderung sprechen, darf diese versagt werden. Die Erlaubnis muss erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen dies verlangen (§ 13 Abs. 2 DSchG SH). Im Sinne des Erhalts der Denkmaleigenschaften (historischer Wert, Substanzerhaltung, Erscheinungsbild etc.) werden hierbei unter Berücksichtigung der individuellen baulichen und städtebaulichen Situation die öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander abgewogen.
Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes im Jahr 2022 (EEG 2023) wurde festgeschrieben, dass Errichtung und Betrieb von Anlagen und den dazugehörigen Nebenanlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen (§ 2 EEG 2023). Bis zum Erreichen der Treibhausgasneutralität sind die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung einzubringen und durch Behörden in Entscheidungen besonders hoch zu gewichten. Ein absoluter Abwägungsvorrang mit der Folge, dass insbesondere Photovoltaik-Anlagen auf Denkmalen fortan stets zu genehmigen wären, ergibt sich daraus jedoch nicht. Das Abwägungserfordernis nach § 13 Abs. 2 DSchG SH besteht weiterhin.
Die Beurteilung der Beeinträchtigung, die mit der Errichtung der Anlage nach § 2 EEG 2023 einhergeht, hat einzelfall- und denkmalwertbezogen zu erfolgen. Sie muss sich an den denkmalwertbegründenden Eigenschaften und Bewertungskategorien des jeweiligen Kulturdenkmals orientieren. Im Rahmen der Interessenabwägung können u.a. folgende Kriterien berücksichtigt werden: Wertigkeit der Substanz und/oder des Erscheinungsbildes, Verlust bauzeitlicher Substanz durch die Errichtung, Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes, Einfügung in das Gesamterscheinungsbild eines Ensembles, (öffentliche) Sichtbarkeit der Anlage, Reversibilität etc.
In der weit überwiegenden Zahl der Fälle kann für die vorgelegte Planung bei Beachtung der hier im Solarleitfaden formulierten erforderlichen Prinzipien eine denkmalrechtliche Genehmigung erteilt werden.
Um die Verwaltungspraxis bei der Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums durch Konkretisierungen zu unterstützen, hat das LDSH seine entsprechende Richtlinie für die unteren Denkmalschutzbehörden aktualisiert. Diese beschreibt die Auswirkungen des EEG auf die denkmalrechtlichen Genehmigungen, hebt die Notwendigkeit der Beratung der Antragstellenden durch die Denkmalschutzbehörden hervor und stellt die Maßstäbe und Spielräume bei der Beurteilung der Denkmalverträglichkeit von Solaranlagen klar.
Fallkategorien
„Standardfall“ versus „Sonderfall“
In der Praxis lassen sich grundsätzlich zwei Fallkategorien unterscheiden:
Standardfall: Bei Vorliegen der entsprechenden Unterlagen erfolgt eine standardisierte Antragsprüfung durch die Denkmalschutzbehörden. Das Vorhaben ist denkmalverträglich und wird regelmäßig genehmigt.
Standardfall 1: Alternativstandort vorhanden
Standardfall 2: keine Einsehbarkeit, kein wesentlicher Substanzeingriff
Sonderfall: Aufgrund einer möglichen Einsehbarkeit der geplanten Solaranlage, insbesondere in städtebaulich sensiblen Zusammenhängen als auch bspw. bei Gebäuden mit einem besonderen künstlerischen Denkmalwert, erfordert der Antrag eine genauere Prüfung und zusätzliche Abstimmung zur Herstellung einer Denkmalverträglichkeit.
keine Einsehbarkeit kein wesentlicher Substanzeingriff
Ein genehmigungsfähiger Standardfall liegt vor, wenn eine Einsehbarkeit vom öffentlichen Raum aus und ein wesentlicher Eingriff in die denkmalgeschützte Substanz nicht gegeben sind.
Liegt aufgrund der baulichen und städtebaulichen Gegebenheiten kein Standardfall vor, lassen sich weitreichende gestalterische Anpassungen zur Herstellung der Denkmalverträglichkeit verfolgen. Ziel des Denkmalschutzes ist hierbei das Finden individueller Lösungen, die das Baudenkmal so wenig wie möglich beeinträchtigen. In wenigen Ausnahmefällen ist die denkmalverträgliche Installation einer Solaranlage nicht zu erreichen und eine Genehmigung kann nicht erteilt werden. In diesen Fällen können gegebenenfalls erneuerbare Energien an einem anderen Ort, z.B. in Gemeinschaftsanlagen, erzeugt und genutzt werden.
Mögliche Strategien zur Herstellung der Denkmalverträglichkeit stellen dar:
· Begrenzung auf nicht unmittelbar einsehbare Dachflächen
· zusammenhängende Verteilung der Elemente
· farbliche Anpassung
· Anpassung der Konstruktions- und Montageart
· flächige Aufsetzung, der Dachneigung folgend bzw.flächenbündige Integration in die Dachfläche
· Anpassung der Modulform (z.B. ziegel- oder schindelförmig)
· unauffällige Binnen- und Rahmenstruktur
· Reduzierung der Eingriffstiefe
· Vermeidung von Spiegelungen
· Sicherstellung von Reversibilität
Reetdächer sind eine regionaltypische Besonderheit in Schleswig-Holstein und in wesentlichem Maße kulturlandschaftsprägend. Daher stehen viele dieser Objekte unter Denkmalschutz. Mit dieser Dacheindeckung gehen besondere Erfordernisse im Umgang und der Pflege einher, die eine Installation von Solaranlagen reell nicht möglich machen. Zwar ist die Installation technisch grundsätzlich möglich, aufgrund der besonderen Ansprüche von Reet als Naturmaterial jedoch nachteilig. Reet benötigt eine gute Belüftung sowie Licht- und Wärmeeinfall. Unterhalb von Solarmodulen wäre dies nicht mehr ausreichend gewährleistet, was zu einer erheblichen Reduzierung der Lebensdauer des Reets führen würde und dem Prinzip der Nachhaltigkeit widerspräche. Auch die regelmäßige Pflege oder Ausbesserung des Reetdaches würde erschwert werden. Des Weiteren wäre eine Erhöhung der Brandgefahr zu befürchten.
Hinzu käme bei einer Errichtung einer Solaranlage die da-mit verbundene erhebliche Störung des Erscheinungsbildes des jeweiligen Kulturdenkmals aufgrund der sehr unterschiedlichen Oberflächenstruktur. Ein gestalterisches Einfügen ist, unabhängig von den technischen Möglichkeiten, hier nicht möglich.
Denkmalfachliche Bewertung von Solaranlagen
Die fachliche Bewertung der Verträglichkeit einer Solaranlage auf einem Kulturdenkmal, in einem Denkmalbereich erfolgt – wie bei jedem Genehmigungsverfahren gemäß § 12 Denkmalschutzgesetz Schleswig-Holstein (DSchG SH) – anhand einer Vielzahl denkmalrechtlich relevanter Aspekte und Parameter. Diese fließen in die Abwägungsentscheidung der zuständigen Denkmalschutzbehörde ein. Der Weg zu der immer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Ermessensentscheidung kann aber nicht etwa wie eine mathematische Formel aufgezeigt werden, die zu einem zwingenden Ergebnis führt. Vielmehr gilt es, die zahlreichen Abwägungsgegenstände sachgerecht zu gewichten und in Beantwortung aller relevanten Fragen, auf erörterndem Wege, zu einer qualifizierten und rechtssicheren Entscheidung zu kommen.
Gemeinsames Ziel aller an Antrag und Prüfung Beteiligten soll es sein, eine sach- und denkmalgerechte Lösung für die Errichtung von Solaranlagen herbeizuführen. Hierbei möchte diese Checkliste als Hilfestellung dienen. Fragestellungen und Prüfschritte auf dem Weg zu einer denkmalfachlichen Bewertung für den Einzelfall
1) Feststellung der denkmalrechtlichen Betroffenheit
· Kulturdenkmal
· Denkmalbereich
2) Feststellung des konkreten baulichen Umfangs der Maßnahme zur Bewertung der Auswirkungen, z.B.
· Wie viele Anlagen sind geplant?
· An welchen Standorten sind diese Anlagen geplant?
· Welche Beschaffenheit haben diese Anlagen?
· Welche Flächen/Quadratmeter sind vorgesehen?
· Welche Gestaltwerte hat die geplante Anlage (hochglänzend, matt, kontrastreiches Raster mit Binnenstruktur,
monolithisch etc.)?
· Welche Kubatur entwickelt die Anlage (flächenbündig, aufgeständert etc.)?
· Welche Nebenanlagen und Zusatzgeräte sind erforderlich (Aufstellungsorte)?
· Wie ist die Montage / Umsetzung in Bezug auf den Bestand geplant, z.B.
· Wie erfolgt die Befestigung der Elemente (Durchdringung der Dachhaut, Eingriffe in Tragwerk, Fassade)?
· Ist eine Verstärkung der Dachkonstruktion erforderlich (Winddruck / Windsog, Lasten)?
· Wie und wo werden Leitungsstränge geführt (Decke, Wände, wandfeste / ortsfeste Ausstattung betroffen)?
· Wurde die Installation eines sog. Feuerwehrschalters zum vorbeugenden Brand- und Hochwasserschutz eingeplant?
3) Prüfung der Auswirkungen der geplanten Maßnahme
3.1.) Ist denkmalkonstituierende Substanz betroffen, z.B.
· Dachwerk / Dachkonstruktion
· Dachhaut / Eindeckung (z.B. Ziegel oder Schiefer)
· Elemente des Daches (z.B. First, Ortgang, Walmgrate, Traufausbildung)
· Dachaufbauten (z.B. Schornsteine und Gauben)
· Konstruktion und Fassadenelemente
· Elemente des Gartens / der Freifläche
3.2.) Sind denkmalkonstituierende Gestaltungswerte (Erscheinungsbild) betroffen, z.B.
· geschlossene, prägende Dachfläche
· prägende Ansichten
· Farbigkeit (u.a. materialspezifisch) von Dachflächen oder Fassaden
· kleinteilige, auch plastische Struktur von Dachhaut, Fassaden oder Verkleidungen
· städtebaulich wirksame Dachlandschaft oder Baukörpergruppierung
3.3.) Sind denkmalkonstituierende Raumbezüge betroffen, z.B.
· funktional oder gestalterisch bedeutende Freiflächen oder Freiräume
· Sichtbezüge wie Blickachsen, Sichtfächer, Panoramen
· Dominanten in der städtebaulichen Wirkung
· markante städtebauliche Zusammenhänge
· Prägung der umliegenden Kulturlandschaft
4.) Bewertung der Auswirkungen der geplanten Maßnahme
Grundlage der Bewertung ist der jeweilige Bestand der Bausubstanz und das damit verbundene Erscheinungsbild, aus denen die objektiven Kriterien für die Verträglichkeit und
Beeinträchtigung der Maßnahme abgeleitet werden.
Für die Objekte im Denkmalbereich, die kein eigenständiges Kulturdenkmal sind, ist ein Vorhaben nur denkmalrechtlich relevant, wenn sich dieses wesentlich auf das geschützte Erscheinungsbild des Denkmalbereichs auswirkt.
Das Kriterium der Sichtbarkeit aus dem öffentlichen Raum (z.B. Straße, Platz, Sichtachse) oder aus relevanten privaten Räumen (z.B. Garten, Hof, Freifläche) ist dabei zu berücksichtigen.
4.1.) Wie sind die zu erwartenden Eingriffe hinsichtlich Substanz, Gestalt und Raumwirkung zu gewichten,
beispielsweise
· Werden konstituierende Merkmale und Werte wesentlich
beeinträchtigt oder gehen verloren? z.B. durch
· Spiegelung
· gestückelte Verteilung der Elemente
· Aufständerung
· farbliche Kontraste zwischen Dachfläche und Element
· inhomogene Binnen- oder Rahmenstruktur der Elemente
· technische Eingriffe (Leitungsführung)
· Austausch Dacheindeckung durch Elemente
(z.B. In-Dach / Solarziegel)
4.2.) Gibt es Möglichkeiten, zu erwartende Beeinträchtigungen zu reduzieren, z.B.
· Verbesserung der Montageart, Leitungsführung etc.
· Maßnahmen zur Risikominimierung (Brand, Statik)
· Anpassung der Flächenausdehnung der Elemente (bündig, verkleinert)
· Verbesserung der Gestaltwerte der Elemente (Bemusterung, Modellversuch)
· Sind alternative Standorte für die Montage einer Solaranlage möglich?
· benachbarter Neubau
· benachbarte Freifläche
· untergeordnetes Nebengebäude
· Gemeinschaftsanlagen
4.3.) Unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Antragstellerin / des Antragstellers ist die Abwägung der denkmalrechtlichen Genehmigungsfähigkeit gem. § 11 DSchG durchzuführen und entsprechend zu begründen.
Richtlinie für die unteren Denkmalschutzbehörden
Richtlinie des Landesamtes für Denkmalpflege (LDSH) vom 20.01.2025
Vollzug des Schleswig-Holsteinischen Denkmalschutzgesetzes hier: Berücksichtigung von § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2O23 vom 21. Juli 2014 (BGBI. I S. 1066)), in der durch Artikel 1 des Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1237) eingeführten Fassung, bei der Genehmigung von Solaranlagen an Kulturdenkmalen
Als Beitrag zur Erreichung einer treibhausgasneutralen Stromerzeugung im Bundesgebiet im Sinne der Maßgaben des § 2 EEG 2023 sind bei der Genehmigung von Solaranlagen an Kulturdenkmalen die im Folgenden beschriebenen Maßgaben zu berücksichtigen.
Dabei fallen unter den Begriff der Solaranlagen sowohl Anlagen zur Stromerzeugung mit Solarzellen als auch Anlagen zur Erzeugung von Wärme über Solarkollektoren einschließlich der Speicher- und Leitungsanlagen.
1. Die in § 2 Satz 1 EEG 2023 enthaltene Wertentscheidung zur besonderen Bedeutung der erneuerbaren Energien hat nach § 2 Satz 2 EEG 2023 zur Folge, dass diese im Rahmen von Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien als vorrangiger Belang in Abwägungsvorgänge eingehen sollen.
Daraus folgt nicht, dass den erneuerbaren Energien pauschal Vorrang einzuräumen ist. Kultur, worunter auch der Denkmalschutz zu verstehen ist, genießt in Schleswig-Holstein als Ziel nach Art. 13 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein ebenso Verfassungsrang wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a Grundgesetz, der durch § 2 EEG 2023 konkretisiert wird. Gleichermaßen verpflichtet sich die Europäische Union in Art. 3 Abs. 3 EU-Vertrag zum Schutz und zur Entwicklung des kulturellen Erbes Europas. Daher muss in jedem Einzelfall eine Abwägung mit den Belangen des Denkmalschutzes erfolgen.
2. Anwendung finden die Maßgaben des § 2 EEG 2023 bei denkmalrechtlichen Entscheidungen
a) über die Genehmigungsfähigkeit einer nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 DSchG SH beantragten An- oder Aufbringung einer Solaranlage,
b) bei der Beurteilung von Vorhaben durch Denkmalschutz- und Denkmalfachbehörden in anderen Zulassungsverfahren, die die denkmalschutzrechtliche Genehmigung ersetzen.
3. Vor dem Hintergrund der Wertentscheidung des § 2 EEG 2023 sollen die Genehmigungs- und Fachbehörden darauf
hinwirken, eine Genehmigungsfähigkeit zu erreichen. Der Vorhabenträger soll frühzeitig, also möglichst schon vor formeller Antragstellung, so beraten werden, dass die mit dem Vorhaben einhergehende Beeinträchtigung des Denkmals unter der Schwelle bleibt, die zur Ablehnung eines Antrags führen müsste.
4. Die Denkmalverträglichkeit ist nach allgemeiner Rechtsprechung aus der Warte eines sachkundigen Betrachters zu beurteilen. Als Ausgangspunkt für die Beratung und Grundlage für die Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die in der Denkmalliste oder im Zuge des Antragsverfahrens beschriebenen denkmalwertkonstituierenden Eigenschaften zu verwenden. Soweit daneben sonstige Erwägungen und Erkenntnisse einbezogen werden sollen, müssen diese für den Vorhabenträger oder Antragsteller vor dem Erlass der Entscheidung nachvollziehbar werden. Je weniger das geplante Vorhaben den Denkmalwert beeinträchtigt, desto mehr spricht für den Vorrang erneuerbarer Energien im Sinne des § 2 EEG 2023. Den sich wandelnden fachlichen Erkenntnissen der Denkmalverträglichkeit von Solaranlagen an Denkmalen ist Raum zu geben.
5. Der Beurteilungsspielraum zu Gunsten der Vorhabengenehmigung ist auszuschöpfen.
6. Zur Ermöglichung einer Genehmigung ist insbesondere zu berücksichtigen,
a) ob geeignete Alternativstandorte in der Verfügungsbefugnis des Vorhabenträgers zur Verfügung stehen,
b) ob Bauteile des betroffenen Kulturdenkmals für eine An- oder Aufbringung von Solaranlagen in Betracht kommen, ohne den Denkmalwert zu beeinträchtigen,
c) ob und wie eine Solaranlage gestalterisch untergeordnet werden kann,
d) wie Eingriffe in die Denkmalsubstanz reduziert werden können,
e) wie das Brandrisiko möglichst gering gehalten werden kann,
f) ob hierzu geeignete Nebenbestimmungen nach § 107 LVwG festgelegt werden können.
7. Trotz der Wertentscheidung des § 2 EEG 2023 kann es zu einem Überwiegen des Interesses am Denkmalschutz beispielsweise kommen,
a) bei wesentlicher Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Kulturdenkmals,
b) bei Beeinträchtigung der denkmalwerten Bausubstanz, namentlich durch Eingriffe in Dachkonstruktion, Dachhaut, Dachaufbauten oder Fassade,
c) bei einer Gefährdung der Statik eines Kulturdenkmals,
d) bei erheblicher Steigerung des Brandrisikos für denkmalwerte Bausubstanz.
8. Beabsichtigen die unteren Denkmalschutzbehörden einen
Antrag auf Errichtung von Solaranlagen an oder auf Kulturdenkmalen abzulehnen, so erstatten sie unter Beifügung des Bescheidentwurfs rechtzeitig – spätestens zwei Wochen vor Eintritt der Genehmigungsfiktion – Bericht zum Vorgang an ihre Fachaufsicht bei der oberen Denkmalschutzbehörde. Die Übermittlung soll in elektronischer Form erfolgen an denkmalamt@ld.landsh.de. Aus der Begründung des Bescheidentwurfs müssen die der Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe klar hervorgehen, insbesondere das Ergebnis der nach § 13 Abs. 2 S. 3 DSchG erforderlichen Abwägung.
Regelungen in kommunalen Satzungen zur Gestaltung des Gebäudebestandes bleiben unberührt.
Eine Aktualisierung dieser Grundsätze im Zuge der technischen Entwicklung von Solaranlagen bleibt vorbehalten. Bei der Anwendung dieser Grundsätze sind insbesondere veröffentlichte fachliche Materialien der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern und des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein zu berücksichtigen.
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