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Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein : Thema: Ministerien & Behörden

Vermisst seit 1362


Wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt lokalisiert die untergegangene Kirche von Rungholt im nordfriesischen Wattenmeer

Letzte Aktualisierung: 23.05.2023

Der heute im UNESCO Welterbe ‚Wattenmeer‘ gelegene, 1362 in einer Sturmflut untergegangene mittelalterliche Handelsplatz Rungholt ist aktuell Ziel interdisziplinärer Forschung. Durch eine Kombination aus naturwissenschaftlichen und archäologischen Methoden gelang es nun Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein (ALSH), beide Schleswig, den Standort der Rungholter Kirche zu lokalisieren – und somit eine über 100-jährige, vieldiskutierte Forschungsfrage endgültig zu klären.


Auf einem Drohnenbild sieht man im Vordergrund zwei Menschen, die einen filigran wirkenden Messwagen über die Wattflächen bewegen. Im Hintergrund ist der Leuchtturm von Pellworm zu erkennen.
Ein Messwagen in Leichtbauweise liefert großflächig magnetische Kartierungen von Kulturspuren, die unter der heutigen Wattoberfläche verborgenen sind.


Fachübergreifende Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Im Rahmen zweier von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderter interdisziplinärer Vorhaben wird seit einigen Jahren die im Wattenmeer untergegangene, mittelalterliche Kulturlandschaft erforscht. Rungholt – überregional bekannt durch seinen mythisch verklärten Untergang und eine europaweit einmalige archäologische Fundsituation – steht dabei als prominentes Beispiel für die bis heute andauernden Auswirkungen massiver menschlicher Eingriffe in den norddeutschen Küstenraum.

Der Schlüssel zum Erfolg der Arbeiten liegt in der engen interdisziplinären Zusammenarbeit. „Unter dem Watt verborgene Siedlungsreste werden zunächst mit unterschiedlichen geophysikalischen Methoden wie magnetischer Gradiometrie, elektromagnetischer Induktion und Seismik lokalisiert und flächenhaft kartiert“, erklärt Dr. Dennis Wilken, Geophysiker an der CAU Kiel. Dr. Hanna Hadler vom Geographischen Institut der JGU ergänzt: „Auf Grundlage dieser Prospektion entnehmen wir gezielt Sedimentbohrkerne, deren Analyse nicht nur Aussagen über räumliche und zeitliche Zusammenhänge der Siedlungsstrukturen, sondern auch zur Landschaftsentwicklung ermöglicht“. Archäologische Untersuchungen liefern an ausgewählten Stellen einmalige Einblicke in das Leben der nordfriesischen Siedler und fördern aus den Wattflächen immer wieder bedeutende neue Funde ans Licht.

 

Auf dem Bild sieht man vier Personen, die schweres Gerät für die durchzuführende Bohrung im Watt positionieren. Befördert wurde die Ausrüstung mit speziell für das Wattenmeer konstruierten Schubwagen, die mit sehr voluminösen Reifen ausgestattet sind.
Sedimentbohrkerne werden zur Erfassung von Siedlungsresten und der Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung an ausgewählten Stellen im Watt gewonnen.

 

Untergegangene Kulturlandschaft um Rungholt mit zentraler Kirchwarft erstmals großflächig rekonstruiert

Im Mai 2023 wurde nun bei Hallig Südfall durch geophysikalische Prospektion eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften, also künstlicher Siedlungshügel, erfasst. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 Meter mal 15 Meter Größe zu deuten sind. Bohrungen und gezielte Ausgrabungen haben erste Einblicke zum Aufbau und zu den Fundamenten des Sakralbaus ergeben.


Im Vordergrund sieht man einen in den Wattboden eingelassenen Metallrahmen. Die sich ergebende innere Fläche wurde ausgegraben und wird nun von den Forschern dokumentiert.
Ein spezieller Metallrahmen ermöglicht im Watt archäologische Grabungen von einem Quadratmeter Größe, die während einer Ebbe ausgegraben und dokumentiert werden können.


„Damit reiht sich der Fund in die großen Kirchen Nordfrieslands ein“ erläutert Dr. Bente Sven Majchczack, Archäologe im Exzellenscluster ROOTS an der CAU Kiel. Dr. Ruth Blankenfeldt, Archäologin am ZBSA fügt hinzu: „Die Besonderheit des Fundes liegt in der Bedeutung der Kirche als Mittelpunkt eines Siedlungsgefüges, das in seiner Größe als Kirchspiel mit übergeordneter Funktion interpretiert werden muss“.

Die Funde in dem über zehn Quadratkilometer großen untersuchten Gebiet umfassen bislang 54 Warften, systematische Entwässerungssysteme, einen Seedeich mit Sielhafen, zwei Standorte kleinerer Kirchen und nun auch die große Hauptkirche. Damit muss das gefundene Siedlungsgebiet als einer der überlieferten Hauptorte des mittelalterlichen Verwaltungsbezirkes Edomsharde angesehen werden.

Starke Gefährdung der Kulturspuren durch Erosion

Neben dem einzigartigen Archivcharakter, den die Wattflächen für die Rekonstruktion der Kulturlandschaft um Rungholt besitzen, zeigen die Projektergebnisse der letzten Jahre jedoch auch die extreme Gefährdung der über 600 Jahre alten Kulturspuren. „Um Hallig Südfall und in anderen Wattflächen sind die mittelalterlichen Siedlungsreste bereits stark erodiert und oft nur noch als Negativabdruck nachweisbar. Dies zeigt sich auch im Umfeld der Kirchwarft sehr deutlich, sodass wir die Erforschung hier dringend intensivieren müssen“, resümiert Dr. Hanna Hadler.

Die Forschungsprojekte im Nordfriesischen Wattenmeer

An den Forschungen im Rahmen des DFG-Projektes „RUNGHOLT – Kombinierte geophysikalische, geoarchäologische und archäologische Untersuchungen im nordfriesischen Wattenmeer im Umfeld des mittelalterlichen Handelsplatzes Rungholt” sind Dr. Hanna Hadler und Prof. Dr. Andreas Vött aus der Arbeitsgruppe Naturrisikoforschung und Geoarchäologie der JGU, Dr. Dennis Wilken aus der Arbeitsgruppe Angewandte Geophysik der CAU sowie Dr. Ruth Blankenfeldt vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie und Dr. Stefanie Klooß und Dr. Ulf Ickerodt vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein beteiligt. Im Rahmen des Projekts „Socio-environmental Interactions on the North Frisian Wadden Sea Coast” im Exzellenzcluster ROOTS der Uni Kiel beteiligen sich Dr. Bente Sven Majchczack und Prof. Dr. Wolfgang Rabbel an der Kooperation.


Kontakt:

Dr. Hanna Hadler

Geographisches Institut

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

55099 Mainz

Tel. +49 6131 39-24496

E-Mail: hadler@uni-mainz.de

https://www.geomorphologie.uni-mainz.de/arbeitsgruppe/dr-hanna-hadler/

 

Dr. Dennis Wilken

Institut für Geowissenschaften

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

24118 Kiel

Tel. +49 431 880-4648

E-Mail: dennis.wilken@ifg.uni-kiel.de

https://www.appliedgeophysics.ifg.uni-kiel.de/de/team/dr-rer-nat-dennis-wilken

 

Dr. Ruth Blankenfeldt

Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie

Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen

Schloss Gottorf

24837 Schleswig

Tel. +49 4621-813 289

E-Mail: ruth.blankenfeldt@zbsa.eu

https://zbsa.eu/ruth-blankenfeldt/

 

Dr. Bente Sven Majchczack

Cluster of Excellence ROOTS / Institut für Geowissenschaften

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

24118 Kiel

Tel. +49 431 880 6705 oder +49 175 5901865

E-Mail: bmajchczack@roots.uni-kiel.de

https://www.ufg.uni-kiel.de/de/mitarbeiterinnen/wissenschaftliche-mitarbeiter/dr-bente-sven-majchczack

 

 

Weiterführende Links:

https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/ALSH/Projekte/wattenmeerforschung - Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH)

https://www.appliedgeophysics.ifg.uni-kiel.de/de - Applied Geophysics an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)

https://www.geomorphologie.uni-mainz.de/ - Geomorphologie an der JGU
https://zbsa.eu/das-nordfriesische-watt/ - Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA)

https://www.cluster-roots.uni-kiel.de/en/research-projects/projects-roots-of-socio-environmental-hazards/socio-environmental-interactions-on-the-north-frisian-wadden-sea-coast - Wattenmeerprojekt im Exzellenzcluster ROOTS der CAU

https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/442822276?context=projekt&task=showDetail&id=442822276& - DFG-Förderung für das RUNGHOLT-Projekt

 

Weitere Informationen:

Flensburger Tageblatt

https://www.shz.de/startseite-hh/artikel/archaeologen-erforschen-auf-hallig-hooge-geschichte-des-watts-44682993

Nordseereport (NDR), 13.11.2022, ab Minute 37

https://www.ardmediathek.de/video/nordseereport/naturerlebnisse/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS82NTBmNTFkZS0xNGYyLTQ2ZGMtOGM4ZC1iOTMyODQ1N2Q3MWQ

Terra X (ZDF), 14.02.2021, ab Minute 6

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/ungeloeste-faelle-der-archaeologie-mit-harald-lesch-verlorene-welten-100.html

 

 

 

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