Navigation und Service

Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht/ Verwaltungsgericht : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Anforderungen von Impf- oder Genesenennachweisen bzw. eines Attests über medizinische Kontraindikationen einer Covid-19-Schutzimpfung durch Gesundheitsamt in Form eines Verwaltungsaktes offensichtlich rechtswidrig

Letzte Aktualisierung: 17.06.2022

Die Gesundheitsämter sind nicht dazu befugt, Mitarbeitende in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, für die seit dem 15. März 2022 die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht des § 20a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 IfSG gilt, durch einen förmlichen Verwaltungsakt zur Vorlage von Impf- oder Genesenennachweisen bzw. von Attesten, die eine Kontraindikation bestätigen, aufzufordern. Das hat die 1. Kammer am 13. und 14. Juni 2022 in mehreren gleichgelagerten Eilverfahren beschlossen.

Die Antragstellerin im Leitverfahren 1 B 28/22, eine Zahnarzthelferin aus Flensburg, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen möchte, wurde vom zuständigen Gesundheitsamt mit Bescheid vom 28. April 2022 aufgefordert, bis Anfang Juni einen Impf- oder Genesenennachweis bzw. ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht gegen Corona geimpft werden darf (sog. Kontraindikation). Der Bescheid wurde vom Gesundheitsamt für sofort vollziehbar erklärt und die Antragstellerin auf die Möglichkeit eines Bußgeldes hingewiesen, wenn sie der Anordnung nicht nachkomme.

Das Gericht führte zur Begründung aus, dass der Behörde für die Durchsetzung der Nachweispflicht die Verwaltungsaktbefugnis fehle. Die Entstehungsgeschichte des maßgeblichen § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG, wonach Mitarbeitende in den betroffenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen dem zuständigen Gesundheitsamt auf Anforderung einen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorzulegen haben, lasse darauf schließen, dass die Durchsetzung der Vorlagepflicht nicht durch Verwaltungsakt erfolgen solle. Vielmehr könne erst das bei Verweigerung des Nachweises finale Betretens- oder Tätigkeitsverbot im Wege des Verwaltungsakts ergehen. Für diese Auslegung spreche nach Auffassung der Kammer auch das Regelungsgefüge des § 20a IfSG, der keine unmittelbare, notfalls mit Verwaltungszwang durchsetzbare Impfpflicht – keinen Impfzwang – statuiere, sondern lediglich einen indirekten Impfdruck erzeugen solle, indem an die Nichtbefolgung der Nachweis- bzw. Untersuchungspflicht berufliche Nachteile anknüpfen. Wer ungeimpft bleiben wolle, müsse bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 1, § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG) und einem ebenfalls bußgeldbewehrten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen rechnen.

Angesichts der teilweise missverständlichen Medienberichterstattung sieht sich das Gericht zu dem Hinweis veranlasst, dass eine konkrete Bußgeldandrohung gegenüber der Zahnarzthelferin nicht Gegenstand der Entscheidung war, sondern es um die vorgelagerte Frage ging, ob die Anforderung des Nachweises durch die Behörde per förmlichem Verwaltungsakt erfolgen durfte. Dies hat das Gericht verneint.

Gegen die Beschlüsse vom 13. und 14. Juni 2022 (Az. 1 B 28/22 u.a.) kann binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.

Verantwortlich für diese Presseinformation:
Friederike Lange, Pressesprecherin Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht | Brockdorff-Rantzau-Straße13 | 24837 Schleswig | Telefon 04621/86-1550 | Telefax 04621/86-1734 | E-Mail presse-vg@ovg.landsh.de
Bitte beachten Sie die Datenschutzhinweise unter www.schleswig-holstein.de/ovg

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link:

Datenschutz

Auswahl bestätigen