Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht sowie die Sozial- und Verwaltungsgerichtbarkeit des Landes wappnen sich für die neuen Herausforderungen, die mit der andauernden Corona-Pandemie einhergehen.
Die Pandemie hat das öffentliche und private Leben in kurzer Zeit stark verändert. Politik und Behörden arbeiten am Limit. Für viele Privatpersonen, Firmen und Institutionen stellt diese Krise eine existentielle Herausforderung dar. Zugleich führen die veranlassten Schutzmaßnahmen bei den Bürgerinnen und Bürgern zu weitreichenden staatlichen Eingriffen.
Um handlungsfähig zu bleiben, bedarf es aufseiten des Staates nicht nur entsprechender Kompetenzen, sondern auch der Akzeptanz durch die Bevölkerung. Hierfür wiederum ist eine zuverlässige öffentlich-rechtliche Justiz sehr wichtig. Sie gewährleistet die Kontrolle behördlichen Handelns und damit die Sicherheit, dass soziale Rechte eingefordert und staatliche Eingriffe zur Überprüfung gestellt werden können. Dies ist für den Rechtsfrieden elementar. Aufgabe der Gerichte der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeiten ist es, dies gerade auch in Krisenzeiten zu garantieren.
Trotz erschwerter Arbeitsbedingungen auch in der Justiz werden das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht sowie die Sozial- und Verwaltungsgerichte des Landes mit der Beantwortung neuartiger Rechtsfragen ganz unterschiedlicher Natur befasst bzw. bereiten sich darauf vor.
Für das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht werden die steuerrechtlichen Regelungen und Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierung Schleswig-Holsteins relevant. Diese beziehen sich bislang in erster Linie auf die Steuererhebung, also die Bezahlung bereits festgesetzter Steuern oder Steuervorauszahlungen. Steuerbürgerinnen und -bürger, die durch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind, können Anträge auf Stundung bereits fälliger oder bis zum Jahresende fällig werdender Steuerbeträge stellen und festgesetzte Steuervorauszahlungen herabsetzen lassen. Die Behörden sind angewiesen, das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen großzügig zu prüfen. Außerdem sollen die Finanzbehörden bei in diesem Sinne betroffenen Steuerpflichtigen bis zum Jahresende davon absehen, festgesetzte Steuern zwangsweise beizutreiben. Diese Maßnahmen gelten sowohl für sog. Bundessteuern wie die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, aber auch für sog. Landessteuern wie etwa die Gewerbesteuer. Durch sie soll den durch das Coronavirus verursachten wirtschaftlichen Härten entgegengewirkt werden. Es handelt sich um verwaltungsinterne Billigkeitsmaßnahmen. Im Fall einer negativen Behördenentscheidung haben die betroffenen Steuerbürgerinnen und -bürger die Möglichkeit, die Entscheidung durch das Finanzgericht (bzw. im Falle der Gewerbesteuer durch die Verwaltungsgerichte) überprüfen zu lassen.
Der Sozialgerichtsbarkeit sind Bürgerinnen und Bürger in sozial schwierigen Lebenssituationen, in einem höheren Alter oder mit besonderen Erkrankungen anvertraut, die von den Risiken der Corona-Pandemie besonders betroffen sind. Die Sozialgerichte sind u.a. zuständig für die Überprüfung von Ansprüchen auf Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kinderzuschlag und existenzsichernde Leistungen (besser bekannt unter Hartz IV und Sozialhilfe). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geht davon aus, dass aufgrund der Corona-Krise bundesweit etwa 1,3 Millionen zusätzliche Personen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben könnten. Die durch das Sozialschutz-Paket vom 25. März 2020 durch den Bundestag kurzfristig beschlossenen Gesetzesänderungen verändern das bisher geltende Sozialrecht erheblich und erleichtern für die kommenden Monate den Zugang zu diesen Leistungen. Streitfälle sind dennoch in zahlreichen Konstellationen denkbar. Wegen der besonderen Dringlichkeit werden solche Fälle vor den Sozialgerichten in der Regel zunächst in gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Mittelfristig könnte es zu einer Zunahme von Abrechnungsstreitigkeiten zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern kommen. Zugleich betont Präsidentin des Landessozialgerichts Dr. Fuchsloch aber auch: „Derzeit haben alle Akteure im Gesundheitswesen ihre Kräfte gebündelt, um gemeinsam die Corona-Pandemie so effektiv wie möglich zu bekämpfen.“ So werden die Kosten für von Ärzt/innen veranlasste Corona-Testungen großzügig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem wird etwa für die ambulante medizinische Versorgung von Coronavirus-Patienten zusätzliches Geld bereitgestellt, das seit dem 1. Februar in voller Höhe außerhalb der ärztlichen Budgets ausgezahlt wird.
Eine Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann erfolgen anlässlich von Maßnahmen der Landesregierung, der Gesundheitsämter und anderer Behörden der Kreise zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Der im Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehene Katalog von Gefahrenabwehrmaßnahmen ist weit gefächert: von Ermittlungen, Vorladungen und Untersuchungen durch das Gesundheitsamt sowie Schutzmaßnahmen in Form von Beobachtung und Absonderung (Quarantäne) von Kranken, Krankheits- oder Ansteckungsverdächtigen bis zu Kontakt- und Ansammlungsverboten, beruflichen Tätigkeitsverboten, Verbot von Veranstaltungen sowie der Schließung öffentlicher Einrichtungen sowie privater Betriebe und Beherbergungsstätten.
Zahlreiche Betroffene haben sich bereits an das Schleswiger Verwaltungsgericht gewandt. Die für das Gesundheitsrecht zuständige 1. Kammer arbeitet seit bald zwei Wochen nahezu rund um die Uhr, um in eiligen Verfahren zeitnahe Entscheidungen zu gewährleisten. Vielfach im Streit ist die Nutzung von in Schleswig-Holstein gelegenen Zweitwohnungen aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken. Die Anreise zwecks Ausübung handwerklicher Tätigkeiten (z.B. am eigenem Boot), der Weiterbetrieb mobiler Verkaufsstände vor Supermärkten oder einer Fußpflege-Praxis und die Frage des Umgangs mit nahestehenden Personen, die nicht demselben Haushalt angehören, sind Gegenstand weiterer Verfahren. Mit Stand vom 1. April 2020 sind bei der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts 27 Eilanträge eingegangen. Über 17 dieser Anträge ist bislang entschieden worden. Sie blieben durchgehend ohne Erfolg. Dem Oberverwaltungsgericht liegen erste Beschwerden vor. Da das Verwaltungsgericht wegen der bevorstehenden Ostertage mit zahlreichen weiteren Anträgen rechnet, wird dessen Präsidium die zuständige 1. Kammer deshalb kurzfristig personell verstärken.
Daten über Eingänge, Erledigungen, Bestände und Verfahrenslaufzeiten, die Auskunft über die Herausforderungen des vergangenen Jahres 2019 geben, können im Übrigen bei der jeweiligen Gerichtsbarkeit nachgefragt bzw. auf deren Internet-Seiten nachgelesen werden.
Für Nachfragen stehen die jeweiligen Pressereferent/innen zur Verfügung:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Karsten Göllner, Telefon 0431 988-3835, E-Mail karsten.goellner@fg-kiel.landsh.de
Sozialgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, Katrin Gebhardt, Telefon 04621 86-1353, E-Mail verwaltung@lsg.landsh.de
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Martina Petersen, Telefon 04621 86-1707, E-Mail martina.petersen@ovg.landsh.de und Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Christine Nordmann, Telefon 04621 86-1636, E-Mail christine.nordmann@ovg.landsh.de