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Landgericht Itzehoe : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Urteil: Freigesprochen ­­– und doch verurteilt


Ein Freispruch wegen Mittäterschaft in einem Strafprozess bedeutet nicht, dass eine zivilrechtliche Haftung als Mittäter ausgeschlossen ist.

Letzte Aktualisierung: 28.05.2024

Das Landeswappen Schleswig-Holsteins an der Wand eines Saals im Landgericht Lübeck. Darauf folgender Schriftzug: Entscheidung.
Symbolbild

Was ist passiert?

Zwei Männer wurden vom Landgericht Itzehoe zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Einer der beiden war jedoch zuvor in einem Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts teilweise freigesprochen worden.

Eine Versicherung hat zwei Männer verklagt, weil sie zusammen die Versicherung um einen fünfstelligen Betrag betrogen haben sollen. Sie hätten mehrere Unfälle vorgetäuscht, die es so nicht gegeben habe und dann die Versicherungssumme kassiert. Die Beklagten waren deshalb zuvor in einem Strafprozess angeklagt und verurteilt worden. In Bezug auf eine Tat war der Beklagte zu 1 jedoch freigesprochen worden. Es konnte ihm dort nicht nachgewiesen werden, dass er an dem Betrug beteiligt gewesen war.

Im Strafurteil ist festgestellt worden, dass bei dieser konkreten Tat der Beklagte zu 2 bei der Klägerin angerufen und ein erfundenes Unfallgeschehen gemeldet habe. Für den Schadensersatz habe er ein Konto angegeben, das dem Beklagten zu 1 zuzuordnen war. Dieser habe die EC-Karte und auch alle Unterlagen zu dem Konto besessen. Die Klägerin habe deshalb Geld auf dieses Konto überwiesen.

Es gab nun zwei denklogische Möglichkeiten: Entweder haben sich beide Beklagte abgesprochen. Dann hat der Beklagte zu 1 dem anderen mindestens das Konto für den Betrug zur Verfügung gestellt, wenn er das Geld nicht sogar selbst vereinnahmt und mit dem anderen Beklagten zu 2 geteilt hat. Oder der Beklagte zu 2 hatte aus anderen Gründen sowieso Zugriff auf das Konto. Dann war auch möglich, dass er dieses Konto ohne Wissen des Beklagten zu 1 für die Abwicklung der Tat genutzt hatte. Dann hatte der Beklagte zu 1 mit dieser Tat nichts zu tun.

Wie hat das Gericht entschieden?

Im anschließenden Zivilverfahren trug die klagende Versicherung vor, dass der Beklagte zu 2 das Konto des Beklagten zu 1 mit dessen Wissen genutzt habe. Auch er schulde ihr deshalb Schadensersatz.

Diesen Vortrag hat der Beklagte zu 1 zwar bestritten, aber weiterhin nichts zu den Einzelheiten ausgesagt. Er wurde zusammen mit dem Beklagten zu 2 vom Landgericht Itzehoe zur Rückzahlung des ausgekehrten Betrages verurteilt.

Warum wurde unterschiedlich entschieden?

Das hat damit zu tun, dass beide Prozessarten, also der Straf- und der Zivilprozess, unterschiedlich ablaufen. Im Strafprozess gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 244 Abs. 2 StPO. Das Gericht muss alle Tatsachen ermitteln, um ein Urteil fällen zu können. Wenn nicht ermittelt werden kann, ob jemand eine Straftat begangen hat oder nicht, dann muss das Gericht freisprechen. Im deutschen Strafprozessrecht darf jeder Angeklagte die Aussage verweigern und daraus dürfen keine Schlüsse gegen ihn gezogen werden. Man darf aus dem Schweigen also nicht schlussfolgern, dass er wohl etwas zu verbergen habe. Dem Beklagten zu 1 konnte also nicht nachgewiesen werden, dass er sich mit dem anderen Beklagten abgesprochen hatte. Es war ja auch die andere Möglichkeit denkbar.

Im Zivilprozess ist das anders. Hier wird der Rechtsstreit zwischen privaten Personen geführt und es gilt der sogenannte Beibringungsgrundsatz, § 282 Abs. 1 ZPO. Die Parteien müssen dem Gericht Tatsachen vortragen, nach denen sie beispielsweise einen Anspruch auf die Zahlung von der anderen Partei haben. Wenn eine Partei Tatsachen vorträgt, reicht es nicht aus, dass die andere Partei einfach so bestreitet, dass das stimme, § 138 ZPO. Sie muss auch schildern, wie es ihrer Meinung nach gewesen sei. Der Beklagte zu 1. hätte also angeben müssen, wie der andere Beklagte ohne sein Wissen an das Geld gekommen sein soll, das die Klägerin auf sein Konto überwiesen hatte. Weil er dazu weiterhin nichts gesagt hat, hat das Zivilgericht dieses Bestreiten als unwirksam angesehen. Für das Zivilgericht hat der Beklagte zu 1 also nicht wirksam bestritten, dass er mit dem anderen Beklagten zusammengearbeitet habe. Daher hat das Zivilgericht den Beklagten zu 1 verurteilt, obwohl das Strafgericht ihn freigesprochen hatte.

Die Entscheidung vom 05.12.2023 (Az. 7 O 350/21) ist in Kürze kostenfrei hier abrufbar über die Landesrechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein.

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