Das Institut für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie (ISFP)
Das ISFP ist eine Abteilung des Zentrums für Integrative Psychiatrie ZIP, Campus Kiel und gleichzeitig der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliedert. Die forensisch-psychiatrische Abteilung des Instituts hat in den Justizvollzugsanstalten Kiel und Neumünster intramurale Behandlungsprogramme für Straftäter entwickelt und bietet konsiliar-psychiatrische Sprechstunden an. Am ZIP in Kiel betreibt das ISFP die Forensische Fachambulanz Schleswig-Holstein für Sexual- und Gewaltstraftäter sowie gemeinsam mit dem Vollzug eine psychiatrische Abteilung in der JVA Neumünster, in der psychisch kranke Gefangene aus allen Gefängnissen in Schleswig-Holstein nach einem teilstationären Konzept behandelt werden können.
Intramurales Behandlungsprogramm für Gewalt- und Sexualstraftäter in der JVA Neumünster
In der Justizvollzugsanstalt Neumünster bietet das ISFP seit 1998 deliktorientierte Behandlungsprogramme für inhaftierte Gewalt- und Sexualstraftäter an. Die therapeutischen Angebote sind auf Grundlage evidenzbasierter Erkenntnisse der Tätertherapie entwickelt worden und orientieren sich insbesondere am Risk-Need-Responsivity-Modell nach Andrews und Bonta sowie dem Good Lives Modell nach Ward, Mann und Gannon (2007). Die Behandlungsprogramme werden außerdem fortlaufend an gesetzliche Änderungen und an die spezifischen Gegebenheiten der JVA angepasst.
Therapieprozess
Entsprechend der aktuellen Absprache mit der Leitung der JVA Neumünster stellt der psychologische Dienst nach einer umfassenden Eingangsuntersuchung die Indikation für eine tätertherapeutische Behandlung und formuliert dabei die vorläufigen Therapieziele. Die Gefangenen müssen anschließend eigenständig einen Antrag auf die Teilnahme an der Therapie stellen.
Einzeltherapie
Die Behandlung wird nach einem Bezugstherapeutensystem durchgeführt und folgt einem strukturierten Prozess:
- Zur Vorbereitung der Therapie werden explorierende Gespräche zur Biografie und zur psychiatrischen- sowie strafrechtlichen Vorgeschichte geführt, mit dem Ziel, ein Störungs- und Risikoprofil zu erstellen.
Gleichzeitig wird in dieser Phase an einer tragfähigen therapeutischen Beziehung und einer Verbesserung der intrinsischen Motivation gearbeitet.
- Anschließend wird aus den erhobenen Informationen ein individuelles Delinquenzmodell abgeleitet, um ein Verständnis über die Entstehung des straffälligen Verhaltens zu erlangen und personale Risikofaktoren zu identifizieren. Nachfolgend werden mit dem Patienten die vorgegebenen Therapieziele des psychologischen Dienstes besprochen, in das Modell eingebunden und gegebenenfalls modifiziert.
- Die darauffolgende Kernphase der Therapie widmet sich in therapeutischen Gesprächen, die in der Regel wöchentlich durchgeführt werden und 50 Minuten dauern, der Bearbeitung der vereinbarten Therapieziele und zielt insbesondere darauf ab, die identifizierten Risikofaktoren abzubauen, während gleichzeitig Schutzfaktoren aufgebaut bzw. gestärkt werden.
- Auch nach Erreichung der Therapieziele und erfolgreicher Beendigung der Therapie, können Gefangene Einzelgespräche bei akuten Anliegen oder Problematiken innerhalb der Haft in Anspruch nehmen. Eine therapeutische Begleitung bei Vollzugslockerungen ist ebenfalls möglich.
Therapeutische Gruppenangebote
In Ergänzung zur Einzeltherapie bietet das Therapeutenteam des ISFP verschiedene therapeutische Gruppen an:
- Wöchentlich wird eine „Skills-Gruppe“ angeboten, welche sich über zwei Module erstreckt. Im Vordergrund steht die Zielsetzung, den Patienten Fähigkeiten zum besseren Umgang mit Emotionen zu vermitteln. Das erste Modul beinhaltet eine allgemeine Psychoedukation zu Emotionen und schult außerdem die Wahrnehmung von handlungsleitenden Emotionen. Zudem werden praktische Techniken zur Emotionsregulation erarbeitet. Das zweite Modul dient dazu, angemessene Kommunikationstechniken in Form praktischer Übungen zu vermitteln.
- Die ebenfalls mit wöchentlichen Sitzungen angebotene „Anti-Gewalt-Gruppe“ richtet sich ausschließlich an die Gewaltstraftäter. Die Gruppe ist aufgeteilt in drei Module: Nach dem ersten Modul mit psychoedukativen Sitzungen folgt im zweiten Modul die individuelle Deliktanamnese und -bearbeitung. Anschließend wird im dritten Modul ein individuelles soziales Kompetenztraining mit deliktspezifischen und – präventiven Übungen durchgeführt.
- Die therapeutische Ausrichtung des Therapeutenteams ist verhaltenstherapeutisch orientiert, gleichzeitig aber auch offen für Impulse andere Therapierichtungen und integriert insbesondere verschiedene Therapiemethoden aus der forensischen Schematherapie und aus dem Motivational-Interviewing.
Ergänzende Behandlungsangebote
Sofern während der Therapie psychiatrische Störungen bemerkt werden, besteht die Möglichkeit, den Patienten in der konsiliar-psychiatrischen Sprechstunde vorzustellen. Dort wird gegebenenfalls eine medikamentöse Behandlung eingeleitet und überwacht. Bei bestehender Indikation könnte überdies eine Behandlung auf der psychiatrischen Abteilung erfolgen, für die allerdings die Straftätertherapie unterbrochen werden müsste.
Sollte nach Abschluss der Behandlung und für die Zeit nach der Entlassung noch ein Behandlungsbedarf bestehen, können sich die Patienten an die Forensische Fachambulanz am ZIP in Kiel wenden.
Aktivitäten und Angebote der Forschung und Lehre
Das ISFP ist bemüht, alle tätertherapeutischen Behandlungsangebote begleitend i.S. einer klinischen Versorgungforschung zu evaluieren und auf Basis der Ergebnisse weiterzuentwickeln. Sämtliche Forschungsprojekte sind daher sehr praxisnah konzipiert und orientieren sich an den einzelnen Behandlungsangeboten.
Für interessierte Studierende der Psychologie und Medizin bietet das ISFP Möglichkeiten, die Straftätertherapie im Rahmen eines Praktikums oder einer Famulatur kennenzulernen.