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Amtsgericht Bad Segeberg : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Historie

Letzte Aktualisierung: 11.04.2022

Das 19. Jahrhundert brachte für Deutschland in vielerlei Hinsicht erhebliche Veränderungen der staatlichen Strukturen. Unter dem Blickwinkel der Rechtsgeschichte war die erste Hälfte gekennzeichnet durch eine über viele Jahrhunderte überkommene Vielzahl nebeneinander bestehender gesetzlicher Kodifikationen und Rechtssysteme. Damit ging einher ein stark differierender organisatorischer Aufbau der Gerichtsbarkeit. Dementsprechend war 1866 im 12 Quadratmeilen umfassenden Amt Segeberg der Amtmann Baron von Brokdorf als Richter im königlich preußischen Amtsgebäude tätig. Er handelte gemäß den Regelungen des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794. Daneben bestand als ordentliches geistliches Gericht das Konsistorium für die Probstei Segeberg. Es war zuständig für Ehesachen und die Zivilstreitigkeiten der Geistlichen, Lehrer, Küster, Kantoren und deren Familien. Die Verfassung beider Gerichte war einheitlich verfasst; sie wurde durch ein besonderes „Justiz Reglement betreffend die geistliche und weltliche Gerichtsverfassung nebst Gebührentaxen de dato 9.12.1743“ geregelt. Eine entsprechende Kleinteiligkeit fand sich in ganz Schleswig-Holstein wieder. So gab es im Jahre 1866 im Herzogtum Holstein 154 und im Herzogtum Schleswig 130 Gerichte; hinzu kam noch die besondere Gerichtsbarkeit der reichsfreien Stadt Lübeck.

Nach dem Sieg Preußens über Dänemark im Jahre 1864 ordnete König Wilhelm mit der Verordnung vom 26.6.1867 eine Vereinheitlichung der Gerichtsbarkeit für sein Königreich an. In der Folge kam es zu einer grundlegenden Neugestaltung der Gerichtslandschaft. Im Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein entstanden insgesamt 86 Amtsgerichte (im Jahre 2022 sind es noch 22 Amtsgerichte), fünf Kreisgerichte (im Jahre 2022 sind es 4 Landgerichte) sowie das Appellationsgericht in Kiel (das Oberlandesgericht befindet sich seit 1948 in Schleswig). Da dieser Prozess sehr zügig vorangetrieben wurde, gab es keine ausreichende Zeit, erforderliche Neubauten zu errichten. Das erste königlich-preußische Amtsgericht Segeberg nach der Reform befand sich demgemäß in einem angemieteten Gebäude in der Hamburger Straße 39.

Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg

Die im preußischen Königreich begonnene Rechtsvereinheitlichung nahm mit der Entstehung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 seinen Fortgang. Im Hinblick auf die Gerichtsverfassung und das Verfahren war entscheidender Markstein die Verabschiedung der sogenannten Reichsjustizgesetze des Jahres 1877. Im materiellen Recht folgten das Handelsgesetzbuch (HGB) sowie als krönender Abschluss die umfassende Kodifikation des gesamten allgemeinen Zivilrechtes in Gestalt des zum 1.1.1900 in Kraft tretenden Jahrhundertwerkes des Bürgerlichen Gesetzbuches nach.

Mit dem Inkrafttreten des Reichsjustizgesetzes zum Oktober 1879 entstanden aus den bisherigen Kreisgerichten die Landgerichte. Das Appellationsgericht hieß fortan Oberlandesgericht.

Das zusammen mit dem Reich prosperierende Königreich Preußen war bemüht, dem gesamten Staatsapparat und damit auch der Justiz nach außen ein neues Gesicht zu geben. Dies führte zu einer weitreichenden Neubautätigkeit. In Segeberg wurde zur Jahrhundertwende unweit des bisherigen Amtssitzes ein Neubau errichtet, und zwar in dem für die preußischen Amtsgerichte dieser Zeit typisch historisierenden Stil (hier ein an die hanseatische Tradition angelehnter Backsteinbau mit eigenwillig gestaltetem, der Längsseite vorgeblendetem und an der einer Giebelseite in kleinerer Ausführung wiederholtem Treppengiebel mit Windlöchern und weiß ausgeputzen, im oberen Bereich spitzbögig ausgeführten Zierstreifen).

Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg
Zustand um 1914
Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg
Aktueller Zustand

Die Hamburger Straße 29 blieb über nahezu 100 Jahre der Amtssitz der Segeberger Justiz. Hier überdauerte sie das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Unrechtsregime des Nationalsozialismus sowie die Neuetablierung der Demokratie mit dem Entstehen der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949. Die drei gravierenden verfassungsrechtlichen Wandlungen von der Monarchie über die Republik hin zum Totalitarismus und dem sich daran anschließenden demokratisch verfassten sozialen Rechtsstaat führte zu einer Vielzahl von Veränderungen der rechtlichen Verhältnisse, die sich unmittelbar wie mittelbar auch in den jeweiligen gerichtlichen Verfahren widerspiegelten. Der inhaltliche Wandel fand im Äußeren des Gerichtsgebäudes allerdings keine Entsprechung. Unverändert fand sich über dessen Eingangsportal der königlich-preußische schwarze Adler.

Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg

In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Bau aus verschiedenen Gründen als nicht mehr zeitgerecht empfunden. Es entstand unter Einbeziehung des vormaligen Katasteramtes nunmehr etwas außerhalb des unmittelbaren Stadtzentrums ein 1985 bezugsfertiger Neubau in der Nähe des Kalkberges, der in räumlicher wie technischer Hinsicht den Anforderungen der damaligen Zeit Rechnung trug.

Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg
Zustand des ehemaligen Katasteramtes um 1948
Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg
Aktueller Zustand des ehemaligen Katasteramtes

Der Bezirk des Amtsgerichtes Bad Segeberg vergrößerte sich mit der Auflösung des Amtsgerichtes Bad Bramstedt im Jahre 1999 gen Westen; auch wurde Personal dieses Gerichtes aufgenommen. Seit dem Jahr 2020 werden in Bad Segeberg alle Landwirtschaftssachen, die örtlich in die Bezirke der Amtsgerichte Neumünster und Norderstedt fallen, verhandelt.

Das Amtsgericht Bad Segeberg wird zurzeit grundlegend fassadensaniert und im Innern für die Herausforderungen der modernen Justiz (elektronischer Rechtsverkehr, Videoverhandlungen pp.) hergerichtet.

Historisches Bild des Amtsgerichts Bad Segeberg
Zustand des Gerichts vor der Fassadensanierung

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