Relative Einkommensarmut
Trotz insgesamt gestiegener Erwerbsquoten und einer verbesserten Arbeitsmarktlage hat sich die materielle Situation der Gesamtbevölkerung gemessen am Indikator der relativen Einkommensarmut (vgl. Glossar Sozialbericht sowie Begriffsdefinition Armutsrisikoquote) zwischen 2011 bis 2018 leicht verschlechtert. 2011 waren 15,2 % der Bevölkerung von relativer Einkommensarmut betroffen, 2018 lag dieser Anteil bei 15,9 %. Das bedeutet: 15,9 % oder rund 421.000 Personen mussten in Schleswig-Holstein mit einem Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle auskommen (Deutschland: 15,5 %, Westdeutschland: 16,1 %).
Nicht alle Bevölkerungsgruppen waren von Armut oder dem Anstieg der Armutsrisikoquote im gleichen Maße betroffen und so ist zwischen einigen Bevölkerungsgruppen eine divergente Entwicklung zu beobachten. Die Armutsrisikoquoten der deutschen Bevölkerung und der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind seit 2011 gesunken (auf 12,8 % bzw. 11,5 %), während die Armutsrisikoquoten von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit und Menschen mit Migrationshintergrund angestiegen sind. 2018 lebte mehr als die Hälfte aller Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (52,5 %) in relativer Einkommensarmut, womit ihr Armutsrisiko rund viermal so hoch ist wie das der deutschen Bevölkerung. Menschen mit Migrationshintergrund waren rund dreimal so oft armutsgefährdet (37,2 %) wie Menschen ohne Migrationshintergrund.
Von den Menschen im Erwerbsalter galten 2018 in Schleswig-Holstein insgesamt 290.000 Personen als einkommensarm (15,8 %). Besonders betroffen waren dabei Erwerbslose mit einer Armutsrisikoquote von 55,5 %, allerdings machten sie nur 8,7 % aller einkommensarmen Menschen im Erwerbsalter aus. Auch Erwerbstätigkeit schützt nicht per se vor Einkommensarmut. Rund 82.000 Erwerbstätige (außerhalb des Bildungssystems) hatten nur ein Einkommen unter der Armutsschwelle. Ursache hierfür ist häufig ein atypisches Beschäftigungsverhältnis und/oder die Beschäftigung im Niedriglohnbereich.
In der (Fach-)Öffentlichkeit wird viel über Altersarmut diskutiert. Anhand der vorliegenden Daten ist aktuell allerdings keine generell überdurchschnittliche Betroffenheit von älteren Menschen ableitbar. Die Armutsrisikoquote der 65-jährigen und älteren Bevölkerung war 2018 mit 13,1 % etwas niedriger als die der Gesamtbevölkerung (15,9 %) und ist gegenüber 2011 sogar leicht gesunken. Dabei haben ältere Frauen mit 14,4 % zwar eine etwas höhere Armutsrisikoquote als Männer (11,6 %), aber ihr Risiko war leicht rückläufig. In einigen Konstellationen war das Armutsrisiko älterer Menschen überdurchschnittlich hoch, so etwa bei einer geringen beruflichen Qualifikation (26,7 %), einem Migrationshintergrund (38,1 %) oder bei älteren Frauen in Einpersonenhaushalten (20,4 %, Männer hier 16,1 %).
Bei der Einordnung des Armutsrisikos älterer Menschen muss allerdings Folgendes berücksichtigt werden: Obwohl die Armutsrisikoquote der älteren Bevölkerung gesunken ist, hat sich die Zahl der einkommensarmen älteren Menschen in Schleswig-Holstein seit 2011 um +6,8 % erhöht. Dass also die absolute Betroffenheit älterer Menschen trotz sinkender Quote gestiegen ist, liegt an der wachsenden Zahl von 65-jährigen und älteren Menschen.
Auch das viel beachtete Thema Familien- und Kinderarmut ist differenziert zu betrachten. Jedes fünfte Kind (21,2 %) lebte 2018 in einem Haushalt, der von relativer Einkommensarmut bedroht ist (2011: 17,8 %), und Familien mit minderjährigen Kindern hatten mit 18,6 % im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (15,9 %) ein überdurchschnittliches Armutsrisiko. Das Armutsrisiko steigt zwar grundsätzlich mit steigender Kinderzahl, hängt darüber hinaus aber wesentlich von den weiteren familiären soziodemografischen Rahmenbedingungen ab.
Haben Familien mit minderjährigen Kindern einen Migrationshintergrund, so war das Armutsrisiko stets um ein Vielfaches höher als bei der vergleichbaren Familienkonstellation ohne Migrationshintergrund. So lag das Armutsrisiko von (Ehe-)Paaren mit Migrationshintergrund und minderjährigen Kindern insgesamt bei 39,4 %, während es bei (Ehe-)Paarfamilien ohne Migrationshintergrund mit 6,9 % deutlich unterdurchschnittlich war. Familien ohne Migrationshintergrund haben erst ein leicht überdurchschnittliches Armutsrisiko, sind drei oder mehr Kinder vorhanden (16,6 %) oder ist ein Elternteil alleinerziehend (35,0 %).
Darüber hinaus war das Armutsrisiko von Familien mit Kindern bei geringqualifizierten und/oder erwerbslosen Eltern ebenfalls höher. Da beides auf Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell häufiger zutrifft als auf Menschen ohne Migrationshintergrund, erhöht sich ihr Risiko relativer Einkommensarmut nochmals. Bemerkenswert ist, dass selbst Kinder von Eltern mit einer hohen beruflichen Qualifikation ein deutlich überdurchschnittliches Armutsrisiko haben, sobald ein Migrationshintergrund vorhanden ist (27,1 %).
Nähere Informationen und Daten hierzu finden sich in den Kapiteln III.2 und insbesondere III.2.3.4.2, IV.1.4.1 und IV.4.5 des Sozialberichtes.
Mindestsicherung
Ende 2019 erhielten 262.000 Menschen Leistungen der Mindestsicherung. Im Vergleich zum Höchststand 2015/2016 und ebenso zum Vorjahr geht die Zahl weiter zurück. Auch die sogenannte Mindestsicherungsquote (der Anteil von Personen mit Bezug von Mindestsicherungsleistungen an der Gesamtbevölkerung) ist nach einem Zwischenhoch 2015/2016 gesunken und befindet sich 2019 mit 9,0 % (Westdeutschland 7,9 % und Deutschland 8,3 %) wieder auf dem Niveau von 2011. In vielen westdeutschen Bundesländern ist die Mindestsicherungsquote dagegen im Beobachtungszeitraum insgesamt angestiegen.
Unter den Hilfearten der Mindestsicherung sind die SGB-II-Leistungen die mit Abstand bedeutendsten (75,6 % der Leistungsempfängerinnen und -empfänger). 2019 erhielten 198.300 Menschen in Schleswig-Holstein Regelleistungen nach dem SGB-II. Dies markiert den niedrigsten Stand im Beobachtungszeitraum und entspricht einem Rückgang von 10.200 Personen oder 4,9 % gegenüber 2011.
Als Folge der gestiegenen Zahl von Geflüchteten 2015/2016 hat die Bedeutung von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kurzfristig zugenommen. 2019 hat sich die Fallzahl auf einem etwas höheren Niveau als zuvor bei 15.500 Personen eingependelt. Die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, ist seit 2011 von 16.500 auf 21.300 angestiegen (+29,3 %). Bei der Grundsicherung wegen dauerhafter Erwerbsminderung sind die Fallzahlen von 16.400 auf 20.600 angestiegen (+25,6 %).
Generell bezogen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit 38,4 % weitaus häufiger Mindestsicherungsleistungen als Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit (7,0 %). Während die Mindestsicherungsquote der deutschen Bevölkerung zwischen 2011 und 2018 leicht gesunken ist, liegt die Quote der Bevölkerung ohne deutsche Staatsangehörigkeit deutlich über dem Niveau von 2011.
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren lebten mit 15,6 % überdurchschnittlich oft in Haushalten im Mindestsicherungsbezug. Unter Minderjährigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit war die Mindestsicherungsquote 6,5-mal so hoch wie unter deutschen Minderjährigen. Zwei von drei Minderjährigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit erhielten Mindestsicherungsleistungen, dagegen nur jede/jeder zehnte deutsche Minderjährige.
Regional sind große Unterschiede zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein zu beobachten, die einem Stadt-Land-Gefälle folgen. Die Mindestsicherungsquoten aller vier kreisfreien Städte lagen deutlich über dem landesweiten Durchschnitt, während die der Kreise mit nur einer Ausnahme unterdurchschnittlich waren.
Nähere Informationen und Daten hierzu finden sich in Kapiteln III.2.2 und IV des Sozialberichtes.