Bereits vor über 200 Jahren fingen Menschen an, Tiere heranzuziehen, um ihre eigene Gesundheit zu verbessern. Seit etwa Anfang der 60er Jahre wird die tiergestützte Therapie wissenschaftlich erforscht. Heute sind die Einsatzmöglichkeiten der vierbeinigen Therapeuten vielseitiger denn je.
Tiere sind spontan und unvoreingenommen. Im Unterschied zu Menschen kümmern sie sich nicht um die intellektuellen Fähigkeiten ihres Gegenübers – Religion, Hautfarbe oder Kultur interessieren sie nicht. Sie können uns Zuneigung zeigen und so unsere Lebensfreude heben. Eine Studie des Schlaganfallzentrums der Universität von Minnesota (USA) ergab etwa, dass Katzenschnurren den Blutdruck bei Menschen senkt und somit das Herzinfarktrisiko reduziert.
Noch vor wenigen Jahren hätten die meisten Patienten und Mediziner Tiere als Co-Therapeuten für sehr exotisch befunden. Mittlerweile ist ihr positiver Effekt auf das menschliche Wohlbefinden allgemein anerkannt und auch die Nachfrage nach qualifizierter Weiterbildung in diesem Bereich boomt. Die Möglichkeiten, die die tiergestützte Arbeit in Therapie und Gesundheitsförderung eröffnet, sind hierbei genauso vielschichtig und facettenreich wie die Patienten und Tiere selbst.
Auch in Schleswig-Holstein kommen tierische Therapiehelfer zum Einsatz: Pferde helfen Patienten mit Multipler Sklerose, Hunde gewinnen das Vertrauen psychisch belasteter Kinder und Kühe wecken Erinnerungen bei Menschen mit Demenz.
Tiergestützte Therapie vs. tiergestützte Aktivität
Nicht jedes Angebot, das tierische Helfer nutzt, um die Gesundheit von Menschen zu fördern, darf als tiergestützte Therapie bezeichnet werden. Es ist daher wichtig, zwischen tiergestützter Aktivität und tiergestützter Therapie zu unterscheiden.
„Innerhalb der tiergestützten Therapie werden im Vorfeld für einen spezifischen Patienten konkrete Ziele formuliert, zum Beispiel eine Stimmungsaufhellung, eine Antriebssteigerung oder eine bessere Wahrnehmung der eigenen Gefühle zu erreichen“, erklärt Diplom-Psychologin und Expertin für hundegestützte Therapie Franca Tüshaus, „Fachpersonen müssen die therapeutischen Interventionen leiten. Dauer und Frequenz der Therapieeinheiten sind klar festgelegt. Therapieinhalt und -verlauf werden genau dokumentiert und Veränderungen bei den Patienten werden anhand psychodiagnostischer Verfahren überprüft.“
Bei tiergestützten Aktivitäten können im Gegensatz dazu der zeitliche Rahmen und ebenso die Inhalte spontan und flexibel gestaltet werden. Sie werden oft ehrenamtlich durchgeführt und wenden sich meist unspezifisch an mehrere Personen. Eine genaue Dokumentation ist nicht erforderlich (z.B. Besuchshund im Pflegeheim).
Therapeutisches Reiten (Hippotherapie)
Unter Hippotherapie versteht man den medizinischen Einsatz von Pferden in der Physiotherapie. Während der Behandlung stimmt die Physiotherapeutin die Bewegungsimpulse des Pferdes und die Bewegungsantworten des Patienten aufeinander ab. Die Hippotherapie kann speziell dort helfen, wo herkömmliche therapeutische Maßnahmen nicht mehr wirken.
Das Pferd überträgt auf den Rumpf des aufrecht sitzenden Patienten etwa 90 bis 110 dreidimensionale Schwingungsimpulse pro Minute, die fast identisch mit dem Bewegungsablauf des Gehens eines durchschnittlichen Erwachsenen sind. Zielgruppe sind Menschen mit unterschiedlichsten neurologischen Bewegungsstörungen (z.B. Multiple Sklerose) und dadurch gestörter oder verloren gegangener Gehfähigkeit. Der Patient muss auf die ihm angebotenen Bewegungsimpulse reagieren. Muskelfunktionen oder Bewegungsabläufe wie z.B. das Gehen können so erhalten, verbessert oder wieder neu erlernt werden. Zudem reguliert die Therapie zu Pferde die Atmung, kräftigt die Rumpfmuskulatur, verbessert die Gleichgewichtskontrolle und Koordination, fördert die soziale Kommunikation im Alltag der Patienten und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen. Er kann auf menschliche Emotionen eingehen, Gesellschaft leisten und so das Gefühl von Einsamkeit lindern. Darüber hinaus animieren Hunde mit ihrer spielerischen Art zu Aktivität. Eine Datenanalyse von Forschern der amerikanischen Michigan State University zeigt sogar: Hundehalter erreichen mit einer 34 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit als hundelose Menschen die von Sportwissenschaftlern empfohlenen 150 Minuten an körperlicher Aktivität pro Woche.
Doch nicht nur als Haustiere haben die Vierbeiner einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit, sondern auch als ausgebildete Therapeuten!
In Deutschland setzen inzwischen mehr als 40 Prozent aller Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie Tiere in der therapeutischen Arbeit ein. Denn die bedingungslose Zuwendung, die ein Tier gibt, kann das Selbstbild der Kinder ungemein aufwerten. Viele psychisch belastete Kinder sind mit Bezugspersonen aufgewachsen, die nicht ausreichend emotional verfügbar waren oder das Kind oft zurückgewiesen haben. Neuere Forschungen zeigen, dass sich diese Bindungsunsicherheit oft auf spätere menschliche Beziehungen überträgt, nicht aber auf Tiere.
Im Interview erzählt Diplom-Psychologin Franca Tüshaus von den Erfahrungen, die sie gemeinsam mit ihrem tierischen Therapiepartner auf der psychosomatischen Station für Kinder und Jugendliche des UKSH Lübeck gemacht hat.
Hundegestützte Therapie hilft auch Erwachsenen. Bei der ergotherapeutischen Behandlung, die Menschen unterstützt und begleitet, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind, werden Hunde mit Erfolg eingesetzt. So kann das Spielen mit einem Hund oder das Streicheln seines Felles beispielsweise Menschen nach einem Schlaganfall helfen, ihre motorischen Fähigkeiten zurückzugewinnen. In Schleswig-Holstein bieten zahlreiche selbstständige Ergotherapeut*innen und auch mehrere Kliniken die Behandlung mit einem tierischen Co-Therapeuten an.
Bauernhöfe für Menschen mit Demenz
Blumen pflücken, Tiere füttern oder einfach die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen: Die Eindrücke auf einem Bauernhof sind vielfältig. Für Menschen mit Demenz können sie besonders wertvoll sein. Sie können Stress lindern und Erinnerungen wecken. Das Kooperationsprojekt des „Kompetenzzentrums Demenz in Schleswig-Holstein“ und der Landwirtschaftskammer ermöglicht Menschen mit Demenz Zeit auf Bauernhöfen zu verbringen.
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