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Thema : Abwasser

Spurenstoffe

Letzte Aktualisierung: 14.12.2021

Was sind Spurenstoffe

Spurenstoffe sind Stoffe, die in sehr geringen Konzentrationen (ng/l - µg/l) in den Gewässern nachgewiesen werden können. Einige dieser Stoffe können schon in diesen sehr geringen Konzentrationen eine nachteilige Wirkung auf die aquatische Umwelt, d.h. Tiere und Pflanzen in den Gewässern haben, da sie toxisch, persistent (sehr langlebig) und/oder bioakkumulativ (reichern sich in Tieren und Pflanzen an) sind. Für Spurenstoffe werden auch die Bezeichnungen "Mikroschadstoffe" oder "Mikroverunreinigungen" synonym verwendet.

Zu den Spurenstoffen zählen u.a. Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel, Industrie- und Haushaltschemikalien sowie Biozide und Pflanzenschutzmittel, die über verschiedene Eintragspfade in unsere Gewässer gelangen.

Spurenstoffe aus Kläranlagen

In den vergangenen Jahren ist der Eintrag von Spurenstoffen in die Oberflächen- und Grundwasserkörper zunehmend in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und politischen Diskussionen gerückt. Neben diffusen Spurenstoffeinträgen, wie bspw. durch atmosphärische Deposition oder aus der Landwirtschaft, gelangen auch über Punktquellen, wie bspw. aus industriellen Direkteinleitern oder Kläranlagen, Spurenstoffe in die Gewässer. Eine gezielte Elimination von Spurenstoffen findet aktuell bei konventionell mechanisch-biologischen Kläranlagen, d. h. in Anlagen, die nach dem Stand der Technik mit Verfahren der 1. bis 3. Reinigungsstufe (mechanisch, biologisch, chemisch) ausgerüstet sind, nicht statt. Einige Spurenstoffe werden in diesen Kläranlagen trotzdem zu einem gewissen Anteil abgebaut. Andere Spurenstoffe passieren die Kläranlagen allerdings ohne dass eine Elimination stattfindet. Der Eliminationsgrad, d. h. wieviel eines Spurenstoffes in der Kläranlage aus dem Abwasser entfernt wird, hängt von den jeweiligen stoffspezifischen Eigenschaften ab. Nicht eliminierte Spurenstoffe gelangen über den Ablauf der Kläranlage in die Gewässer.

Spurenstoffe im Abwasser – Strategische Ansätze in Schleswig-Holstein

Um einen Eintrag von Spurenstoffen in die Gewässer zu reduzieren oder vielmehr zu verhindern, bestehen verschiedene Ansatzpunkte:

  • Maßnahmen an der Quelle wie zum Beispiel Nutzungsbeschränkungen, Anwendungsverbote, Substitution oder Behandeln des Abwassers am Ort des Anfalls,
  • Maßnahmen in der Anwendung wie beispielsweise Informationskampagnen, anwenderbezogene Schulungen oder Produktkennzeichnung,
  • Nachgeschaltete Maßnahme oder End-of-Pipe-Lösung, d. h. Ausbau von kommunalen Kläranlagen um eine 4. Reinigungsstufe zur gezielten Elimination von Spurenstoffen.

In Schleswig-Holstein wird die End-of-Pipe-Lösung grundsätzlich nicht als alleinige Lösung für das Spurenstoffproblem angesehen. Vorrangig sollte hier der Vorsorgegedanke eine Rolle spielen, d. h. der Eintrag sollte durch Vorsorge in Form von anwendungsbezogenen Maßnahmen und Maßnahmen an der Quelle (Verursacherprinzip) vermieden werden.

Eine weitergehende Abwasserbehandlung auf kommunalen Kläranlagen wird in begründeten Fällen als wichtiger Baustein zur Reduzierung der Gewässerbelastungen mit relevanten Spurenstoffen eingestuft. Kläranlagen stellen für bestimmte Spurenstoffe, v. a. Arzneimittel, eine Haupteintrittsquelle in die Oberflächengewässer dar, sind aber weder die einzige Quelle von Spurenstoffen in Gewässern noch der einzige Ansatzpunkt zur Reduzierung der Gewässerverunreinigung mit Spurenstoffen. Weitere Quellen können u. a. die Landwirtschaft oder Industrie bzw. Regenwassereinleitungen sein.

Insgesamt müssen Lösungen für eine Elimination von Spurenstoffen an der Quelle und in der Anwendung ergänzt um die End-of-Pipe-Lösung gefunden werden, um das Spurenstoffproblem ganzheitlich lösen zu können.

Aktivitäten in Schleswig-Holstein in Bezug auf Spurenstoffe

In Schleswig-Holstein gab und gibt es verschiedene Aktivitäten in Bezug auf Spurenstoffe:

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Forschungsprojekte PrioSH und PrioSH2

In Schleswig-Holstein wurden in den vergangenen Jahren vor dem zuvor genannten Hintergrund zwei Forschungsprojekte initiiert, die sich mit verschiedenen Fragestellungen zu Spurenstoffen im kommunalen Abwasser befasst haben. Diese werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt.

PrioSH 1

Im Zeitraum von April 2017 bis Juni 2019 wurde das vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben "Spurenstoffe und Multiresistente Bakterien in den Entwässerungssystemen Schleswig-Holsteins – Ableitung von Kennwerten zur Quantifizierung der Herkunft, der Ausbreitung und des Rückhalts (PrioSH)" durchgeführt.

Im Rahmen des Projektes wurde unter anderem untersucht, in welchem Ausmaß 51 ausgewählte Spurenstoffe in acht landestypischen Kläranlagen eliminiert werden und welche Mechanismen und Prozesse am Rückhalt der Spurenstoffe beteiligt sind. Die Liste der analysierten Spurenstoffe umfasste Arzneimittel, Schwermetalle, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Pestizide und weitere Stoffe wie Bisphenol A.

Die wesentlichen Erkenntnisse des Projektes sind die Folgenden:

  • Der Großteil der untersuchten Spurenstoffe war im Ablauf der untersuchten Kläranlagen zu finden. Von den insgesamt 51 Spurenstoffen wurden 40 im Ablauf mindestens einer der untersuchten Kläranlagen gefunden, d.h. die jeweils gemessene Konzentration lag über der jeweiligen Bestimmungsgrenze.
  • Der Rückhalt von Spurenstoffen ist divers und von stoffspezifischen Eigenschaften abhängig. Während einige Spurenstoffe nahezu vollständig in allen Kläranlagen entfernt wurden (z.B. Coffein) und andere Spurenstoffe nur geringe Eliminationsraten in allen Kläranlagen aufwiesen (z.B. Carbamazepin), zeigten Spurenstoffe wie Diclofenac in den untersuchten Kläranlagen sehr unterschiedliche Eliminationsraten.
  • Die vergleichsweise hohen Eliminationsraten für einige der untersuchten Spurenstoffe lassen sich nicht automatisch mit geringen Ablauffrachten/-konzentrationen oder einem Eintrag nicht (umwelt-)relevanter Stoffkonzentrationen in die Gewässer gleichsetzen.
  • Prinzipiell sind der biologische Abbau und die Sorption die relevanten Mechanismen für den Rückhalt der untersuchten Spurenstoffe in den konventionell mechanisch-biologischen Kläranlagen.
  • Eines der weiteren wesentlichen Ergebnisse des Projektes PrioSH ist die Einteilung der untersuchten Spurenstoffe in sechs verschiedene Gruppen anhand von Stoffkennwerten für Sorption und biologischen Abbau (siehe Abschlussbericht). Die definierten Stoffgruppen fassen Substanzen zusammen, die sich ähnlich verhalten und folglich auf vergleichbare Weise zurückgehalten werden können.

Eine ausführliche Beschreibung des Projektes und der Projektergebnisse sind auf der Website der TH Lübeck. Die Ergebnisse wurden bei der Erstellung des "Konzept Spurenstoffe - Rückhalt von Spurenstoffen in den Kläranlagen Schleswig-Holsteins" berücksichtigt.

PrioSH2

Um die Eliminationsmechanismen der betrachtenden Spurenstoffe weitergehend zu untersuchen und ableiten zu können, inwiefern die Eliminationsleistung der konventionellen Reinigungsstufen ggf. durch eine Anpassung der Betriebsparameter verbessert werden kann, wurden im Nachfolgeforschungsprojekt "Spurenstoffe und Multiresistente Bakterien in den Entwässerungssystemen Schleswig-Holsteins - Ableitung von Kennwerten zur Quantifizierung der Herkunft, der Ausbreitung und des Rückhaltes (PrioSH2)" Untersuchungen zur Elimination durch Co-Fällung, Sorption und biologischen Abbaubarkeit in der Versuchskläranlage Reinfeld und in Form von Laborversuchen durchgeführt. Das Projekt PrioSH2 ist im April 2019 gestartet und wurde im Juni 2020 beendet.

Im Projekt wurde deutlich, dass die konventionelle mechanisch-biologische Abwasserreinigung (i.d.R. Belebtschlammverfahren) keinen vollständigen Rückhalt anthropogener Spurenstoffe erlaubt. Es konnte festgestellt werden, dass eine Anpassung der Betriebsparameter zu einem geringfügig verbesserten Rückhalt insbesondere der mäßig biologisch abbaubaren Stoffe beitragen kann. Die im Rahmen betriebspraktisch umsetzbarer Grenzen erreichbaren Eliminationsraten sind allerdings marginal besser. Die Größenordnung liegt hier je nach Spurenstoff bei maximal 5 bis 10 %.

Weitergehende Bewertung der Ergebnisse aus PrioSH und Ableiten des Spurenstoffkonzeptes

Die im Rahmen des Forschungsprojektes PrioSH ermittelten Spurenstoffkonzentrationen in den Abläufen der Kläranlagen wurden durch das Land weitergehend bewertet und darauf aufbauend das Konzept Spurenstoffe entwickelt, welches eine Handlungsempfehlung zum weiteren Vorgehen bezüglich der Einleitung von Spurenstoffen durch Kläranlagen in Schleswig-Holstein enthält.

Hierzu wurden die Ablaufkonzentrationen in den untersuchten Kläranlagen mit Umweltqualitätsnormen (UQN) aus der aktuell geltenden Oberflächengewässerverordnung (OGewV) bzw. mit UQN-Vorschlägen verglichen. Da nicht für alle untersuchten Spurenstoffe UQN oder UQN-Vorschläge existieren bzw. ermittelt werden konnten, wurden hilfsweise weitere Beurteilungswerte in Form von Präventivwerten des Trinkwasserschutzes ermittelt. Im Ergebnis wurden 22 der 51 Spurenstoffe, die im Rahmen von PrioSH untersucht wurden, als potentiell relevant im Hinblick auf die Einleitung aus Kläranlagen in die Gewässer eingestuft. Hiervon sind 11 Spurenstoffe in der aktuellen OGewV enthalten und demnach mit einem Beurteilungswert in Form einer UQN versehen. Betroffen sind sowohl Stoffe der Anlage 6 der OGewV, die zur Beurteilung des ökologischen Zustands und des ökologischen Potentials herangezogen werden, als auch Stoffe der Anlage 8 der OGewV, die der Beurteilung des chemischen Zustands dienen. Weitere potentiell relevante Spurenstoffe standen bzw. stehen auf der Beobachtungsliste der EU (Durchführungsbeschluss (EU) 2015/495 der Kommission) oder sind in der allgemeinen Diskussion, schädlich für Gewässerorganismen zu sein.

Konzept Spurenstoffe "Rückhalt von Spurenstoffen in den Kläranlagen Schleswig-Holsteins" (PDF, 6MB, Datei ist barrierefrei)

Monitoring Spurenstoffe – Messprogramm 2021

Zum Schutz der Gewässer ist das Ziel sowie die verpflichtende Vorgabe der WRRL die Erreichung eines guten Zustands bzw. des guten Potentials der Gewässer aller EU-Mitgliedsstaaten. Die Überschreitung von UQN im Gewässer durch Schadstoffe kann gemäß WRRL zu einer Verfehlung des guten Zustands bzw. des guten Potentials eines Wasserkörpers führen.

Einige der als potentiell relevant ermittelten Spurenstoffe (vgl. Konzept Spurenstoffe – Rückhalt von Spurenstoffen in den Kläranlagen Schleswig-Holsteins) wurden im Rahmen des WRRL-Monitorings bereits in Schleswig-Holsteinischen Gewässern gefunden. Für Triclosan, Imidacloprid und PFOS z.B. wurden Überschreitungen an Messstellen festgestellt. Weitere Informationen dazu sind im Bericht zur chemischen Situation der Fließgewässer und Seen in Schleswig-Holstein, 2018 zu finden.

An dieser Stelle bleibt darauf hinzuweisen, dass die repräsentativen Messstellen nach WRRL jedoch nicht die unmittelbaren Stoffbelastungen aus Kläranlageneinleitungen erfassen und die Untersuchungen nach WRRL somit keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Quelle der Belastung zulassen.

Abbildung: Probenahmepunkte, Messpunkt 1 (MP 1) im Ablauf der Kläranlage, Messpunkte 2 und 3 (MP 2, MP 3) vor bzw. nach Einleitung der Kläranlage
Abbildung: Probenahmepunkte, Messpunkt 1 (MP 1) im Ablauf der Kläranlage, Messpunkte 2 und 3 (MP 2, MP 3) vor bzw. nach Einleitung der Kläranlage

Um den Einfluss von Kläranlagen auf die Gewässerbelastung mit Spurenstoffen beurteilen und den Umfang eines zukünftigen Ausbaus der Kläranlagen in Schleswig-Holstein mit einer 4. Reinigungsstufe besser abschätzen zu können, wurden im Verlauf des Jahres 2021 vom LLUR in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Lübeck 54 Kläranlagen in Form eines Screenings untersucht. 49 der untersuchten Kläranlagen leiten in Fließgewässer ein, 5 Kläranlagen über kurze Fließstrecken oder direkt in Seen. Im Rahmen der Untersuchungen wurden die Konzentrationen ausgewählter Spurenstoffe im Kläranlagenablauf sowie Ober- und Unterstrom der Einleitung im Oberflächengewässer bestimmt.

Für die Auswahl der im Verlauf des Messprogramms zu untersuchenden Stoffe wurden zusätzlich zu den Ergebnissen aus dem landeseigenen Forschungsprojekt PrioSH u. a.

  • Stoffe aus einer Handlungsempfehlung des Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg (KOMS),
  • Ergebnisse aus der Bestandsaufnahme prioritäre Stoffe des Bundes
  • sowie im Rahmen des Spurenstoffdialogs des Bundes diskutierte Stoffe

herangezogen.

Insgesamt wurden auf diese Weise 50 Spurenstoffe für die Untersuchungen ausgewählt (Arzneimittel, perfluorierte Tenside, PAK, Pestizide sowie weitere wie Süßstoffe, Korrosionsschutzmittel und Weichmacher)

Neben bereits in der WRRL bzw. OGewV geregelten Stoffen werden im Rahmen des Messprogramms ebenfalls Stoffe berücksichtigt, die bislang nicht in der WRRL bzw. OGewV geführt sind, aber auf der Beobachtungsliste der WRRL stehen bzw. standen oder in der allgemeinen Diskussion stehen, schädlich für Gewässerorganismen zu sein. Für diese Stoffe besteht zukünftig die Möglichkeit, ebenfalls mit einer Umweltqualitätsnorm in der WRRL bzw. OGewV aufgenommen zu werden.

Monitoring 2021 – Zusammenfassung der Ergebnisse

Die wesentlichen Erkenntnisse des Projektes sind die Folgenden:

Seen

Das Monitoring in den Seen hat nur in wenigen Fällen Überschreitungen von Beurteilungswerten gezeigt. Eine direkte Zuordnung zu einzelnen Kläranlagen war aufgrund der Probenahmestrategie nicht möglich. Durch das Monitoring haben sich allerdings erste Hinweise ergeben, dass möglicherweise ein Arzneistoff und ein Süßstoff durch die Kläranlagen in die Seen eingetragen werden. In zukünftigen Monitoring-Kampagnen gemäß WRRL sollen diese Stoffe ggf. berücksichtigt werden.

Fließgewässer

Die folgenden drei Stoffe, die bereits in der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) zu einer Beurteilung der Gewässer herangezogen werden, führten im Fließgewässer an Messpunkt 3 (nach Einleitung der Kläranlage) häufig zu Überschreitungen:

  • Imidacloprid (Insektizid): 37 Messstellen
  • Benzo(a)pyren (PAK): 33 Messstellen
  • PFOS (Perfluoriertes Tensid): 22 Messstellen

Weitere geregelte Stoffe wurden entweder gar nicht oder aber in Einzelfällen im Fließgewässer überschritten.

Auffällig waren im Fließgewässer am Messpunkt 3 (nach Einleitung der Kläranlage) neben den Stoffen, die in der OGewV enthalten sind, folgende aktuell nicht geregelte Stoffe:

  • Acesulfam-K (Synthetischer Süßstoff): 39 Messstellen
  • Diclofenac (Schmerzmittel): 33 Messstellen
  • Amidotrizoesäure (Röntgenkontrastmittel): 28 Messstellen
  • Gabapentin (Antiepileptikum): 28 Messstellen
  • Pyren (PAK): 26 Messstellen
  • Tramadol (Schmerzmittel): 23 Messstellen
  • Valsartan (Antihypertensivum): 22 Messstellen
  • Venlafaxin (Antidepressivum): 18 Messstellen
  • Iomeprol (Röntgenkontrastmittel): 18 Messstellen
  • Primidon (Antiepileptikum) 9 Messstellen
  • Azithromycin (Antibiotikum): 9 Messstellen
  • Bisphenol A (Weichmacher): 8 Messstellen
  • Sotalol (Betablocker): 5 Messstellen

Weitere aktuell nicht geregelte Spurenstoffe wurden entweder gar nicht oder aber in Einzelfällen im Fließgewässer überschritten.

Ermittlung der kläranlagenbedingten Einleitungen:

Um einen möglichen Zusammenhang zwischen den zuvor genannten Überschreitungen von Beurteilungswerten und Kläranlageneinleitungen abzuschätzen, wurden die Frachtanteile der Kläranlage an der Spurenstofffracht im Gewässer am Messpunkt 3 (nach Einleitung der Kläranlage) berechnet. Bei einem Frachtanteil von ≥ 50% und einer

Überschreitung der UQN (Umweltqualitätsnorm nach OGewV) oder weiteren Beurteilungswerten am Messpunkt 3 im Gewässer wird von einer potentiell kläranlagenbedingten Überschreitung ausgegangen.

Folgende potentiell kläranlagenbedingte Überschreitungen wurden im Rahmen des Monitorings festgestellt:

Spurenstoffe aus den Anhängen der OGewV:
  • Imidacloprid (Insektizid): 25 Messstellen ≙ 25 Kläranlagen
  • PFOS (Perfluoriertes Tensid): 7 Messstellen ≙ 7 Kläranlagen
Aktuell nicht geregelte Spurenstoffe:
  • Arzneimittel: Amidotrizoesäure (21 KA), Azithromycin (9 KA), Clarithromycin (1 KA), Diclofenac (29 KA), Gabapentin (24 KA), Iomeprol (14 KA), Iopamidol (1 KA), Primidon (9 KA), Sotalol (5 KA), Tramadol (20 KA), Valsartan (18 KA), Venlafaxin (17 KA)
  • Pestizide: Diuron (1 KA)
  • Weitere: Bisphenol A (2 KA), Acesulfam K (13 KA)

Zusammenfassung:

Zusammenfassend ergibt sich bei den 49 untersuchten Kläranlagen, die in Fließgewässer einleiten, für 34 Anlagen ein erster Hinweis auf potentiell kläranlagenbedingte Überschreitungen von Beurteilungswerten im Fließgewässer. Bei 26 Kläranlagen wurden Spurenstoffe, die im Rahmen der OGewV zur Beurteilung der Gewässerqualität herangezogen werden, als potentiell kläranlagenbedingt überschritten ermittelt. Keine potentiell kläranlagenbedingten Überschreitungen wurden bei 15 Kläranlagen festgestellt.

Die Ergebnisse aus dem Monitoring Spurenstoffe geben erste Hinweise auf potentiell kläranlagenbedingte Überschreitungen von Beurteilungswerten. Da es sich bei den Untersuchungen um ein Screening (Beprobung von Kläranlage und Einleitgewässer zu drei verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines Jahres) gehandelt hat, müssen die Ergebnisse durch ein weitergehendes Monitoring (monatliche Beprobung von Kläranlage und Einleitgewässer über ein Jahr lang) verifiziert werden.

Anmerkung: Die Aufnahme neuer Beurteilungswerte in die entsprechenden Gesetze kann zu einer Neubewertung der Untersuchungsergebnisse führen. Oben getätigte Aussagen, v.a. hinsichtlich der Betroffenheit von Kläranlagen von potentiell kläranlagenbedingen Überschreitungen von Beurteilungswerten im Fließgewässer, werden in diesem Zuge ebenfalls überprüft und sind ggf. anzupassen. Sollten aktuell nicht geregelte Spurenstoffe zukünftig geregelt werden oder aber Vonseiten des Bundes oder der EU weitere neue Stoffe in die Diskussion kommen, könnte es zukünftig zu einem neuen Untersuchungsbedarf kommen.

Informationskampagne zur richtigen Entsorgung von alten oder nicht mehr benötigten Arzneimitteln

In nahezu allen Gewässern in Deutschland können Arzneistoffe, d.h. die Wirkstoffe aus Arzneimitteln, nachgewiesen werden. So wurden auch im Rahmen von Untersuchungsprogrammen in Schleswig-Holsteinischen Gewässern einige Arzneistoffe gefunden und das z.T. flächendeckend.

Arzneimittel bzw. deren Wirkstoffe gelangen durch unsachgemäße Entsorgung und durch Ausscheidungen in das Abwasser. Aus diesem können sie mit den herkömmlichen Reinigungsverfahren nicht (vollständig) entfernt werden und gelangen somit über den Kläranlagenablauf in unsere Gewässer.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Tier- und Pflanzenwelt bereits bei geringen Arzneistoff-Konzentrationen beeinträchtigt werden kann. So kann es zu Nierenschäden, Verweiblichungen oder Kiemenschäden bei aquatischen Tierarten kommen.

In Schleswig-Holstein wurde vor diesem Hintergrund eine Informationskampagne zur Reduktion und Vermeidung von alten und nicht mehr benötigten Arzneimitteln im Abwasser durchgeführt. Hierfür wurden vom MELUND in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein, der Apothekerkammer Schleswig-Holstein und der Tierärztekammer Schleswig-Holstein ein Flyer und ein Poster erarbeitet, die im Jahr 2017 veröffentlicht und im Land verteilt wurden.

Flyer "Der richtige Umgang mit Arzneimitteln"  (PDF, 1MB, Datei ist nicht barrierefrei)

Plakat zur Arzneimittelentsorgung  (PDF, 1MB, Datei ist nicht barrierefrei)

 Stakeholderdialog „Spurenstoffe“ (seit 2016)

Unter der Führung des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes sollten im Rahmen eines moderierten Dialogs von Stakeholdern (Stakeholder-Dialog, 2016-2019) strategische Ansätze zur Vermeidung bzw. Reduzierung des Eintrags von relevanten Spurenstoffen in die aquatische Umwelt, orientiert am Vorsorge- und Verursacherprinzip, erarbeitet werden, da die 4. Reinigungsstufe nicht die alleinige Lösung für die Spurenstoffproblematik darstellt. Schleswig-Holstein bringt sich in diesen Dialog ein.

Im Dialogprozess wurden die bereits in den Ländern vorhandenen Strategieansätze und auch der übrigen Verantwortlichen in der Wasserwirtschaft zusammengetragen und diskutiert, um sie im Rahmen der Ideenentwicklung ergänzen und untereinander verknüpfen zu können.

Auf der Internetseite www.dialog-spurenstoffstrategie.de ist der aktuelle Stand des Spurenstoffdialogs zusammen mit weiterführenden Informationen zum Thema Spurenstoffe zu finden.

4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen

Um Spurenstoffe, deren Eintrag nicht (vollständig) durch Maßnahmen an der Quelle und/oder in der Anwendung minimiert bzw. verhindert werden kann, aus dem kommunalen Abwasser zu entfernen, bedarf es einer Reinigung des Abwassers mit gesonderten Verfahrenstechniken (4. Reinigungsstufe). Hierzu gehören oxidative, adsorptive und physikalische Verfahren. Bislang haben sich insbesondere die Anwendung von Ozon und der Einsatz von Aktivkohle als praxistaugliche Verfahren erwiesen, die in der Regel gut in den Reinigungsprozess einer Kläranlage integrierbar sind.

Abhängig vom gewählten Verfahren und den jeweiligen Stoffeigenschaften halten diese ein unterschiedliches Stoffspektrum zurück. Die prozentuale Reduzierung der Stoffe ist abhängig von der Betriebsweise und der Wahl des Verfahrens. Keines der Verfahren kann die Stoffe komplett zurückhalten. Derzeit gibt es in Schleswig-Holstein noch keine Kläranlage mit einer 4. Reinigungsstufe zur gezielten Entfernung von Spurenstoffen.

Weitere Informationen

Die chemische Bewertung der Fließgewässer in Schleswig-Holstein

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