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Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer

Kurzfassung

Gesamtbewertung 2021

Erkenntnisse über die in den Projekten untersuchten Gebiete, die Erhaltungszustände beschriebener Munitionskörper, die damit verbundenen umweltrelevanten Aspekte sowie anderweitig aktuelle Sachstände sind in die eine aktuelle Gesamtbewertung eingeflossen. Daraus ergibt sich zusammenfassend folgende aktuelle Gesamtbewertung.

Gesamtbewertung 2021

Von Munition in Nord- und Ostsee gehen vielfältige Gefahren für Mensch und Umwelt aus. Das Risiko ergibt sich aus Art und Dichte der Kampfmittelbelastung und der Form der Nutzung der Meeresgebiete, Ufer und Strände.

Aus jetzt vorliegenden Forschungsergebnissen ist abzuleiten, dass im Bereich munitionsbelasteter Meeresgebiete von einem erhöhten Gefährdungspotential für die Meeresumwelt auszugehen ist. Unter Berücksichtigung der erheblichen Munitionsmengen sowie der fortschreitenden Korrosion sind Beeinträchtigungen der Meeresumwelt einschließlich des marinen Nahrungsnetzes nicht mehr auszuschließen und müssen weiter untersucht werden.

Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Meeresnutzung besteht eine besondere Gefährdung für Personengruppen, die im marinen Bereich mit Grundberührung tätig sind.

In der Konsequenz sollten Forschung und Technologieentwicklung verstärkt werden, um die von den Kampfmitteln tatsächlich ausgehenden Risiken rechtzeitig zu erfassen. Darüber hinaus besteht erkennbarer Bedarf an sachgerechten Optionen zur Vorsorge und zum Umgang bis hin zur Bergung und umweltgerechten Entsorgung.

Forschungstaucher über einer britischen Grundmine.
Forschungstaucher über einer britischen Grundmine, im Hintergrund sieht man den Auftriebskörper einer Auslage mit Miesmuscheln.

Begründung

Der kurzen Darstellung des Gefahrenpotentials von Kampfmitteln im Meer folgt eine ausführlichere Begründung, wie im Bericht 2011 nach Schutzgütern gegliedert. Es ist zu beachten, dass in diesem Bericht auch wesentliche Aspekte nur kurz zusammengefasst dargestellt werden können. Auf Beschluss der Umweltministerkonferenz wird nun auch eine aktuelle Fassung des Langberichts erarbeitet.

Gefahrenpotential von Kampfmitteln im Meer

Aufgrund ihrer weiten Verteilung und der eingebrachten Menge (ca. 1,6 Mio. Tonnen insbesondere durch gezielte Versenkung nach dem 2. Weltkrieg) überwiegen in deutschen Meeresgebieten Risiken aus konventioneller Munition im Vergleich zu chemischer Munition (ca. 5.090 Tonnen). Der aktuelle Zustand der Munition in deutschen Meeresgewässern kann je nach örtlichen Umweltbedingungen und dem Zeitpunkt sowie der Art der Einbringung von „sehr gut erhalten“ bis „vollständig korrodiert“ variieren.

Munitionssprengungen zeigen, dass die Sprengwirkung von Kampfmitteln trotz langer Verweildauer unter Wasser nicht abnimmt. Dies wurde durch stichprobenartige Untersuchungen geborgener Kampfmittel aus dem Fahrwasser der Kieler Förde und entlang des Kiel-Ostsee-Weges bestätigt. Die Gefahren einer Explosion bestehen also weiter fort. Sprengstoffe verlieren durch Alterungsprozesse zudem an chemischer Stabilität (Pfeiffer 2017); die Schlagempfindlichkeit nimmt zu (Abbondanzieri et al. 2018). Die sensitiven Sprengstoffe im Zünder sind von dieser Entwicklung besonders betroffen, die vergleichsweise stabilen Wirkladungen aber nicht ausgenommen.

Mit einer verringerten mechanischen Stabilität der Munitionshüllen (z. B. durch Korrosion) können auch Optionen einer mechanischen Behandlung bei einer Bergung verloren gehen. Das Risiko einer ungewollten Umsetzung infolge mechanischer Einwirkungen von außen steigt, sowohl bei bezünderter als auch bei unbezünderter Munition. Weiter ist zu beachten, dass mit zunehmender Korrosion das Auffinden von Munition im Meer deutlich erschwert wird, da alle gängigen Sondierungsmethoden auf der Detektion der Metallhüllen basieren. „Offener“ Sprengstoff kann unter Wasser derzeit nicht direkt geortet werden.

Punktuell kommt es zu Funden von Kampfmitteln, losem Sprengstoff und Brandmittelresten (weißer Phosphor) an Stränden. Der u.a. in Brandbomben enthaltene weiße Phosphor bleibt langfristig intakt und entzündungsfähig. Direktkontakte mit Personen werden in seltenen Fällen beobachtet (Preuß-Wössner et al., 2020).

Mit zunehmender Korrosion der Metallhüllen setzen Kampfmittel ihre toxischen Inhaltsstoffe frei (Beck et al. 2019). Diese verteilen sich in der Meeresumwelt und reichern sich unter Umständen entlang der Nahrungskette an.

Meeresumwelt

Die bisher durchgeführten Forschungsprojekte lassen sich zwei unterschiedlichen Phasen zuordnen. Bis 2016 dienten sie überwiegend der Problemanalyse, der Methodenentwicklung und ihrer Validierung. Der internationale Austausch und die Projekte MERCW, CHEMSEA und MODUM schufen wesentliche Grundlagen der umfassenderen Vorhaben UDEMM, RoBEMM und DAIMON. Diese drei letztgenannten Projekte liefern umfangreiche Erkenntnisse zum Zustand und erste Hinweise auf mögliche Umweltauswirkungen von konventioneller Munition in deutschen Meeresgewässern.

Umfangreiche Studien im Versenkungsgebiet Kolberger Heide verdeutlichen die Verbreitung von TNT und anderen sprengstofftypischen Verbindungen (STV), ihrer Abbauprodukte und Metabolite bis hinein in das marine Nahrungsnetz. Eingehende Untersuchungen ergaben, dass die Korrosion von Munitionskörpern z.T. stark fortgeschritten ist und dort …

Gesamtbewertung 2021

Munition im Meer - Einleitung

Die heutige Gesellschaft nimmt die Schrecken des Kriegs überwiegend nur noch über mediale Aufbereitungen von Film-, Foto- und Schriftdokumenten wahr. Gleichwohl sind die Vermächtnisse vergangener Kriege Bestandteil unserer Gegenwart, in Deutschland und in sehr vielen anderen Ländern der Erde.

Weltkriegsopfer in der Gegenwart?

Wenn eine Fliegerbombe nach Jahrzehnten im Boden versehentlich zur Explosion gebracht wird, dabei Menschen verletzt und tötet, oder weißer Phosphor aus einer Brandbombe an einem deutschen Badestrand angeschwemmt wird und arglosen Bernsteinsuchern nach dem Aufsammeln die Haut verbrennt, fordern vergangene Kriege weitere Opfer. Solche Ereignisse sind in ihrer Tragik offensichtlich und haben ihre Ursache in den Hinterlassenschaften der Weltkriege. Weniger offensichtlich sind die Wechselwirkungen von „entsorgter“ Munition mit der Umwelt, wobei vor allem die Meere, die Binnengewässer und der Boden betroffen sind.

Unser Wissen über das Ausmaß der Belastung mit Kampfmitteln und deren Auswirkung auf das Ökosystem ist nach wie vor begrenzt. Hier setzt der Ergebnisbericht an und schafft die Grundlage für einen systematischen Ansatz zum Umgang mit Munition in unseren Meeren.

Dimension des Problems

Im Rahmen der Betrachtung von Belastungen mit Munition wird generell nach Art der enthaltenen Wirkmittel zwischen konventioneller und chemischer Munition unterschieden (s. Abb. 1). Zwar enthalten alle Munitionstypen chemische Inhaltsstoffe, jedoch bestehen grundlegende Unterschiede in ihrer Wirkung und dem damit verbundenem Einsatzzweck.

Konventionelle und chemische Kampfmittel bzw. Munition
Konventionelle und chemische Kampfmittel bzw. Munition

Während konventionelle Munition Sprengstoffe oder Brandmittel (z.B. weißen Phosphor) enthält und ihre Wirkung dementsprechend durch Detonation oder Inbrandsetzung entfaltet, zeichnet sich chemische Munition durch eine Füllung mit chemischem Kampfstoff aus. Ihr Einsatzzweck ist nicht die Zerstörung von Infrastruktur, sondern vielmehr direkt eine vorübergehende oder endgültige Außergefechtsetzung von Menschen durch die vom Typ des Kampfstoffs abhängige Giftwirkung. Zusätzlich ist die psychologische Komponente der Art und des oftmals verzögerten Auftretens offensichtlicher Verletzungen (z.B. Blasenbildung der Haut) hervorzuheben. Im Gegensatz zu den Inhaltsstoffen konventioneller Munition erscheint die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch chemische Kampfstoffe demnach offensichtlich, weshalb dieser Art von Munition in der Vergangenheit besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Mit Hinblick auf die betreffenden Mengen verlangt jedoch insbesondere die konventionelle Munition eine eingehendere Betrachtung. Angaben über die Menge der versenkten Munition sind widersprüchlich. Geschätzt wird, dass Mengen in der Größenordnung von bis zu 1.800.000 t in deutschen Meeresgewässern versenkt wurden.

Fischer bergen Munition für Rohstoffrückgewinnung

Nach der Versenkung wurden beträchtliche Mengen wieder aus dem Meer geholt und vernichtet: Während Fischer bis 1952 eine nicht quantifizierbare Menge bargen, führten in den Folgejahren bis 1958 Entsorgungsfirmen die Bergung und Verschrottung von schätzungsweise insgesamt 250.000 t vormals versenkter Munition durch. Es ist anzunehmen, dass noch bis zu 1,6 Mio. t konventionelle Munition in deutschen Gewässern der Nord- und Ostsee vorhanden sind, davon rund 1.300.000 t allein im Nordseebereich.

Informationen über chemische Munition

Die vorhandenen Informationen über die Versenkung chemischer Munition weisen zwar Lücken auf, ergeben aber ein deutlich umfangreicheres und detaillierteres Lagebild als dies nach heutigem Kenntnisstand für die konventionelle Munition möglich ist. Demnach sind nach gesicherten Erkenntnissen rund 170.000 t chemische Kampfstoffmunition in der Nordsee (Skagerrak, europäisches Nordmeer, deutsche Bucht) sowie 42.000 bis 65.000 t in der Ostsee (Bornholm-Becken, Gotland-Becken, Kleiner Belt) versenkt worden. Von dieser Gesamtmenge befinden sich rund 90 t in deutschen Meeresgewässern vor Helgoland und rund 5.000 t südlich des Kleinen Belts zwischen Deutschland und Dänemark in unmittelbarer geografischer Nachbarschaft zur deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Im Detail wurden im so genannten Helgoländer Loch mit rund 12 t des Nervenkampfstoffs Tabun gefüllte Artilleriegranaten (rund 6.000 Stück, ca. 90 t) versenkt. Im Bereich des Kleinen Belts liegen noch rund 5.000 t mit Tabun und Phosgen gefüllte Bomben und Granaten. Weitere dort zunächst versenkte Tabun-Granaten (69.000 Stück, ca. 1.000 t) wurden 1959/60 gehoben und im Golf von Biskaya versenkt.

weitere Munitionsbelastete Fläche

Neben diesen bekannten Versenkungsgebieten ist weiterhin zu vermuten, dass auf den Zufahrtswegen vom deutschen Verladehafen Wolgast zum damaligen bestimmungsgemäßen Versenkungsgebiet im Bornholm-Becken noch vereinzelt Munition vorhanden ist. Vage Hinweise über weitere Versenkungen konnten bislang nicht verifiziert werden. Für eine übersichtliche Kartendarstellung des Sachverhalts muss ein Bogen über Flächen geschlagen werden, für die teils eine …

Munition im Meer - Einleitung

Erkenntnisse und Bewertungen 2011

  • Munitionsbelastete Flächen
  • Art, Eigenschaften und Menge der subaquatischen Kampfmittel
  • Zustand und Interaktion subaquatischer Kampfmittel mit dem marinen Milieu
  • Unfälle und Gefährdung durch subaquatische Kampfmittel
  • Methoden der Beseitigung
  • Überwachung der subaquatischen Kampfmittel
  • Melde- und Berichtswesen
Munitionsbelastete Flächen

1. Die im Rahmen des Ergebnisberichts erstellte Karte (Abbildung 2, für Detailansichten siehe Anhang des Ergebnisberichts) weist 21 munitionsbelastete Flächen (davon 7 Munitionsversenkungsgebiete) in deutschen Meeresgewässern der Nordsee sowie 50 munitionsbelastete Flächen (davon 8 Munitionsversenkungsgebiete) und 21 Verdachtsflächen im Ostseebereich aus.

2. Es ist davon auszugehen, dass nach wie vor nur ein geringer Teil der tatsächlich durch Kampfmittel belasteten Flächen bekannt ist. Die Informationslage ist lückenhaft. Fakten wurden nur teilweise dokumentiert und viele in Archiven vorhandene Berichte konnten bis heute noch nicht aufgearbeitet werden.

Für Mecklenburg-Vorpommern fehlen zum Beispiel belastbare Daten zu Versenkungsmaßnahmen aus der Zeit nach 1945, auf deren Durchführung jedoch Aussagen von Zeitzeugen hinweisen.

Art, Eigenschaften und Menge der subaquatischen Kampfmittel

1. Generelle Informationen über die verschiedenen Arten und Eigenschaften von konventionellen und chemischen Wirkmitteln, Waffen und Munition sind in befriedigender Weise vorhanden und zugänglich.

2. Als unbefriedigend stellt sich die Sachlage hinsichtlich der Quantität einstmals versenkter und teils bereits wieder geborgener Kampfmittel dar. Da insbesondere für den Ostseebereich nur wenig detaillierte und somit lückenhafte Angaben vorliegen, kann keine genaue Aussage zur tatsächlichen Menge der heute noch im Meer befindlichen Kampfmittel gemacht werden:
Die Menge der in deutschen Meeresgewässern lagernden konventionellen Kampfmittel wird auf bis zu 1.600.000 t geschätzt. Für die deutschen Nordseegewässer wird eine Belastung von bis zu 1.300.000 t angenommen. Für die deutschen Ostseegewässer haben Behörden bisher eine Belastung von bis zu 300.000 t kommuniziert. Aufgrund der unklaren Datenlage für den Ostseebereich muss diese Schätzung allerdings als wenig belastbar angesehen werden.

Die Informationslage für chemische Kampfmittel ist erheblich besser:

Im Helgoländer Loch liegen ca. 90 t dort versenkte, mit dem Nervenkampfstoff Tabun gefüllte Artilleriegranaten. Im Kleinen Belt lagern derzeit noch ca. 5.000 t mit Phosgen sowie Tabun gefüllte Kampfstoffmunition (Bomben und Granaten), begraben in einer bis zu 8 m mächtigen Sedimentschicht. Weitere dort zunächst versenkte rund 1.000 t Tabun-Granaten wurden bereits 1959/1960 wieder gehoben. Es ist anzunehmen, dass auf den ehemaligen Zufahrtswegen vom Verladehafen Wolgast in das Versenkungsgebiet des Bornholm-Beckens sehr vereinzelt weitere Munition vorhanden ist.


Zustand und Interaktion subaquatischer Kampfmittel mit dem marinen Milieu

1. Im Rahmen der bisherigen Untersuchungen wurden sowohl intakte Kampfmittel als auch vollständig korrodierte Hüllen ohne Wirkmittel gefunden. Belastbare Aussagen über bereits stattgefundene und zukünftig noch zu erwartende Korrosionsraten und die damit verbundene Freisetzung von Wirkmitteln in Wasser und Sediment sind nicht möglich.

Die Korrosion von subaquatischen Kampfmittelkörpern kann aufgrund der diesem Prozess innewohnenden komplexen Zusammenhänge nicht generalisierend bewertet werden. Es müssten für jeden Lageort zahlreiche Parameter betrachtet werden, die von den grundlegenden Eigenschaften der subaquatischen Kampfmittelkörper wie Materialzusammensetzung und Hüllenstärke, über die lokalen Gegebenheiten der Umgebung und die Lage des einzelnen Kampfmittels, bis hin zu den physikochemischen Gegebenheiten des umgebenden Wassers beziehungsweise Sediments reichen.

2. Ein schlagartiges und gleichzeitiges Aufbrechen mehrerer noch intakter Kampfmittelhüllen als Folge von Korrosion, gefolgt von einer konzentrierten Freisetzung der enthaltenen Wirkmittel in die marine Umgebung ist aufgrund der Diversität an Behältnistypen, Lageorten und lokalen Umgebungsbedingungen sehr unwahrscheinlich. Eine räumlich breit gestreute und zeitlich sukzessive Freisetzung der Wirkmittel (einschließlich Kampfstoffe) über Jahre oder Jahrzehnte hinweg aus nahezu allen bisher noch ausreichend intakten Behältnissen im Rahmen von Korrosion ist allerdings als wahrscheinlich anzusehen.

Einzelne ungeklärte Ereignisse in deutschen Gewässern wurden mit Selbstdetonationen in Zusammenhang gebracht. Eine Freisetzung größerer Mengen sprengstofftypischer Verbindungen im Wege einer Selbstdetonation bewerten die Kampfmittelräumdienste für deutsche Gewässer als sehr unwahrscheinlich.

3. Freigesetzte Wirkmittel bzw. Munitionsinhaltsstoffe interagieren mit der marinen Umwelt in Abhängigkeit ihrer chemischen Eigenschaften sowie der physikochemischen Parameter der lokalen Umwelt. Während bestimmte Verbindungen zur schnellen Reaktion mit Wasser (Hydrolyse) neigen und nur kurzzeitig in der marinen Umgebung vorkommen, ist ein langfristiges Verweilen (Persistenz) von in Wasser nur schwer löslichen oder gegenüber Hydrolyse unempfindlichen Verbindungen möglich. Obwohl sich aus einer denkbaren Persistenz …

Erkenntnisse und Bewertungen 2011

Empfehlungen 2021 und 2011

  • Forschung und Entwicklung
  • Historische und technische Erkundungen
  • Überprüfung und Überwachung der Umweltauswirkungen
  • Umgang mit Gefahrensituationen
  • Meldewege und Dokumentation

Jahr 2021

Handlungsbedarf und Empfehlungen

Die oben dargestellten Nachweise chemischer Verbindungen aus Munition im Meer in der Meeresumwelt sowie deren mögliche Auswirkungen, Erkenntnisse zur fortschreitenden Korrosion der Metallhüllen und Folgen der Alterung von Sprengstoffen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf. Die maritime Technologieentwicklung hat in diesem Kontext deutliche Fortschritte erzielt. Die Methoden zur Entwicklung objektiver Kriterien für die Priorisierung von Maßnahmen stehen in weiten Teilen zur Verfügung. Der zeitnahe Einstieg in vorsorgendes Handeln verlängert das Zeitfenster in dem sicher und wirtschaftlich gehandelt werden kann.

Grundlegende Voraussetzung des Einstiegs in eine geordnete Bergung ist jedoch die Schaffung in sich geschlossener Verfahrensketten, von der Detektion, über die automatisierte Delaborierung, bis zur sicheren und umweltgerechten Entsorgung.

Nunmehr ist angezeigt, eine konkrete Vorgehensweise für den weiteren Umgang mit Munition im Meer zu entwickeln und festzulegen unter Anwendung moderner Methoden und systematischer Risikoanalysen im Hinblick auf vorsorgliche Maßnahmen, einschließlich der Bergung alter Munition aus besonders belasteten Gebieten.

Empfehlungen des Expertenkreises „Munition im Meer“:

(1) Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen und den bekannten Methoden zum Nachweis sprengstofftypischer Verbindungen (Strehse et al. 2019) bedarf es eines geeigneten Monitorings und weiterer Untersuchungen. Diese sind Basis ganzheitlicher Aussagen über die Belastung der Meeresumwelt durch STV.

  • Wegen des hohen Massenanteils des kanzerogenen Sprengstoffs TNT sollten seine Verbreitung und die seiner Umbauprodukte/ Metabolite systematisch erfasst werden;
  • Physikalische und chemische Daten sollten z.B. durch die Anwendung der Methoden des „Practical Guide for Environmental Monitoring of Conventional Munitions in the Seas” (Greinert et al. 2019) oder der „DAIMON-Toolbox“ (Lehtonen et al. 2019) erhoben werden;
  • Dringender Bedarf wird hinsichtlich der umweltfachlichen Bewertung der Auswirkungen von STV auf das Meeresökosystem gesehen;
  • Voraussetzung einer Bewertung der Belastung von Meeresfrüchten für den menschlichen Verzehr durch STV ist die Weiterentwicklung von Methoden einschließlich repräsentativer Untersuchungen.

(2) Kampfmittel kommen grundsätzlich in allen deutschen Meeresgebieten vor. Werden Nutzungen geplant, sind geeignete Vorsorgemaßnahmen auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung zu ergreifen.

  • Kampfmittelbezogene Dienstleistungen können z.B. durch die Umsetzung des „Qualitätsleitfadens Offshore-Kampfmittelbeseitigung“ (Frey et al. 2019) verbessert werden;
  • Auf die „Baufachliche Richtlinien Kampfmittelräumung“ (https://www.bfr-kmr.de) in der aktuellen Fassung wird hingewiesen;
  • Aus Gründen des Arbeitsschutzes ist der Einsatz unbemannter Verfahren zur Kampfmittelbeseitigung weiter auszuweiten. 

(3) Die Archivrecherche bildet die Grundlage für eine erste Bewertung der räumlichen Verteilung von Munition im Meer. Gleichzeitig liefert sie wichtige Erkenntnisse über die Art der eingebrachten Kampfmittel sowie deren Inhaltsstoffe. Die bisher geleistete Recherchearbeit war Grundlage zahlreicher historischer Erkundungen. Darauf aufbauende Vor-Ort-Untersuchungen haben wertvolle Ergebnisse geliefert und konnten ohne Unfälle durchgeführt werden. Die Archivrecherche sollte daher intensiviert werden.

(4) Kampfmittelspezifische Daten des Bundes und der Küstenländer sollten in einem nationalen Kampfmittelkataster zu einem umfassenden Lagebild zusammengetragen und elektronisch für die gemeinsame Nutzung erschlossen werden.
Ergebnisse des Projektes DAIMON zeigen, dass geografische Datenbanktechnologien und moderne Webanwendungen die organisationsübergreifende Zusammenarbeit funktional unterstützen. Ergänzt um Monitoring-Daten ergibt sich eine ganzheitliche Fortschreibung des Katasters. Kampfmittelspezifische Daten und Bewertungen des DAIMON-Projektes in Kombination mit öffentlich zugänglichen, behördlichen Umwelt- und Nutzungsdaten bilden die Datenbasis des Decision-Support-System DAIMON-DSS (Wendt 2019). Im Projekt konnte gezeigt werden, wie sich auf diese Weise Risikogebiete rechtzeitig erkennen und bewerten lassen. Dem Ansatz für die Analyse des DAIMON-DSS (Reuter 2019) folgend ist es möglich, Daten eines nationalen Kampfmittelkatasters für eine interdisziplinäre Risikoanalyse zu verwenden, um angemessene Managementmaßnahmen munitionsbelasteter Meeresgebiete abzuleiten und zu begründen. Des Weiteren bieten solche Informationen eine einheitliche Grundlage zur objektiven Priorisierung von Gebieten für einen möglichen Einstieg in eine Räumung (Bezug zu Ziffer 6 des Beschlusses zu TOP 27 der 93. UMK).

(5) Jüngste Erfahrungen aus der Kampfmittelräumung im Offshore-Sektor im Bereich der Ostsee erlauben es, exemplarische Konzepte für ausgewählte „Hotspots“ auszuarbeiten, von denen sich Kosten für unterschiedliche Technologien für eine Bergung auf dem Stand der Technik …

Empfehlungen 2021 und 2011

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