Der Kunst-Parcours durch die Funktionsräume beginnt mit Peter F. Piening im Gartenzimmer: seine kunstvollen Laubsägearbeiten spielen mit dem politischen Kontext unseres Hauses: „Verkleinerung von Großbuchstaben / Vergrößerung von Kleinbuchstaben“ (Diptychon, 2017, Sperrholz), wem kämen da nicht die aktuellen Popularitätsschwankungen unserer Parteien in den Sinn?
Wenn beim Diptychon „Auf rotem Teppich“ (2015, Sperrholz bemalt) das Paar Turnschuhe Hacke an Hacke mit den feinen Lederschuhen steht, könnte man an die Gleichzeitigkeit der Dresscodes erinnert werden.
„Canetti 1956 / Piening 2017“ ist nichts für geistige Stubenhocker: „Es ist nicht das Erlernte, das ich hasse. Was ich hasse, ist, dass ich darin wohne.“ Möge es uns immer öfter gelingen, aus dem Erlernten herauszutreten. www.peterfpiening.de
Der Kunstrundgang durch den Seitenflügel führt uns weiter in den Raum Fehmarn. Prominent, auf knallblauem Grund hängen vier rot-weiße Baseball-Jacken („Fantastic Four“, 2016, Latexdruck auf PVC). Mit vier Stimmen ist Schleswig-Holstein im Bundesrat vertreten. Mit nur einer Stimme votieren unsere Fantastic Four im Länderparlament: ja oder nein oder Enthaltung?
„Die zwei Badenden“ (2016, Latexdruck auf PVC) könnten - Schleswig-Holstein Meer umschlungen - für Nord- und Ostsee stehen. Oder hängen da etwa zwei Handtücher an der Wand? Klebend schweben Judischs Arbeiten in der Wirklichkeit und Tiefe des Raums und mokieren sich über seine Funktionalität. Egal, wer hier tagt: the artist is present („Selbstporträt“, 2018, Latexdruck auf PVC).
Eine Etage höher ist „Familie Wanke“ (2014, Latexdruck auf PVC) für ein Jahr in das Büro von Hans-Günther Meenke eingezogen. Willkommen! www.thomasjudisch.com
Im Büro des Bevollmächtigten tanzen vor blauer Wand zwei blaue Lackschleifen in die Höhe. Sie überwinden die physikalische Unmöglichkeit, den Moment des Flatterns zu überdauern („Zwei von neun Variationen über ein gebogenes Stück Holz“, 2015, Sperrholz, Holz, Lack, mit Sockel).
Vom Arbeitsplatz des Bevollmächtigten aus fällt der Blick auf „ Lemon-World Nr. 2“ (2015, Holz, Farbe) – eine Zitrone in Globushalterung. Sie mag daran erinnern, dass wir die Erde nicht wie eine Zitrone ausquetschen sollten. Oder weist die Ikonographie der Zitrone vielleicht auf Gegenpole und Widersprüche unserer Welt hin (Vanitas <-> Mäßigung / Unsterblichkeit <-> Vergänglichkeit)?
Und noch eine wichtige Frage: Wenn die Birne auf dem Apfel sitzt („fliegende Birne“ (2012, Holz) und ich den Apfel durchstreiche, ersetzt dann die Birne den Apfel? Kann ich überhaupt einen Apfel durchstreichen? Ja, wer macht denn sowas? Der Chef? www.volker-tiemann.de