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Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport : Thema: Ministerien & Behörden

Dr. Sabine Sütterlin-Waack

Ministerin für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport

Innenminister Hans-Joachim Grote: Kabinett bringt Reform des Polizeirechts auf den Weg

Letzte Aktualisierung: 05.11.2019

KIEL. In ihrer heutigen (05. November 2019) Kabinettssitzung hat die schleswig-holsteinische Landesregierung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz (LVwG) eine Reform des Polizeirechts auf den Weg gebracht. Dieses war seit der letzten umfänglichen Polizeirechtsreform aus dem Jahr 2007 nur noch punktuell geändert worden. Kernpunkte der Reform sind die Anpassung der Vorschriften zum Schusswaffengebrauch, die Erprobung des Einsatzes so genannter Distanz-Elektroimpulsgeräte, sowie die Nutzung von Body-Cams.

"Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir unseren Polizistinnen und Polizisten für ihre wichtige Arbeit endlich die nötige Rechts und Handlungssicherheit geben. Sie sind heute mit völlig anderen Gefährdungslagen konfrontiert als noch vor zwölf Jahren. Neben der Aufstockung des Personals, der Sanierung der Infrastruktur und der Verbesserung der Ausrüstung unserer Polizei war und ist die Reform des Polizeirechts deshalb ein ganz wesentliches Ziel, auf das sich CDU, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag verständigt haben. Der nun vorliegende Gesetzentwurf schafft durch moderate Anpassungen und Ergänzungen die für eine effektive Gefahrenabwehr erforderlichen Befugnisse und schützt zugleich die Bürgerinnen und Bürger vor ungerechtfertigter Beeinträchtigung ihrer persönlichen Freiheitsrechte", erklärte Innenminister Hans-Joachim Grote in Kiel.

Der Gesetzentwurf enthalte die aufgrund der Veränderung der Sicherheitslage notwendigen Eingriffsbefugnisse, um den Gefahren der grenzüberschreitenden Kriminalität und des internationalen Terrorismus wirksam begegnen zu können. Der Innenminister dankte allen Beteiligten, die in den vergangenen Monaten intensiv an der Reform gearbeitet haben, um den notwendigen Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Bedrohungen und neuen Formen der Kriminalität sorgsam mit den individuellen Freiheitsrechten in Einklang zu bringen. "Diese Arbeit war dringend notwendig. Sie ermöglicht uns, einen wirklich ausgewogenen Gesetzentwurf vorzulegen. Eins ist mir als zuständigem Minister nach vielen Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten für die nun anstehende öffentliche Debatte über den Gesetzentwurf ganz besonders wichtig: Kein für die öffentliche Sicherheit Verantwortlicher, keine Polizistin und kein Polizist wünscht sich, jemals in die Lage zu kommen, in der sie die insbesondere für die Bekämpfung des Terrorismus als "ultima ratio" vorgesehenen sehr weitgehenden Eingriffsbefugnisse anwenden müssen. Gerade deswegen liegt es jedoch in der Verantwortung der Politik, der Polizei für derartige Ausnahmesituationen die notwendige Handlungssicherheit zu geben. Dieser Verantwortung wollen wir mit diesem Gesetzentwurf nachkommen", betonte der Innenminister.

Insbesondere seien folgende Anpassungen vorgesehen:

Anpassung der Befugnisse zum Schusswaffengebrauch:

Der gezielte, tödlich wirkende Schuss auf einen Menschen soll künftig als ultima ratio zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit zulässig sein. Diese Zwänge treten erwartbar eher nicht im täglichen Streifendienst auf, sind aber für die Taktik und das Vorgehen unserer Spezialeinheiten von Belang. Dabei geht es um Lagen schwerster Gewaltkriminalität, zum Beispiel Geisellagen oder terroristische Gewalttaten. Hier kann es zu Situationen kommen, in denen der Schutz menschlichen Lebens und der körperlichen Unversehrtheit vor schwersten Verletzungen (insbesondere der Geiseln) nur gewährleistet werden kann, wenn die Polizei zum Schutze dieser hohen Rechtsgüter auf den Angreifer so schießt, dass der Schuss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirkt. Ähnlich zu betrachten sind Bedrohungsszenarien durch Anschläge auf Großveranstaltungen und Menschenmengen mit terroristischem Hintergrund. Hier besteht zunehmend die Gefahr unübersichtlicher Situationen, in denen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben der Schusswaffengebrauch auf Täter in einer Menschenmenge erforderlich sein kann. In solch einer besonderen Ausnahmesituation steht eine vorherige Warnung des Täters vor dem Schusswaffengebrauch häufig einer effektiven Gefahrenabwehr entgegen. Daher wird durch die Neufassung ein Schusswaffengebrauch gegen Personen auch in einer Menschenmenge ohne Warnung ermöglicht, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Aufgrund einer um sich greifenden Radikalisierung gerade auch junger Menschen kann künftig nicht ausgeschlossen werden, dass Täter in akuten terroristischen Bedrohungslagen oder Amoklagen das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für die handelnden Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten schafft eine ausdrückliche gesetzliche Regelung Rechtssicherheit in krisenhaften Ausnahmesituationen. Sie stellt zugleich sicher, dass der tödlich wirkende Schuss das letzte und einzig verbleibende Mittel der Gefahrenabwehr ist. Die Letztentscheidung zur Schussabgabe soll dabei den jeweils handelnden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vorbehalten sein.

Aufnahme der Befugnis zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten (sogenannte "Taser") für einen Pilotversuch innerhalb der Landespolizei

Das Distanz-Elektroimpulsgerät (DEIG) wird in den abschließenden Kanon der zulässigen Waffen aufgenommen. Damit wird - wie in der Mehrzahl der übrigen Bundesländer - auch in Schleswig-Holstein neben dem Einsatz von Schlagstock und Schusswaffe der Einsatz des Distanz-Elektroimpulsgeräts rechtlich ermöglicht.

Auf dieser Grundlage soll das Distanz-Elektroimpulsgerät zunächst im Rahmen eines Pilot-Projektes getestet werden. Der Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten durch die Landespolizei soll nach Ablauf von drei Jahren evaluiert werden. Der Gesetzentwurf sieht dazu eine Evaluierungs- und Verfallklausel vor.

Stärkung der Eigensicherungsmöglichkeiten unter anderem durch den Einsatz sogenannter Bodycams

Nach Beendigung des Pilotprojekts soll für den Einsatz der Bodycam eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Darin wird explizit beschrieben, wie mit den erhobenen Daten im Anschluss an eine Aufzeichnung zu verfahren ist und wie der Betroffene die ihm zustehenden Rechte geltend machen kann. Der Einsatz von Bodycams in Wohnungen erfolgt nicht, um das hohe Gut aus dem Artikel 13 Grundgesetz zu schützen.

Anpassung der Sicherstellungs- und Fesselungsbefugnisse

Bisher durfte eine Person erst gefesselt werden, wenn ein Fall der Freiheitsentziehung vorlag. Durch die Änderung wird die Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamtinnen- und beamten verbessert, indem eine Fesselung von Personen zukünftig im eng begrenzten Rahmen unter erleichterten Voraussetzungen zulässig ist. Die Fesselung bleibt aber an eine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinne des Art. 104 GG und das Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie Fluchtgefahr oder Widerstandshandlungen angeknüpft. Unter denselben Voraussetzungen dürfen nunmehr bei der angehaltenen oder festgehaltenen Person auch Gegenstände sichergestellt werden, wenn eine missbräuchliche Verwendung durch diese nicht ausgeschlossen werden kann.

Ergänzung der polizeilichen Anhalte- und Sichtkontrollrechte um die Befugnis zur Identitätsfeststellung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

Diese Neuregelung ergänzt die Befugnisse zur Identitätsfeststellung im Rahmen der grenzüberschreitenden Kriminalität und von Straftaten von erheblicher Bedeutung. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist dies nur zur vorbeugenden Bekämpfung gewichtiger Kriminalität und des internationalen Terrorismus zulässig. Die Umschreibung der räumlichen Bereiche bietet den Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten Handlungssicherheit und verhindert eine gebietsausufernde Kontrolle.

Ergänzung der besonderen Mittel der Datenerhebung um den Einsatz verdeckter Ermittler sowie den Einsatz von GPS-Trackern

Bislang durften Verdeckte Ermittler in Schleswig-Holstein zu präventiv-polizeilichen Zwecken nicht eingesetzt werden. Der Einsatz ist nun bei Gefahren für erhebliche Rechtsgüter und wenn die Maßnahmen zur Aufklärung unerlässlich sind, möglich. Künftig wird zudem die Nutzung satellitengestützter Positionssysteme wie des Global Positioning System (GPS) ausdrücklich geregelt sein. Durch die Änderung werden die polizeilichen Befugnisse um dieses für Observationszwecke wertvolle technische Mittel klarstellend ergänzt.

Ergänzung der Befugnis zum Aufenthaltsverbot um das Aufenthaltsgebot und die Meldeauflage

Diese neuen Instrumente vervollständigen die behördlichen Befugnisse zum Erlass aufenthaltsbeschränkender Anordnungen und dienen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Zugleich werden durch die Ergänzung die gesetzgeberischen Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus umgesetzt, wonach insbesondere die Meldeauflage als besonders geeignete Maßnahme beschrieben wird, relevante Personen von der Planung und Durchführung terroristischer Anschläge abzuhalten. Außerdem wird durch die Ergänzung der polizeilichen Befugnisse dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen, da die Eingriffsschwere der neuen Befugnisse deutlich unter der Anordnung einer freiheitsentziehenden Gewahrsamnahme liegt.

Einfügung der Befugnisse zur Unterbrechung der Telekommunikation und der sogenannten „elektronischen Fußfessel“, diese allerdings nur zur Abwehr terroristischer Gefahren

Zur Abwehr dringender Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib und Leben einer Person– beispielsweise der Fernzündung von Sprengsätzen - kann die Polizei künftig Anbieter für Telekommunikationsdienstleistungen verpflichten, die Kommunikationsverbindungen eines bestimmten Mobilfunkendgeräts oder in einer bestimmten Mobilfunkzelle zu unterbrechen oder zu verhindern, und zum anderen selbst, zum Beispiel durch den Einsatz bestimmter Störsender, Telekommunikationsvorgänge innerhalb des Sendebereichs des Störsenders unterbrechen oder verhindern. Auf richterliche Anordnung kann zudem zur Abwehr terroristischer Gefahren eine Person dazu verpflichtet werden, ständig ein für die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes geeignetes technisches Mittel ("elektronische Fußfessel") in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen.

Verantwortlich für diesen Pressetext: Dirk Hundertmark / Tim Radtke | Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration | Düsternbrooker Weg 92, 24105 Kiel | Telefon 0431 988-3007 / -3337 | E-Mail: pressestelle@im.landsh.de | Medien-Informationen im Internet: www.schleswig-holstein.de | Das Ministerium finden Sie im Internet unter www.schleswig-holstein.de/innenministerium.

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