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Der Ministerpräsident - Staatskanzlei : Thema: Ministerien & Behörden

Daniel Günther

Ministerpräsident

Rede von Ministerpräsident Daniel Günther beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2019 in Kiel

Es gilt das gesprochene Wort!

Letzte Aktualisierung: 03.10.2019

Schleswig-Holstein und der Schauspieler Axel Prahl haben etwas gemeinsam: Beide haben einen herben Charme. Aber immer mit Herz. Echte Charaktere eben. Das werden Sie gleich nach meiner Rede in einem kleinen Film sehen. Und mit diesem Versprechen heiße ich Sie herzlich willkommen bei uns an der Küste!

Willkommen in Schleswig-Holstein, willkommen zum Tag der Deutschen Einheit 2019 in Kiel!

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, verehrte Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Exzellenzen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Ländern, werte Mitglieder der Bundesregierung, verehrte Landtagspräsidenten, meine Damen und Herren Abgeordnete, Herr Stadtpräsident, Herr Oberbürgermeister, hohe Repräsentanten der Kirchen und der Religionsgemeinschaften, liebe Bürgerinnen und Bürger, verehrte Gäste aus Nah und Fern!

Ich freue mich, Sie in Kiel zu begrüßen. Sehr herzlich begrüße ich auch den stellvertretenden südkoreanischen Minister für Vereinigung: Sie sind ein gern gesehener Gast bei unserer Einheitsfeier.

Meine Damen und Herren,

wir werden in dieser Feierstunde zurückschauen – und wir werden gemeinsam nach vorne schauen. Zur Einstimmung haben wir eben die Musik von Leonard Bernstein sprechen lassen. Denn der fand Schleswig-Holstein inspirierend, und eben liebenswert. Vielen anderen geht es wohl ähnlich – sie kommen uns vor allem im Sommer in großer Zahl besuchen. Das verstehen wir Schleswig-Holsteiner gut, gelten wir doch statistisch als die glücklichsten Deutschen.

Vermutlich würde nicht jeder Leonard Bernstein sofort mit Schleswig-Holstein in Verbindung bringen. Dabei war er fest verwurzelt in unserem Land. Als Unterstützer des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Einem der größten europäischen Klassik-Festivals. Festival-Gründer Justus Frantz soll Bernstein damals übrigens mit dem Wetter nach Schleswig-Holstein gelockt haben: Das Wetter sei hier genauso schön wie auf Gran Canaria… Nun: Ich habe das Wort liebenswert bewusst ausgewählt…

Aus gutem Grund also zum Auftakt Musik von Leonard Bernstein, meine Damen und Herren. Besondere Musik in einem besonderen Jahr. Und 2019 ist ein besonderes Jahr. Das Grundgesetz und damit die Bundesrepublik sind 70 Jahre alt geworden. Der Mauerfall jährt sich zum 30. Mal. Somit sind auf 40 Jahre geteilte Geschichte inzwischen drei Jahrzehnte gemeinsame Geschichte gefolgt.

Viele von uns haben die Bilder aus dem Herbst 1989 im Kopf. Weil sie dabei waren – oder weil sie den bewegenden Bildern nachträglich begegnet sind. Im Fernsehen, in den Medien. Denn 30 Jahre bedeutet auch: Eine Generation Abstand. Es sind unruhige, unübersichtliche Tage gewesen: Noch am 3. Oktober 1989 bekräftigte Erich Honecker, er wolle an der "bewährten SED-Politik festhalten". Schon zwei Wochen später wollte niemand mehr an ihm festhalten – und Erich Honecker musste zurücktreten. Als dann am 9. November tatsächlich die Mauer fiel, standen viele Menschen auch hier in Schleswig-Holstein winkend und lachend an den Grenzübergängen. Familien waren endlich wieder vereint.

In der Grenzstadt Lübeck gab es an den Grenzübergängen so viele Trabbis wie es glückliche Gesichter gab. Endlich frei. Freiheit. Das ist: Gehen, wohin man will. Sagen, was man denkt. Der 3. Oktober ist ein Tag, diese Freiheit zu feiern.

 Wir in Schleswig-Holstein sind stolz, in diesem besonderen Jahr Gastgeber für die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu sein.

Wir freuen uns, dass heute unter anderem viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Orten an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu Gast sind. Ebenso viele Ehrenamtliche aus der ganzen Bundesrepublik, die sich im Alltag mutig für das Gemeinwohl einsetzen. Und Schülerinnen und Schüler aus unserem Land, die die Erinnerung an 1989 wachhalten.

Die bewegenden Bilder von vor 30 Jahren haben uns inspiriert, diese Feier unter das Motto "Mut verbindet" zu stellen. Die Menschen in der DDR waren damals extrem mutig, als sie auf die Straße gingen und die Wiedervereinigung auf friedliche Weise errangen. Es ist eine Verhöhnung der Leistung dieser Menschen, wenn Parteien diesen Mut heute für parteipolitische Zwecke missbrauchen, in dem sie von der Wende 2.0 reden. Diese Wende als historische Lebensleistung der Ostdeutschen bleibt singulär und untrennbar mit dem Ende der DDR verbunden. An diesen Mut von 1989 wollen wir heute erinnern und gleichzeitig dazu aufrufen, selbst wieder etwas mutiger zu werden. Uns nicht von Zukunftsangst überwältigen und von Angstmachern in Extreme treiben zu lassen.

Ja, wir stehen vor Herausforderungen. Und nein, Politik darf nicht alles schönreden. Es ist nicht alles perfekt in Deutschland. Bei der Digitalisierung müssen wir aufpassen, dass wir genug Tempo machen. Insgesamt müssen wir bei den Planungen und dem Ausbau unserer Infrastruktur schneller werden. Auch bei der Integration läuft noch lange nicht alles rund. Der Klimawandel macht vielen Menschen große Sorge.

Ich meine: Wir können diese Herausforderungen gemeinsam schaffen. Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn wir in der Politik einen geringeren Teil unserer Energien dafür verschwenden, die Fehler anderer zu suchen und deren Vorschläge abzukanzeln. Stattdessen sollten wir für mehr Zeit für gemeinsame Lösungen und Ideen eintreten. Dennoch bin ich zuversichtlich. Gewissheit und Vertrauen können wir einerseits daraus ziehen, dass die Menschheit schon immer vor komplexen Herausforderungen stand, die sie letztlich bewältigt hat. Und andererseits haben wir in Deutschland gute Voraussetzungen, einen Beitrag zum Gelingen zu leisten. Wir müssen uns nicht klein machen. Wir haben allen Grund, mutig und zuversichtlich zu sein. Wir Deutsche haben objektiv keinen Anlass, verzagt oder verzweifelt zu sein.

 Deutschland ist der wettbewerbsfähigste Staat in Europa. Und Deutschland gilt als eines der innovationsfreudigsten Länder der Welt. Wir leben in einem Land voller Ideen. Also trauen wir uns doch, Innovationen und Fortschritt zu fördern. Wir können technologisch Impulse liefern, die uns und anderen im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Gerade mit Innovationen könnten wir andere auf der Welt für den Klimaschutz begeistern. Wir Deutsche sollten uns wirklich glücklich schätzen: Wir leben in Frieden und Wohlstand.

Andere beneiden uns um unser verlässliches Gemeinwesen:

  • Wenn Strom oder Wasser ausfallen, wird der Schaden repariert.
  • Wenn jemand arm ist, kann sein Kind Abitur machen und studieren.
  • Wir haben Richter, die unbestechlich und unabhängig Recht sprechen.
  • Wir haben Journalisten, die frei und ungehindert berichten.

Das alles sind keine Selbstverständlichkeiten. Nicht einmal innerhalb Europas. Wer das anerkennt und sich die Vorzüge unseres Rechtsstaats und unseres solidarischen Gemeinwesens bewusstmacht, der wird auch die offene Gesellschaft verteidigen. Dafür müssen wir den Mut haben und in Diskussionen gegenhalten, in denen unser System schlechtgemacht wird. Wir müssen ganz sicher auch mehr miteinander reden. In der Politik und im alltäglichen Miteinander.

Ich wünsche mir, dass wir einander genauer zuhören. Differenzierter argumentieren – aber auch andere Meinungen respektieren, sie auch mal aushalten – und nicht gleich diskreditieren.

Das gilt gerade mit Blick auf die Menschen in Ostdeutschland. Ihre Lebensläufe und biographischen Brüche in zwei aufeinanderfolgenden Diktaturen sind seit der Wende vielfach zu wenig berücksichtigt worden. Hier wünsche ich mir mehr Sensibilität und Verständnis auf westdeutscher Seite. Die Ostdeutschen hatten es nach dem Zweiten Weltkrieg ungleich schwerer.

Für den Osten gab es nach 1945 keinen Marschall-Plan und zusätzlich einen gewaltigen Industrie-Aderlass, weil die Sowjetunion sich ihre Reparationen aus der DDR holte. Das hat den Aufbau verzögert und erschwert. Das zeigt sich an diesem Beispiel: Die letzten Weltkriegstrümmer in Dresden konnten erst 1977 beseitigt werden. 32 Jahre nach Kriegsende! Dahinter steckt eine großartige Lebensleistung vieler Menschen in der ehemaligen DDR. Die aber dann unter den Tisch fällt, wenn wir in unserer Geschichtsschreibung nur noch Platz lassen für das "Wirtschaftswunder" der 50er Jahre. Unsere kollektiven Erinnerungen unterscheiden sich. Und das ist nur ein Beispiel. Ich wünsche mir deshalb mehr Platz für die ostdeutschen Aspekte unserer deutschen Geschichte. Dann können wir sicher leichter positiv darüber sprechen, was gut läuft und was wir gemeinsam schaffen wollen. Es wird uns stärken, wenn wir gemeinsam mutiger und zuversichtlicher in die Zukunft schauen. Und das ist wichtig.

Wer etwas zum Positiven verändern oder ein Ziel erreichen will, der darf nicht verzagt sein. Der braucht Mut und Optimismus. Gemeinsam können wir viel erreichen und bewegen. Ich will dafür ein kleines Beispiel geben: „Mehr Klimaschutz“ kann nicht nur eine abstrakte Forderung an die Politik sein. Viele Menschen möchten handeln und etwas konkret tun. Daraus ist bei unseren Planungen zum Tag der Deutschen Einheit die Idee des "Einheitsbuddelns" entstanden.

Wir haben uns gesagt: Stell dir vor, jeder Mensch in Deutschland würde am 3. Oktober einen Baum pflanzen. Und zwar von jetzt an jedes Jahr. Das wären Jahr für Jahr 83 Millionen neue Bäume für unser Klima. Jedes Jahr ein neuer Wald. Für unsere Zukunft. Wir wollen so eine Tradition begründen und die Menschen machen begeistert mit. Deutschland pflanzt Bäume für den Klimaschutz.

Ich denke, das ist ein pragmatisches Beispiel für Zukunfts-Optimismus. Es zeigt, wie wir schon im Kleinen mutig und konkret große Herausforderungen anpacken. Dieser Mut hat schon viele Menschen miteinander verbunden: Sie pflanzen oder spenden einen Baum. Das können wir auf andere Bereiche ausweiten. Deshalb ist das Motto „Mut verbindet“, unter das Schleswig-Holstein diese Einheitsfeier stellt, auch ein Appell: Rücken wir enger zusammen. Passen wir aufeinander auf. Stärken und verteidigen wir unsere Demokratie. Wertschätzen wir die Vorzüge von Freiheit und Rechtsstaat.

Der Tag der Deutschen Einheit fordert uns alle auf, ein paar Gedanken für unser Gemeinwohl aufzubringen. Die Zufriedenen wie die Unzufriedenen. Die Großen genauso wie die Kleinen.

Erlauben wir uns in Zukunft mehr Fröhlichkeit. Gestatten wir uns mehr Gelassenheit. Trauen wir uns mehr Mut.

Ich wünsche uns allen hier in Kiel und überall im Land einen friedlichen und fröhlichen Nationalfeiertag.

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