Navigation und Service

Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein : Thema: Ministerien & Behörden

BalticRIM: Ein internationales Projekt zur Integrierung des Maritimen Kulturerbes in die Raumplanung der Ostsee


2017-2020 wurde das europäische Projekt „BalticRIM“ durchgeführt, das erstmals DenkmalschützerInnen und RaumplanerInnen aus fast allen Ostseeanrainerstaaten zusammenbrachte, um künftig das Maritime Kulturerbe in die Raumordnung der Ostsee einzubeziehen und dadurch nachhaltig zu schützen.

Letzte Aktualisierung: 21.02.2023

Das Potenzial

Die Ostsee mitsamt seinen Haffen, Buchten, Förden und Schären gehört zu den einzigartigsten Gewässern dieser Erde: Kein Meer im eigentlichen Sinne, sondern ursprünglich ein großer auf dem Festlandsockel liegender Eisstausee, der infolge des Abschmelzens der Gletscher der letzten Eiszeit entstanden ist. Dieser ist erst seit dem Mesolithikum mit dem Weltmeer infolge der Littorina-Transgression verbunden und wurde in dessen Folge brackig, wie die Ausbreitung der namensgebenden Großen Strandschnecke Littorina littorea aus der salzigen Nordsee belegt.

Seesperre bei  Reesholm
Die zum Danewerk gehörende Seesperre bei Reesholm aus dem frühen 8. Jh. ist eines der zahllosen Beispiele vom reichen aber verborgenen Unterwasserkulturerbe Schleswig-Holsteins.

Doch ist die Ostsee dank des hohen Süßwassereintrags der großen osteuropäischen Flusssysteme und dem geringen Wasseraustausch bei den dänischen Belten in weiten Teilen niedrig an Salzgehalt und bietet somit wenig Lebensraum für die Schiffsbohrmuschel Teredo navalis. Aufgrund der günstigen biologischen und klimatischen Voraussetzungen kann die Ostsee daher regelrecht als „kulturelles Archiv“ bezeichnet werden, in denen Spuren menschlichen Wirkens über viele Jahrhunderte – oft sogar Jahrtausende – auf natürliche Weise konserviert werden, wie das weltberühmte Schiffswrack der 1628 gesunkenen und 1961 gehobenen Vasa eindrucksvoll belegt. Auch in jüngster Zeit sind komplette Schiffwracks – wie die niederländische Brigg Vrouw Maria (1771) oder das schwedische Kriegsschiff Mars (1564) – entdeckt worden, die wie Zeitkapseln komplett mit Ladung und Inventar die Jahrhunderte überdauert haben, als wären sie erst kürzlich gesunken. Aber auch in den westlichen Ostseegebieten, in denen sich der Teredo schon verbreitet hat, besteht ein noch immer latentes Potenzial, sofern die Fundstellen von einer schützenden Sedimentschicht bedeckt werden. In der gezeitenlosen Ostsee kann diese Schicht nur infolge von schweren Stürmen, aber zunehmend auch durch menschliche Einflüsse gestört werden (wie Schleppnetzfischerei, Sand- und Kiesabbau oder durch Schiffspropeller ausgelöste Verwirbelungen). Auch wasserbauliche Maßnahmen wie Pipelines, Tunnelprojekte und Offshore-Windkraftanlagen können archäologisch wichtige Gebiete empfindlich stören.

Archäologische Spuren sind einzigartige Fenster in die Vergangenheit, aber eine „nicht nachwachsende kulturelle Ressource“, deren Zerstörung unwiderruflich wäre. Dieser Gefährdung kann nur durch eine frühzeitige Einbeziehung der archäologischen Denkmalpflege auf allen Planungsebenen entgegengewirkt werden. Der Grundstein für einen nachhaltigen Schutz archäologischer Kulturgüter in der Ostsee konnte durch das BalticRIM-Projekt nun erfolgreich gelegt werden.

Das Projekt

Das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) war Träger des INTERREG-finanzierten Projekts Baltic Sea Region Integrated Maritime Cultural Heritage Management (kurz: BalticRIM), das im Oktober 2017 angelaufen und für drei Jahre angesetzt war. Dieses wurde auf Veranlassung des Kulturerbe-Komitees des Ostseerates als „Leuchtturmprojekt“ initialisiert und ist als solches von vorrangiger Bedeutung zum Erhalt des maritimen Erbes der Ostsee. In dessen Rahmen arbeiteten ArchäologInnen und DenkmalschützerInnen aus den Ostsee-Anrainerstaaten Dänemark, Estland, Finnland, Litauen, Polen, Russland und Schleswig-Holstein zusammen, um Gebiete in ihren Küstengewässern zu identifizieren, die ein hohes archäologisches Potenzial aufweisen und daher besonderen Schutz bedürfen. Das Projekt bot auch ein Forum, in dem sich DenkmalschützerInnen mit RaumplanerInnen austauschten. So wurde sichergestellt, dass archäologisch wichtige Gebiete erstmals mit in die Raumordnung einbezogen werden können. Dies war ein bedeutender Fortschritt, denn bislang – abgesehen vom Naturschutz – wurden nur rein wirtschaftliche Interessen berücksichtigt. Diese Nutzungen standen oft im Konflikt zu denkmalpflegerischen Belangen und hatten in der Vergangenheit zu Planungsunsicherheiten geführt. Durch das BalticRIM-Projekt wurde eine Grundlage geschaffen, die im Sinne der blue growth Initiative der Europäischen Kommission nicht zuletzt eine Planungssicherheit für die wirtschaftliche Nutzung schaffte. Die Bedeutung, die diesem Projekt beigemessen wurde, spiegelte sich unter anderem an dessen flagship-Status in der von der Europäischen Kommission initialisierte EU Strategy for the Baltic Sea Region (EUSBSR) wider und der Tatsache, dass es als Aushängeschild des 2018 - European Cultural Heritage Year (ECHY) ausgewählt wurde. Weitere Details zu der strukturellen Ausrichtung dieser internationalen Zusammenarbeit finden sich auf der Projekt-Website.

Kartierung von 300 Fundstellen in den schleswig-holsteinischen Territorialgewässern
In der archäologischen Landesaufnahme sind bislang fast 1000 Fundstellen für die schleswig-holsteinischen Territorialgewässer verzeichnet.

Die Planungsregion

Durch die Projektpartner wurde ein Großteil der Territorialgewässer und der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Ostsee abgedeckt und bezog auch Russland als einzigen Nicht-EU Mitgliedsstaat mit ein. Da Küstenverläufe ständigen Veränderungen unterlegen sind und küstennahe Fundstätten meist im Kontext zum Festland stehen, wurden auch die Küstenstreifen ganzheitlich miteinbezogen. Während sich Projektpartner mit langen Küstenlinien auf einige als Fallstudien ausgewählte Regionen konzentrierten, hatte sich das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein mit einer Ostsee-Küstenlinie von immerhin 537 km (davon fallen allein 137 km auf die der Schlei) das ambitionierte Ziel gesetzt, seine gesamte Ostseeküste im Rahmen dieses Projektes planungstechnisch zu erfassen. Dies bezog allerdings nur die schleswig-holsteinischen Territorialgewässer ein, weil die AWZ der Bundesebene unterliegt. Da es auf Bundesebene allerdings noch keine denkmalpflegerische Instanz gab, die für die AWZ zuständig war, sah sich das ALSH berufen, den Bund zumindest in beratender Rolle zu unterstützen.

Die Pilotregionen

Zur eigentlichen Planungsregion kamen für Schleswig-Holstein noch Management-Pilotprojekte in der Schlei und in der Flensburger Förde hinzu. Letzteres in grenzübergreifender Zusammenarbeit mit den Raumplanern der Universität Aalborg. Im Rahmen dieser Pilotprojekte konnten Synergien zu anderen Sektoren wie dem Naturschutz und dem Tourismus erprobt und gebildet werden. Hier wurden Schnittmengen identifiziert, die gemeinsam in Raumordnungspläne eingebracht werden konnten. Da sich das Projekt auf das gesamte maritime Kulturerbe bezog, leitete das ALSH auch einen Planungsauftrag jenseits des archäologischen – sprich: materiellen – Kulturerbes ab und bezog insbesondere in der Flensburger Förde das immaterielle maritime Kulturerbe mit ein, wo dieses u. a. durch den Flensburger Museumshafen und die Traditionsschiffer-Gemeinschaft am Leben erhalten wird.

Die örtliche Umsetzung

Im Rahmen der Projektarbeit wurde die Fundstellen-Datenbank aktualisiert und durch noch relativ unbekannte Fundstellen und Anomalien ergänzt, die noch nicht in der archäologischen Landesaufnahme registriert waren. Auch andere nicht-archäologische Quellen, die auf eine kulturhistorische Bedeutung von Küstengebieten deuteten, wurden ausgewertet, wie z. B. die im Schlei-Atlas von Johannes Mejer 1641 detailliert dargestellten Heringszäune und Hafenanlagen. Zudem konnten auch Wahrscheinlichkeiten für günstige vorgeschichtliche Siedlungslagen und Erhaltungsbedingungen aufgrund von isostatischen, eustatischen und geomorphologischen Veränderungen abgeleitet werden. So befinden sich in Schleswig-Holstein aufgrund der postglazialen Landsenkung viele Küstensiedlungsplätze des Mesolithikums heute unter Wasser.

Die grenzübergreifende Zusammenarbeit

Obwohl jedes Land theoretisch die Belange des in den hoheitlichen Gewässern befindlichen maritimen Kulturerbes eigenständig in die Raumplanung einbinden kann, haben sich aus der grenzübergreifenden Zusammenarbeit Chancen des Erfahrungsaustausches und ein Blick über den Tellerrand ergeben. Zudem wird das historisch gewachsene regionale Kulturerbe durch moderne Staatsgrenzen künstlich getrennt, weshalb der gemeinsame Ansatz zu dessen Kategorisierung sinnvoll ist, sodass aufgrund von administrativen Unterschieden und denkmalpflegerischen Auslegungen archäologische Vorranggebiete nicht abrupt an einer Seegrenze enden. Regelmäßige Treffen der Projektpartner und ihrer assoziierten Mitglieder an wechselnden Orten rund um die Ostsee ermöglichten einen Erfahrungsaustausch und führten zu Lösungsansätzen für Problemstellungen.

Das Netzwerk
Das Netzwerk (zur Bildvergrößerung bitte das Lupensymbol anklicken)

Ansprechpartner

BalticRIM-Gesamtkoordination als Projektträger
Matthias Maluck M.A.
Tel. 0049 4621 387 36
matthias.maluck@alsh.landsh.de

Logos

The Baltic Sea Region Integrated Maritime Cultural Heritage Management (BalticRIM) is a 3-year project (2017-2020) led by the State Archaeology Department of Schleswig-Holstein. It is part-funded by the INTERREG BSR programme under the European Regional Development Fund.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link:

Datenschutz

Auswahl bestätigen

Mastodon