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Thema : Reaktorsicherheit

Fragen und Antworten zu den Genehmigungsverfahren für die Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf



Letzte Aktualisierung: 08.03.2023

A. Fragen zu den Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Abbau sowie der Zwischenlager für radioaktive Abfälle

A. Fragen zu den Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Abbau sowie der Zwischenlager für radioaktive Abfälle

1. Was sind die Bedeutungen von Stilllegung und Abbau?

Mit dem Begriff Stilllegung werden im weiteren Sinne umgangssprachlich und häufig auch im technischen Zusammenhang sämtliche stilllegungsgerichteten Tätigkeiten, d.h. neben dem einfachen Abschalten auch die Außerbetriebnahmen der Anlagenteile und der Abbau, zusammengefasst. Im Gegensatz dazu wird in § 7 Abs. 3 Atomgesetz formal zwischen Stilllegung und Abbau unterschieden. Hier bezeichnet der Begriff Stilllegung übergeordnete Regelungen zum Abbau. Zu diesen übergeordneten Stilllegungsregelungen können z. B. solche für die Freigabe oder den Restbetrieb gehören.

2. Warum werden die deutschen Kernkraftwerke stillgelegt?

Bereits 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergienutzung ("Atomausstieg") beschlossen. Aufgrund einer Atomgesetzänderung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima haben sieben deutsche Kernkraftwerke (darunter Brunsbüttel und Krümmel) im August 2011 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren. Nach dem Atomgesetz durfte das Kernkraftwerk Brokdorf noch längstens bis Ende 2021 betrieben werden und wurde entsprechend abgeschaltet. Regelungen für die Nachbetriebsphase waren bereits in den Betriebsgenehmigungen verankert worden. Stilllegung und Abbau bedürfen allerdings nach den Regelungen des Atomgesetzes gesonderter Genehmigungen. Die dafür notwendigen Anträge haben die schleswig-holsteinischen Betreibergesellschaften bei der Reaktorsicherheitsbehörde gestellt.

3. Ist die Betreibergesellschaft zur Stilllegung ihres Kernkraftwerkes verpflichtet?

Ja. Das Atomgesetz schreibt die geordnete Beendigung der gewerblichen Erzeugung von Elektrizität durch Nutzung von Kernenergie vor. Nach dem Verlust der Berechtigung zum Leistungsbetrieb sind die Betreibergesellschaften verpflichtet, ihre kerntechnischen Anlagen stillzulegen. Allerdings ist im Atomgesetz keine Frist hierfür vorgegeben.

4. Gibt es bereits Erfahrungen mit dem Abbau von Kernkraftwerken und wurden Techniken dafür bereits erprobt?

In Deutschland sind bereits einige Kernkraftwerke vollständig beseitigt worden (Niederaichbach, Großwelzheim und Kahl), mehrere befinden sich im Abbau (z.B. Stade). Aus diesen Projekten konnten zahlreiche Erfahrungen gesammelt und Abbautechniken erprobt und optimiert werden.

5. Ist ein Abbau überhaupt möglich, solange sich noch Kernbrennstoff im Kernkraftwerk befindet?

Grundsätzlich ist der Beginn des Abbaus auch dann möglich und mit dem Atomgesetz vereinbar, wenn sich noch Kernbrennstoff im Kernkraftwerk befindet. Das erfordert aber einen – ggf. deutlich – höheren Koordinationsaufwand.

6. Wie hoch werden die Ableitungen radioaktiver Stoffe während Stilllegung und Abbau sein?

In den Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen werden Höchstwerte für Ableitungen (radioaktive Gase, Aerosole, Abwasser) vorgegeben. Die Ermittlung der Genehmigungswerte orientiert sich an den gesetzlichen Vorgaben, an den örtlichen Randbedingungen (Vorbelastungen) und an dem Stand von Wissenschaft und Technik. Die Einhaltung der Grenzwerte stellt sicher, dass die gesetzlichen Anforderungen der Strahlenschutzverordnung eingehalten sind, sodass der Schutz von Mensch und Sachgütern gegeben ist.

Die Höchstwerte für die Ableitung von radioaktiven Gasen wurden für die Kernkraftwerke Brunsbüttel (KKB) und Krümmel (KKK) jeweils um Größenordnungen geringer als die für den Leistungsbetrieb beantragt, die Werte für die Aerosole und für das Abwasser sind in den Anträgen im Wesentlichen unverändert übernommen worden. Für das KKB wurden diese hinsichtlich der Aerosole in der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung entsprechend reduziert. Die Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks Brokdorf hat in ihrem Antrag für die erste Stilllegungs- und Abbauphase unveränderte (bezogen auf den Leistungsbetrieb) Höchstwerte für die Ableitung radioaktiver Stoffe mit Luft und Wasser beantragt.

Unter Moderation der Reaktorsicherheitsbehörde haben sich das KKB und mehrere Umweltverbände und Bürgerinitiativen im Mai 2019 auf eine signifikante Senkung der bei Stilllegung und Abbau des KKB maximal zulässigen Radioaktivität, die in die Elbe gelangen darf, geeinigt. Auch die Betreibergesellschaft für das KKK hat daraufhin die beantragten Werte für die Ableitung radioaktiver Stoffe in die Elbe deutlich reduziert.

7. Wird es zu Belästigungen (z. B. Lärm, Geruch, Luftschadstoffe) für die Bevölkerung kommen?

Der Abbau einer großen Industrieanlage ist insbesondere ohne die Emission von z. B. Lärm und Staub schlicht nicht möglich. Es werden allerdings im Rahmen der Genehmigungsverfahren Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Die Umweltverträglichkeitsprüfungen umfassen die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der bedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter u. a. Menschen und Tiere. Die Ergebnisse werden bei der Entscheidung über die Genehmigungen berücksichtigt. Aus den Ergebnissen können sich behördliche Auflagen zur Vermeidung von Auswirkungen auf die Schutzgüter ergeben.

8. Wie soll konkret der Endzustand des Geländes nach Stilllegung und Abbau aussehen?

Die Betreibergesellschaft hat die Möglichkeit, verbliebene Gebäudestrukturen nach konventionellem Baurecht abzureißen oder einer weiteren Nutzung außerhalb des Atomrechts zuzuführen. Das setzt jeweils die Entlassung aller Gebäude und des Anlagengeländes aus der atomrechtlichen Überwachung durch die Reaktorsicherheitsbehörde voraus. Die Betreibergesellschaft der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel schätzt, dass der Abbau eines Kernkraftwerkes 12 bis 18 Jahre dauern kann, gerechnet vom Datum der Genehmigungserteilung. Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass auch noch längere Zeiträume möglich sind. Wann die abgebrannten Brennelemente, die sich an den Standorten befinden, an ein Endlager abgegeben werden können, lässt sich gegenwärtig noch nicht seriös voraussagen. Gerade dies ist aber wesentliche Voraussetzung für die Entlassung des gesamten Standortes aus der atomrechtlichen Überwachung.

9. Sind die Rückstellungen der Betreibergesellschaften ausreichend, um für die Kosten des Abbaus aufzukommen?

Das Entsorgungsfondsgesetz aus dem Jahr 2017 hat den Zweck, die geordnete Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung aus der gewerblichen Stromerzeugung in Deutschland sicherzustellen. Die Betreiber der Kernkraftwerke als Verursacher der radioaktiven Abfälle verpflichteten sich aufgrund des Gesetzes, gut 24 Milliarden Euro für einen öffentlich-rechtlichen Fonds bereitzustellen. Im Gegenzug ging die Verantwortung für die Entsorgung, insbesondere für die Zwischen- und Endlagerung, auf den Bund über.

Die Durchführung und Finanzierung der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke sowie der fachgerechten Verpackung der radioaktiven Abfälle verbleibt in der Zuständigkeit der Betreiber.

Die Bundesregierung hatte im Vorfeld eine Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs eingesetzt. Die Expertenkommission hatte Empfehlungen erarbeitet, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung, Abbau und Entsorgung so ausgestaltet werden kann, dass die Unternehmen auch langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen aus dem Atombereich zu erfüllen. Ob sich die mit diesem Gesetz verbundenen Erwartungen bestätigen werden, bleibt abzuwarten. Die schleswig-holsteinische Landesregierung sieht die gesetzliche Neuregelung jedenfalls als bedeutenden Fortschritt an. Denn aufgrund der zuvor geltenden Rechtslage war nicht gewährleistet, dass die Betreibergesellschaften ihre nuklearen Rückstellungen – auch im Hinblick auf das Insolvenzrisiko – so sicher angelegt hatten, dass sie im Bedarfsfall auch zur Verfügung gestanden hätten.

10. Was hat es mit den Zwischenlagern für radioaktive Abfälle auf sich?

Gemäß § 7 Atomrechtlicher Entsorgungsverordnung sind bis zur Inbetriebnahme einer Anlage des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken die abzuliefernden radioaktiven Abfälle vom Ablieferungspflichtigen d. h. von der Betreibergesellschaft des jeweiligen Kernkraftwerkes zwischenzulagern. Da die Kapazität der vorhandenen Lager für die Aufnahme aller anfallenden radioaktiven Abfälle nicht ausreichend ist, muss zusätzliche Lagerkapazität in einem Zwischenlager geschaffen werden.

Entsprechend der Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung soll ab 2027 die Einlagerung in die Schachtanlage Konrad im niedersächsischen Salzgitter beginnen. Wann konkret Abfälle aus den Zwischenlagern abgerufen werden, ist bisher nicht bekannt.

11. Wie sind die Genehmigungsverfahren für Stilllegung und Abbau sowie für die Zwischenlager für radioaktive Abfälle strukturiert?

Gegenstand der vorgelegten Genehmigungsanträge sind jeweils der Restbetrieb des Kernkraftwerks und der Abbau von nicht mehr benötigten Anlagenteilen, sowie generelle Regelungen, die während des gesamten Abbauzeitraumes gelten sollen, mit dem Ziel der Entlassung der Anlagen aus der atomrechtlichen Überwachung. Stilllegung und Abbau einer Anlage können auf Grundlage einer oder mehrerer atomrechtlicher Genehmigungen erfolgen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt, die eine Beteiligung der Öffentlichkeit beinhaltet. Die UVP umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der für die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen bedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

12. Welche Antragsunterlagen sind erforderlich und wer prüft diese?

Zusätzlich zum Genehmigungsantrag hat die Betreibergesellschaft noch einen Sicherheitsbericht über die Stilllegung und den Abbau des Kernkraftwerks, eine Kurzbeschreibung und einen Umweltverträglichkeitsbericht (UVP-Bericht) (früher: Umweltverträglichkeitsuntersuchung) vorzulegen. Diese Unterlagen beschreiben u.a. die Eckpunkte des Verfahrens. Darüber hinaus sind im weiteren Verfahren ergänzende Unterlagen vorzulegen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen durch die Reaktorsicherheitsbehörde erforderlich sind.

Für die Prüfung der Genehmigungsunterlagen ist in Schleswig-Holstein das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur zuständig. Die Behörde zieht in diesen Genehmigungsverfahren auf der Grundlage des Atomgesetzes Sachverständige hinzu.

13. Kann die Betreibergesellschaft den Stilllegungsantrag auch wieder zurückziehen?

Kernkraftwerksbetreiber sind nach endgültiger Betriebseinstellung bzw. Verlust der Berechtigung zum Leistungsbetrieb zur ordnungsgemäßen Stilllegung ihrer Anlagen verpflichtet. Das Atomgesetz enthält indes keine expliziten Regelungen, in welchem zeitlichen Rahmen Betreibergesellschaften Anträge auf Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung stellen und eine Stilllegung abwickeln müssen. Es enthält auch keine Regelung, dass ein einmal gestellter Antrag nicht zurückgenommen werden könnte. Gerade wegen dieser Defizite hatte die schleswig-holsteinische Landesregierung im Jahre 2012 eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Atomgesetzes auf den Weg gebracht. Ziel dieser Gesetzesinitiative war es, die Stilllegungspflichten der Kernkraftwerksbetreiber zu präzisieren und zu modifizieren sowie das Durchsetzungsinstrumentarium der Atombehörden zu stärken. Leider fand diese Initiative im Bundesrat keine Mehrheit.

14. Wie werden weitere Behörden und die Öffentlichkeit am Verfahren beteiligt und darüber informiert?

Die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung stellt eine wichtige Säule der Genehmigungsverfahren dar.

Scoping

Zunächst gibt die Reaktorsicherheitsbehörde der Betreibergesellschaft und den zu beteiligenden Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften, deren Zuständigkeit berührt ist, Gelegenheit zu einer Besprechung über den Inhalt und den Umfang der Unterlagen (Scoping-Termin). Zu dieser Besprechung können Sachverständige und Dritte (z.B. Bürgerinitiativen oder Naturschutzverbände) hinzugezogen werden.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Scoping-Termins unterrichtet die Reaktorsicherheitsbehörde die Betreibergesellschaft über Art und Umfang der beizubringenden Unterlagen.

Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) / der Umweltverträglichkeitsbericht (UVP-Bericht) werden in den einzelnen Genehmigungsverfahren im Anschluss zusammen mit weiteren von der Betreibergesellschaft vorgelegten Dokumenten der Öffentlichkeit vorgestellt indem die Unterlagen bei der Reaktorsicherheitsbehörde und bei einer geeigneten Stelle in der Nähe des Standortes der Kernkraftwerke zur Einsichtnahme ausgelegt werden. Zu diesen weiteren Dokumenten gehört vor allem ein Sicherheitsbericht. Nach der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung hat der Sicherheitsbericht insbesondere die Aufgabe, Dritten die Beurteilung zu ermöglichen, ob sie durch die Auswirkungen, die mit den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau und / oder der Errichtung und dem Betrieb der Zwischenlager für radioaktive Abfälle verbunden sind, in ihren Rechten verletzt werden können. Außerdem legt die Betreibergesellschaft eine Kurzbeschreibung des Vorhabens vor. Mit dieser sollen gemäß Atomrecht die geplanten Maßnahmen und deren voraussichtliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft noch einmal wesentlich kürzer und allgemeinverständlicher als im Sicherheitsbericht dargelegt werden. Innerhalb der zweimonatigen Auslegungsfrist können schriftliche Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben werden.

Erörterungstermin

Nach der öffentlichen Auslegung der Unterlagen werden die fristgemäß erhobenen Einwendungen von der Reaktorsicherheitsbehörde zunächst gesichtet und zur Vorbereitung eines anschließenden Erörterungstermins inhaltlich gegliedert.

Zur mündlichen Erörterung der Einwendungen findet sodann der Erörterungstermin mit der Betreibergesellschaft und den Personen, die rechtzeitig Einwendungen erhoben haben, statt. Der Erörterungstermin dient dazu, denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, Gelegenheit zu geben, ihre Einwendungen zu erläutern. Die Betreibergesellschaft hat die Möglichkeit hierzu Stellung nehmen. Die Reaktorsicherheitsbehörde kann auch Vertreter anderer Behörden und Sachverständige zu einzelnen Aspekten befragen. So kann bei der Reaktorsicherheitsbehörde ein Verständnis für die Einwendungen geschaffen werden, was ihr im Folgenden eine sachgerechte Prüfung ermöglicht. Über den Ablauf des Erörterungstermins muss eine Niederschrift – in der Regel ist dies ein Wortprotokoll – erstellt werden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens werden die Angaben im Sicherheitsbericht von den Betreibergesellschaften mit technischen Unterlagen konkretisiert. Neben der rein fachlichen Prüfung wird im Genehmigungsverfahren auch darauf geachtet, dass die im Sicherheitsbericht und in der UVU / dem UVP-Bericht beschriebenen Eckpunkte eingehalten werden. Die Stellungnahmen und Einwendungen aus dem Verfahren zur Beteiligung der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung werden in die Entscheidung über den Genehmigungsantrag einbezogen.

Bekanntmachung der Entscheidung

Die Reaktorsicherheitsbehörde fällt ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens. Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Atomgesetz sowie dem Strahlenschutzgesetz vorliegen. Die Entscheidung über den Genehmigungsantrag wird öffentlich bekannt gemacht.

15. Wie lange dauert ein Genehmigungsverfahren?

Es ist bei jedem Genehmigungsverfahren mit einem mehrjährigen Prozess zu rechnen. Viel hängt wesentlich davon ab, wann die Betreibergesellschaft alle erforderlichen Genehmigungsunterlagen vollständig und prüffähig bei der Reaktorsicherheitsbehörde eingereicht hat.

16. Ist die Betreibergesellschaft nach Erteilung der Genehmigung verpflichtet, das Kernkraftwerk abzubauen?

Stilllegung und Abbau eines Kernkraftwerkes bedürfen einer atomrechtlichen Genehmigung. Erst nach Erteilung der Genehmigung dürfen die beantragten Maßnahmen ausgeführt werden. Es liegt im Grundsatz allerdings bei der Betreibergesellschaft, ob bzw. wann sie von dieser Genehmigung Gebrauch macht. Auch diese Lücke im Atomgesetz wollte die schleswig-holsteinische Landesregierung mit ihrer leider gescheiterten Bundesratsinitiative zur Änderung des Atomgesetzes schließen, um damit den Atombehörden das notwendige Durchsetzungsinstrumentarium an die Hand zu geben, die Stilllegung und den Abbau von Kernkraftwerken auch gezielt und effektiv durchzusetzen. Sollte die Betreibergesellschaft innerhalb von zwei Jahren keinen Gebrauch von der Genehmigung machen, kann die Genehmigungsbehörde diese widerrufen.

B. Spezielle Fragen zu den einzelnen Kernkraftwerken

Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB)

1. Wann wurde der Stilllegungs- und Abbauantrag für das Kernkraftwerk Brunsbüttel gestellt und was wurde genau beantragt?

Die Betreibergesellschaft des KKB hat mit Schreiben vom 01. November 2012 und vom 19. Dezember 2014 die Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes zur Stilllegung und zum Abbau des KKB (Abbauphase 1) beantragt.

In der Abbauphase 1 geht es um folgende Maßnahmen:

  • den Restbetrieb des KKB, der den Betrieb vorhandener Anlagenteile, die Anpassung der Nutzung von Anlagenteilen, die Errichtung und der Betrieb neuer Anlagenteile sowie die Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Luft und dem Wasser, den Ausbau und die Errichtung von Transportwegen und Lagerflächen und die Entsorgung radioaktiver Stoffe umfasst,
  • den Abbau von nicht mehr benötigten Anlagenteilen sowie
  • Nutzungsänderungen und am Ende das Freiräumen von Räumen im Kontrollbereich.

Am 08. Juni 2020 beantragte die Betreibergesellschaft die Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes für die Maßnahmen der Abbauphase 2.

In der Abbauphase 2 geht es um folgende Maßnahmen:

  • den Abbau weiterer nicht mehr benötigter Anlagenteile (u.a. Reaktordruckbehälters, Biologisches Schild)
  • Errichtung und Betrieb neuer Anlagenteile sowie
  • vollständige Dekontamination, Freimessung und Rückzug aus den Gebäuden mit Kontroll- oder Überwachungsbereichen,

Rückzug der Reststoffbearbeitung und Abfallbehandlung aus dem Maschinenhaus und schutzzielrelevante Änderungen an Außenhüllen des Reaktorgebäudes, des Maschinenhauses, des Feststofflagers sowie des UNS-Gebäudes.

2. Wann wurden die Genehmigungsanträge für das Zwischenlager für radioaktive Abfälle am Standort Brunsbüttel gestellt und was wurde genau beantragt?

Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle (siehe A.10.) ist das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle und Reststoffe (LasmA).

Zur Errichtung des LasmA hatte die Betreibergesellschaft des KKB einen Bauantrag bei der Unteren Baubehörde (Stadt Brunsbüttel) gestellt.

Für den Betrieb des LasmA wurde außerdem eine Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen im LasmA nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz beantragt. Der Antrag richtete sich damals nach § 7 Strahlenschutzverordnung in der Fassung, die bis zum 31. Dezember 2018 galt.

Im LasmA sollen im Einzelnen folgende radioaktive Stoffe eingelagert werden:

  • Abfälle und Reststoffe aus dem Betrieb und dem Abbau des KKB,
  • Abfälle und Reststoffe aus den Transportbereitstellungshallen I und II am Standort Brunsbüttel einschließlich der dort genehmigten Kapazitäten für Betriebsabfälle aus dem Kernkraftwerk Krümmel,
  • Großkomponenten (z.B. Teile der Turbinenanlage, Pumpen, Abschirmriegel) und
  • sonstige radioaktive Stoffe aus dem Betrieb des LasmA, der Transportbereitstellungshallen und des Standort-Zwischenlagers.

3. Wie liefen die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungen ab?

Bevor die Stilllegung bzw. der Abbau eines Kernkraftwerks genehmigt werden kann, ist u.a. eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Für das KKB fand dafür zunächst am 18. Dezember 2013 der Scoping-Termin statt (siehe A.14.).

Die auszulegenden Unterlagen legte die Reaktorsicherheitsbehörde vom 24. Februar bis zum 24. April 2015 öffentlich aus und zwar am Sitz der Reaktorsicherheitsbehörde in Kiel sowie im Rathaus in Brunsbüttel.

Am 06. und 07. Juli 2015 erörterte die Reaktorsicherheitsbehörde beim Erörterungstermin (siehe A.14.) im Elbeforum in Brunsbüttel die Einwendungen gegen die Anträge auf Stilllegung und Abbau des KKB sowie die für die geplante Errichtung und den Betrieb des LasmA. Rund 21 unterschiedliche Einwendungsschreiben wurden dabei zugrunde gelegt.

In dem Termin ging es u.a. um die Anforderungen an Stilllegung und Abbau, um den Strahlenschutz, die radioaktiven Abfälle, den Transport und die Lagerung oder auch um die Voraussetzungen für die Entlassung von Abbaumaterial aus dem Atomrecht.

4. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerkes Brunsbüttel nach dem Erörterungstermin weiter?

Die Betreibergesellschaft reichte in der Folgezeit noch eine Fülle von Fachberichten und geplanten betrieblichen Regelungen (z.B. Strahlenschutzordnung, Verfahrensregelung bei Abbaumaßnamen) bei der Reaktorsicherheitsbehörde ein, um die im Sicherheitsbericht enthaltenen Aussagen weiter zu konkretisieren und zu belegen. Insgesamt handelte es sich um mehr als 50 Dokumente (zuzüglich Anlagen), die häufig nachfolgend durch Revisionen ergänzt wurden.

Neben der Prüfung und Bewertung aller Genehmigungsunterlagen und der Auswertung des Erörterungstermins prüfte die Reaktorsicherheitsbehörde die von der Betreibergesellschaft vorgelegte Umweltverträglichkeitsuntersuchung und erstellte eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen während Stilllegung und Abbau des KKB. Außerdem führte die Reaktorsicherheitsbehörde noch eine abschließende Behördenbeteiligung zum Gesamtvorhaben durch.

Die Reaktorsicherheitsbehörde fällte ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens, u.a. der Einbeziehung der Einwendungen und Stellungnahmen aus den Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden. Nachdem die Genehmigungsvoraussetzungen vorlagen, wurde die Genehmigung am 21. Dezember 2018 erteilt und der Antragstellerin (Betreibergesellschaft) zugestellt. Außerdem wurde die Entscheidung im Internet-Auftritt der Reaktorsicherheitsbehörde öffentlich bekannt gemacht.

Betreffend die 2. Abbaugenehmigung für das KKB wurde im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass für das beantragte Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) besteht. Das Vorhaben hat nach Einschätzung der Reaktorsicherheitsbehörde keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen, die bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zu berücksichtigen wären. Das Ergebnis der Vorprüfung ist im UVP-Portal bekanntgemacht.

5. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zum LasmA nach dem Erörterungstermin weiter?

Am 26. September 2017 wurde von der Unteren Bauaufsichtsbehörde für die Pfahlgründung und Pfahlkopfplatte die 1. Teilbaugenehmigung erteilt. Eine Voraussetzung dafür war, dass die Reaktorsicherheitsbehörde zuvor die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit gemäß Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bestätigt hatte. Die Betreibergesellschaft konnte daher mit dem Bau des LasmA beginnen.

Darüber hinaus hatte die Betreibergesellschaft im Zusammenhang mit dem LasmA eine Prüfung der Umweltverträglichkeit durchzuführen. Im Rahmen dieser Prüfung wurden die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet. Die Ergebnisse spiegeln sich u.a. in der Teilbaugenehmigung wieder. So wurde die Betreibergesellschaft beispielsweise verpflichtet, eine Umweltbaubegleitung einzusetzen, Kompensationsmaßnahmen für neu zu versiegelnde Flächen und den Verlust von Gehölzen umzusetzen sowie die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen zum Schutz lärmempfindlicher Vogelarten zu ergreifen.

Am 22. Februar 2019 wurde von der Unteren Bauaufsichtsbehörde für die Folgebauschritte bis zur abschließenden Fertigstellung des Neubaus des LasmA die Baugenehmigung erteilt.

Die Betreibergesellschaft legte im weiteren Verlauf des Verfahrens eine Vielzahl von Fachberichten und weiteren Dokumenten, unter anderem Entwürfe des vorgesehenen betrieblichen Reglements, insbesondere Entwürfe von Teilen der Kapitel 1, 2 und 3 des LasmA Betriebshandbuches und des LasmA Prüfhandbuches, vor, um die im Sicherheitsbericht enthaltenen Aussagen weiter zu konkretisieren und zu belegen. Insgesamt handelte es sich um mehr als 40 Dokumente (zuzüglich Anlagen), die häufig nachfolgend durch Revisionen ergänzt wurden.

Auf ihren Antrag aus dem Schreiben vom 13. März 2019 zog die Reaktorsicherheitsbehörde gemäß § 78 Abs. 2 Landesverwaltungsgesetz die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH als spätere Betreiberin des LasmA nach Anhörung der Betreibergesellschaft zum Genehmigungsverfahren für den Umgang mit radioaktiven Stoffen im LasmA hinzu.

Mit Blick auf die zeitliche Divergenz zwischen der Erteilung der Teilbaugenehmigung, der Baugenehmigung und der strahlenschutzrechtlichen Genehmigung sowie der Verklammerung der Genehmigungsverfahren miteinander über die Umweltverträglichkeitsprüfung, forderte die Reaktorsicherheitsbehörde die Betreibergesellschaft auf, eine Betrachtung zur Aktualität der Umweltverträglichkeitsuntersuchung für das Vorhaben vorzunehmen.

Nach Prüfung des Sicherheitsgutachtens des Sachverständigenkonsortiums, detaillierter Bewertung aller Genehmigungsvoraussetzungen mit positivem Abschluss und einer abschließenden Behördenbeteiligung erteilte die Reaktorsicherheitsbehörde am 08.03.2023 die Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Abfällen und Reststoffen im LasmA und hat diese der der Antragstellerin (Betreibergesellschaft) zugestellt.

Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (u.a. in örtlichen Tageszeitungen im Raum Brunsbüttel) an die Personen, die Einwendungen erhoben hatten, veranlasste die Reaktorsicherheitsbehörde für Ende März 2023.

Bis zur Inbetriebnahme (erste Einlagerung) muss die Betreibergesellschaft gemäß den Auflagen der strahlenschutzrechtlichen Genehmigung noch eine Vielzahl von Unterlagen bei der Reaktorsicherheitsbehörde zur Prüfung und Zustimmung vorlegen.

Mit der Inbetriebnahme erfolgt dann auch der Übergang an die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH.

Kernkraftwerk Krümmel (KKK)

1. Wann wurde der Stilllegungs- und Abbauantrag für das Kernkraftwerk Krümmel gestellt und was wurde genau beantragt?

Den für Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Krümmel (KKK) notwendigen Antrag stellte die Betreibergesellschaft am 24. August 2015 bei der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde und ergänzte den Antrag mit Schreiben vom 29. September 2017 dahingehend, dass Stilllegung und Abbau auf der Grundlage nur einer atomrechtlichen Genehmigung erfolgen sollen.

Der Antrag beinhaltet

  • den Restbetrieb des KKK, der den Betrieb vorhandener Anlagenteile, die Anpassung der Nutzung von Anlagenteilen und die Errichtung neuer Anlagenteile sowie die Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Luft und dem Wasser, den Ausbau und die Errichtung von Transportwegen und Lagerflächen und die Entsorgung radioaktiver Stoffe umfasst,
  • den Abbau von nicht mehr benötigten Anlagenteilen einschließlich des Reaktordruckbehälters und des Biologischen Schildes,
  • Nutzungsänderungen und am Ende das Freiräumen von Räumen im Kontrollbereich und
  • den Nachweis der Freigabefähigkeit von Gebäuden und des Geländes mit dem Ziel der Entlassung des KKK aus der atomrechtlichen Überwachung.

2. Wann wurden die Genehmigungsanträge für das Zwischenlager für radioaktive Abfälle am Standort Krümmel gestellt und was wurde genau beantragt?

Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle (siehe A.10.) am Standort Krümmel soll das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle und Reststoffe am Brennelemente-Zwischenlager Krümmel (LasmAaZ) sein.

Zur Errichtung LasmAaZ hat die Betreibergesellschaft des KKK am 31. März 2017 einen Bauantrag bei der Unteren Baubehörde (Stadt Geesthacht) gestellt.

Für den Betrieb des LasmAaZ wurde außerdem am 13. Dezember 2016 nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz eine Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen im LasmAaZ beantragt.

Im LasmAaZ sollen im Einzelnen folgende radioaktive Stoffe eingelagert werden:

  • Abfälle und Reststoffe aus dem Betrieb und dem Abbau am Standort Krümmel, einschließlich der in den Stauräumen, wie beispielsweise dem Fasslager des KKK gelagerten Reststoffe und Abfälle,
  • Abfälle und Reststoffe des Standorts Krümmel, die derzeit in externen Lagereinrichtungen aufbewahrt sind oder Stoffe, die im Rahmen der bestehenden Genehmigungen externer Lager dort aufbewahrt werden dürfen sowie
  • sonstige radioaktive Stoffe, die als Abfälle beim Betrieb des LasmAaZ und des Brennelemte-Zwischenlagers Krümmel anfallen.

3. Wie liefen die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungen ab?

Die Genehmigungen zu Stilllegung und Abbau des KKK und für das LasmAaZ setzen u.a. voraus, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen stattgefunden haben. Dafür fand zunächst am 27. Juni 2016 in Geesthacht der Scoping-Termin statt (siehe A.14.).

Am 11. und 12. Dezember 2018 erörterte die Reaktorsicherheitsbehörde beim Erörterungstermin (siehe A.14.) zum Kernkraftwerk Krümmel im Sachsenwald Forum in Reinbek die Einwendungen gegen die Anträge auf Stilllegung und Abbau des KKK sowie für die geplante Errichtung und für den Betrieb des LasmAaZ. Rund 90 unterschiedliche Einwendungsschreiben wurden dabei zugrunde gelegt.

In dem Termin ging es u.a. um die radiologischen Auswirkungen auf die Gesundheit beim Umgang mit den beim Abbau des KKK anfallenden radioaktiven Stoffen, um das Minimierungsgebot im Strahlenschutz, aber auch um Vollständigkeit und Aussagekraft der von der Betreibergesellschaft eingereichten Antragsunterlagen. Den zweiten Tag der Erörterung dominierten Themen rund um das atomrechtliche Freigabeverfahren und um die konventionellen Umweltauswirkungen der Vorhaben. Besonders diejenigen Einwenderinnen und Einwender, die in der Nähe der Anlage wohnen, äußerten ihre Bedenken im Hinblick auf den zu erwartenden Lärm und Staub. Dabei entstand ein konstruktiver fachlicher Austausch, aus dem die Genehmigungsbehörde wichtige Aspekte für die weitere Prüfung der Genehmigungsanträge mitnehmen konnte.

4. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerkes Krümmel nach dem Erörterungstermin weiter?

Die Betreibergesellschaft reichte sukzessive - auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Einwendungen – weitere Antragsunterlagen, sogenannte Fachberichte ein (https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/R/reaktorsicherheit/kkwKruemmel.html). Diese wurden und werden durch die Reaktorsicherheitsbehörde unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen geprüft. Auf Basis dieser Prüfungen wird dann über den Antrag entschieden.

Eine Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung zu Stilllegung und Abbau des KKK wird für das Jahr 2023 avisiert.

5. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zum LasmAaZ nach dem Erörterungstermin weiter?

Am 30. April 2020 hat die Untere Baubehörde die Genehmigung für die Errichtung des LasmAaZ erteilt.

Der Baubeginn des LasmAaZ erfolgte am 29. Juni 2020.

Die Betreibergesellschaft reichte sukzessive - auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Einwendungen – weitere Antragsunterlagen, sogenannte Fachberichte ein (https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/R/reaktorsicherheit/kkwKruemmel.html). Diese wurden und werden durch die Reaktorsicherheitsbehörde unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen geprüft. Auf Basis dieser Prüfungen wird dann über den Antrag entschieden.

Kernkraftwerk Brokdorf

1. Wann wurde der Stilllegungs- und Abbauantrag für das Kernkraftwerk Brokdorf gestellt und was wurde genau beantragt?

Die Betreibergesellschaft des KBR hat mit Schreiben vom 01. Dezember 2017 und vom 24. März 2020 die Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes zur Stilllegung und zum Abbau (Abbauphase 1) des KBR beantragt.

Gegenstand des Antrages war der Restbetrieb des KBR und der Abbau von nicht mehr benötigten Systemen und Anlagenteilen (Abbauphase 1). Dem Antrag der Betreibergesellschaft auf Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Brokdorf ist zu entnehmen, dass mit der Abbauphase 1 begonnen werden soll, während sich noch Kernbrennstoffe in der Anlage befinden.

In der ersten Abbauphase ist der Abbau von nicht kontaminierten, kontaminierten sowie aktivierten Anlagenteilen vorgesehen. Dies umfasst u.a. die Einbauten des Reaktordruckbehälters.

In der zweiten Abbauphase, die zu einem späteren Zeitpunkt gesondert von der Betreiberin des KBR beantragt werden wird, sollen der Abbau des Reaktordruckbehälters, des biologischen Schildes und weiterer aktivierter Anlagenteile sowie der Bereiche um das Brennelementlagerbecken, den Abstell- und Reaktorraum beantragt werden.

2. Wann wurden die Genehmigungsanträge für das Zwischenlager für radioaktive Abfälle am Standort Brokdorf gestellt und was wurde genau beantragt?

Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle (siehe A.10.) am Standort des Kernkraftwerkes Brokdorf soll die geplante Transportbereitstellungshalle (TBH-KBR) sein.

Am 10. März 2020 stellte die Betreiberin den Bauantrag für die Errichtung der TBH-KBR bei der Unteren Baubehörde des Kreises Steinburg.

Die Betreibergesellschaft hatte mit Schreiben vom 08. Dezember 2017 und 24. März 2020 die Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen in einem neu zu errichtenden Zwischenlager bei der Reaktorsicherheitsbehörde beantragt.

In der TBH-KBR sollen im Einzelnen folgende radioaktive Stoffe eingelagert werden:

  • radioaktive Abfälle und Reststoffe aus dem Betrieb und dem Abbau am Standort Brokdorf sowie
  • sonstige radioaktive Stoffe, die als Abfälle beim Betrieb der neuen Transportbereitstellungshalle und des Brennelemente Zwischenlagers Brokdorf anfallen.

3. Wie liefen die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungen ab?

Die Genehmigungen zu Stilllegung und Abbau des KBR und für die TBH-KBR setzen u. a. voraus, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen stattgefunden haben. Dafür fand zunächst am 29. Januar 2019 in Brokdorf der Scoping-Termin statt (siehe A.14.).

In der Zeit vom 15. Juni 2020 bis zum 17. August 2020 wurden zuvor erhobene Einwendungen gegen die Anträge auf Stilllegung und Abbau des KBR sowie für die geplante Errichtung und für den Betrieb der TBH-KBR im Rahmen einer Online-Konsultation erörtert.

Die Erörterung beinhaltete Themen, wie z.B. die Anforderungen an Stilllegung und Abbau, den Strahlenschutz (hier insbesondere hinsichtlich der beantragten Höchstwerte für die Ableitung radioaktiver Stoffe mit dem Wasser), den Transport, die Lagerung und Inspektion radioaktiver Abfälle oder die Voraussetzungen für die Entlassung von Abbaumaterial aus dem Atomrecht.

4. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerkes Brokdorf nach dem Erörterungstermin weiter?

Die Betreibergesellschaft reichte sukzessive - auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Einwendungen – weitere Antragsunterlagen, sogenannte Fachberichte ein (https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/R/reaktorsicherheit/brokdorfFachberichte.html). Diese wurden und werden durch die Reaktorsicherheitsbehörde unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen geprüft. Auf Basis dieser Prüfungen wird dann über die Anträge entschieden.

Eine Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung zu Stilllegung und Abbau des KBR wird für das Jahr 2024 avisiert.

5. Wie ging es mit den Genehmigungsverfahren zur TBH-KBR nach dem Erörterungstermin weiter?

Die Betreibergesellschaft reichte sukzessive - auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Einwendungen – weitere Antragsunterlagen, sogenannte Fachberichte ein (https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/R/reaktorsicherheit/brokdorfFachberichte.html). Diese wurden und werden durch die Reaktorsicherheitsbehörde unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen geprüft. Auf Basis dieser Prüfungen wird dann über den Antrag entschieden.

C. Fragen zur Entsorgung radioaktiver Stoffe

C: Fragen zur Entsorgung radioaktiver Stoffe

1. Welche radioaktiven Abfälle fallen in einem Kernkraftwerk an?

Grundsätzlich wird zwischen radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung (schwach-und mittelradioaktiven Abfällen) und wärmeentwickelnden radioaktiven (hochradioaktiven) Abfällen unterschieden. Zu Letzteren zählen die Brennelemente. Dies sind radioaktive Stoffe, die nach § 9a Atomgesetz geordnet beseitigt werden müssen. Voneinander zu unterscheiden sind folgende drei Gruppen:

  1. Kernbrennstoffe und Spaltprodukte
    Diese hochradioaktiven Stoffe sind in den Brennstäben der Brennelemente enthalten. Abgebrannte Brennelemente müssen standortnah zwischengelagert werden, bis ein Bundesendlager hierfür zur Verfügung steht.
  2. Aktivierte Komponenten
    Komponenten in der Nähe des Reaktorkerns können durch die bei der Kernspaltung entstandenen Neutronen selbst radioaktiv geworden sein. Diese aktivierten Komponenten müssen teilweise abgeschirmt, mittels mechanisierter Abbauverfahren demontiert und als (schwach- oder mittel-) radioaktiver Abfall bis zur Verbringung in ein Bundesendlager
  3. Kontaminierte Stoffe
    Bei kontaminierten Stoffen, z.B. bei Komponenten wie Rohrleitungen sind die Oberflächen durch radioaktive Stoffe verschmutzt. Für die Reinigung der Oberflächen stehen verschiedene Möglichkeiten wie Spülen, mechanische und chemische Reinigungsverfahren zur Verfügung. Je nach Verschmutzungsgrad und Oberflächenart wird das jeweils geeignete Verfahren ausgewählt. Ziel der Dekontamination ist, nach Reinigung der Oberflächen das restliche Material konventionell entsorgen zu können. Das ist erst möglich, wenn Messungen ergeben haben, dass die Radioaktivität der Abfälle so gering ist, dass sie konventionellen Abfallbereichen zugerechnet werden können. Dann sind diese Stoffe nicht mehr dem radioaktiven Abfall zuzuordnen.

Die bei der Dekontamination entstehenden Abfälle werden als schwach- oder mittelradioaktive Abfälle bis zu ihrer Verbringung in ein Bundesendlager zwischengelagert.

2. Was sind radioaktive Reststoffe?

Radioaktive Reststoffe sind radioaktive Stoffe, bei denen über den Wiederverwendungs-, Verwertungs- oder Entsorgungsweg noch nicht entschieden ist. Der Zeitpunkt, wann im Verfahren ein Reststoff ein solcher bleibt und im Rahmen einer Strahlenschutzgenehmigung weiterverwendet wird, in das Freigabeverfahren gegeben wird oder zum radioaktiven Abfall wird oder auch, ob von Anfang an ein Stoff als radioaktiver Abfall definiert ist, ist verfahrens- und stoffabhängig. So hängt dies insbesondere von möglichen konkret zur Verfügung stehenden Verwertungs- oder Entsorgungswegen und der Ausgestaltung der zu Verfügung stehenden Entsorgungsverfahren ab. Häufig wird bei übergeordneten Betrachtungen und Darstellungen konkret nicht zwischen Abfällen und Reststoffen unterschieden, sondern generisch von Abfall gesprochen.

3. Welche unterschiedlichen Materialien fallen beim Abbau an?

Neben den radioaktiven Abfällen fallen beim Abbau eines Kernkraftwerkes alle Arten von Reststoffen und Abfällen an, wie sie auch beim Abbau von anderen Industrieanlagen anfallen. Hierzu gehören z. B. Metalle, Plastik, Dämmmaterialien, Leuchtstoffröhren, Bauschutt, Betonteile usw. Allerdings unterscheidet man beim Abbau von Kernkraftwerken radioaktive Abfälle von nicht radioaktiven Abfällen. Die größten zu entsorgenden Massen werden nach heutigen Schätzungen erst nach Entlassung der Bauwerke aus dem Atomrecht und damit ca. 10 bis 15 Jahre nach Erteilung der Stilllegungsgenehmigung anfallen, wenn die Gebäude abgerissen werden.

4. Wie groß ist der Anteil des radioaktiv belasteten Materials im Verhältnis zur Gesamtmenge des abzubauenden Materials?

Entsprechend den Erfahrungen aus anderen Abbauverfahren nimmt der Anteil der radioaktiven Abfälle etwa 0,7% bis 3% der Gesamtmasse ein. Die nicht radioaktiven Materialien bzw. Abfälle oder Reststoffe, die mittels Freigabe oder Herausgabe aus der Atomaufsicht entlassen werden, machen erfahrungsgemäß mit etwa 97% der Gesamtmassen dagegen den weitaus größten Teil aus. Davon stellen wiederum den Großteil abgerissene Gebäude dar.

5. Warum kann man vor Stilllegungsbeginn keine wirklich genauen Massenangaben über die zu erwartenden radioaktiven Abfälle erhalten?

Es liegen umfangreiche radiologische Daten aus der Betriebszeit des jeweiligen Kernkraftwerks vor. Auf dieser Basis kann eine Abschätzung der zu erwartenden Abfallmassen durchgeführt werden. Gleichwohl werden erst noch durchzuführende Messungen (z.B. an Stellen, die bisher nicht zugänglich sind) Aufschluss über die tatsächlich vorliegende Aktivität in den abzubauenden Materialien erbringen.

Bei den tatsächlich anfallenden Abfallmassen spielen auch die in der Folge konkret zum Einsatz kommenden Zerlege-, Dekontaminations- und Konditionierungsverfahren eine wichtige Rolle. Die genauen jeweiligen Massen wird man also erst am Ende des Abbaus kennen.

6. Was ist eine Freimessung und wie erfolgt sie?

Eine Freimessung ist ein wesentlicher Bestandteil des Freigabeverfahrens. Nach Dekontaminationsverfahren und Orientierungsmessungen werden die Stoffe, von denen eine Einhaltung der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung erwartet werden kann, einer Freimessung – häufig auch Entscheidungsmessung genannt – zugeführt. Bei der Freimessung wird die spezifische Aktivität (in Becquerel pro Gramm) der freizugebenden Stoffe, Gegenstände oder Gebäude gemessen. Diese Aktivitäten werden umgerechnet auf die jeweiligen Nuklide und mit den nuklidspezifischen Freigabewerten aus der Tabelle 1 in Anlage 4 der Strahlenschutzverordnung verglichen. Die Messung erfolgt durch unterschiedliche Messverfahren und Messgeräte, die je nach freizugebender Materialart und zu detektierenden Strahlungsarten (alpha-, beta-, oder Gammastrahlung) zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel eine große Freimessanlage oder ein InSitu-Gammespektrometer.

Weiterführende Informationen der Entsorgungskommission

7. Wann gilt Bauschutt als freigemessen? 

Abfall, etwa Bauschutt, gilt als freigemessen, wenn die in der vorherigen Antwort (siehe C.6.) beschriebene Freimessung eine Unterschreitung der Freigabewerte der Tabelle 1 in Anlage 4 der Strahlenschutzverordnung ergeben hat. Die Freimessung ist eine wesentliche Grundlage für die Freigabe.

Mit den unterschiedlichen Freigabewerten der Strahlenschutzverordnung wird vorgegeben, ob der Stoff uneingeschränkt oder spezifisch freigegeben werden kann (siehe C.11. und 12.). Damit ist dann nachgewiesen, dass bei einem der Freigabeart entsprechenden Umgang mit den Stoffen – also der Deponierung oder beispielsweise auch einer Verwertung im Straßenbau mit jeweils unterschiedlichen Freigabewerten – für Personen der Bevölkerung maximal eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten kann (§ 31 Abs. 2 Strahlenschutzverordnung). Eine solche Dosis gilt als vernachlässigbar (siehe C.6.).

8. Es wird immer wieder über Mikrosievert gesprochen. Was ist damit gemeint?

Zur Bewertung der biologischen Wirkung, dem Risiko von Radioaktivität für den Menschen, für Tiere und Pflanzen, wurden im Strahlenschutz verschiedene Dosisgrößen eingeführt. In den meisten Fällen wird bei der Verwendung des Begriffs Dosis von der effektiven Dosis gesprochen. Die Maßeinheit der Dosis ist Sievert. Ein Sievert effektive Dosis stellt ein Joule abgegebene Energie in einem Kilogramm Körpergewebe dar, wobei die Wirkungen der verschiedenen Strahlungsarten auf den ganzen Körper dabei berücksichtigt werden. Ein Mikrosievert ist ein Millionstel eines Sieverts. Im Durchschnitt beträgt die natürliche Exposition von Einzelpersonen der Bevölkerung im Jahr aufgrund natürlicher Strahlenquellen (kosmische, terrestrische, innere und äußere Strahlung, Einatmen des Edelgases Radon) 2,1 Millisievert (2100 Mikrosievert). Die Abbildung zeigt Dosisbeispiele durch die Exposition mit verschiedenen natürlichen und künstlichen Strahlenquellen. Die Abbildung zeigt Dosisbeispiele durch die Exposition mit verschiedenen natürlichen und künstlichen Strahlenquellen.


Weiterführende Informationen über Umweltradiaktivität des Bundesamts für Strahlenschutz
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9. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und Bedenken gibt es hinsichtlich des Verfahrens der Freimessung?

Aus der Bevölkerung gibt es vereinzelt Kritik an der Freimessung.

Es wird unter anderem angeführt, dass eine zusätzliche Belastung von 10 Mikrosievert nicht akzeptabel sei und selbst der Ärztetag gegen die Freigabe sei.

Hierzu ist folgendes anzumerken: Der Bundesgesetzgeber hat mit der neuen Strahlenschutzverordnung aus November 2018 das 10-Mikrosievert-Konzept (siehe C.6.) überprüft und hält es weiterhin für zumutbar, auf dieser Basis eine Freigabe zu regeln – sogar im Zusammenhang mit dem § 2 Entsorgungsübergangsgesetz zu fordern, dass alle freigebbaren Stoffe auch freizugeben sind. Diese Entscheidung basiert im Übrigen auf der aktuellen Europäischen Grundnorm und entspricht auch darüber hinaus internationalem Standard. Ganz wesentlich bei der Begründung ist, dass eine Dosis von 10 Mikrosievert pro Jahr weit unterhalb der Schwankung der natürlichen Aktivität liegt. Insgesamt sind das 10-Mikrosievert-Konzept und die Freigabe derart gesetzlich verankert, dass die Freigabe zu erteilen ist, wenn das 10-Mikrosievert-Konzept eingehalten ist. Eine Wahlmöglichkeit hat die zuständige Behörde hier nicht.

Was die Aussagen des Ärztetages betrifft, so ist folgendes richtig:

In der Entschließung Ib – 111 des 120. Deutschen Ärztetages heißt es unter anderem:

"Die Delegierten des 120. Deutschen Ärztetages 2017 warnen vor der Verharmlosung möglicher Strahlenschäden durch die geplante Verteilung von gering radioaktivem Restmüll aus dem Abriss von Atomkraftwerken (AKW).

Durch die sogenannte "Freigabe" gering radioaktiven Restmülls in die allgemeine Wiederverwertung und der Lagerung auf normalen Mülldeponien wird die Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten völlig unnötig und vermeidbar zusätzlichen Strahlenbelastungen ausgesetzt."

Die dazu ergangene Erklärung des Vorstandes der Bundesärztekammer gegenüber der Bundesregierung lautet wie folgt:

"Als Ärzte weisen wir darauf hin, dass es anerkanntermaßen keinen Schwellenwert für die Unbedenklichkeit von ionisierender Strahlung gibt. Gleichwohl sind aber alle Menschen täglich ionisierender Strahlung aus Umwelt, Natur und begründeten Röntgenuntersuchungen ausgesetzt. Wir erkennen an, dass das international gebräuchliche und bundesweit gültige 10-Mikrosievert-pro-Jahr-Konzept bei freigegebenen Abfällen aus dem Rückbau von Kernkraftwerken das mögliche Risiko der Bevölkerung auf ein vernachlässigbares Niveau senkt.

Der Vorstand der Bundesärztekammer stellt fest, dass die Entschließung Ib – 111 des 120. Deutschen Ärztetages nicht wissenschaftlich haltbar ist.

Des Weiteren wird zum Teil kritisiert, dass der Betreiber selbst die Messungen durchführt. Dass der Betreiber selbst den Nachweis der Einhaltung der Anforderungen an die Freigabe zu erbringen und dies zu dokumentieren hat, ist in der Strahlenschutzverordnung in § 42 festgelegt. Umfangreiche Kontrollen, Begleitungen und Prüfungen durch unabhängige von der Reaktorsicherheitsbehörde hinzugezogene Sachverständige und die Atomaufsicht selbst garantieren aber ein bestmögliches Maß an Sicherheit und dass nur solche Stoffe freigegeben werden, die alle Anforderungen an die Freigabe erfüllen. So werden z.B. Freimessungen durch Sachverständige begleitet, Freigabedokumentationen durch diese geprüft und außerdem jede Masse oder Teilmasse durch die Reaktorsicherheitsbehörde freigegeben.

10. Wer erteilt die Freigabe und kann die Freigabe verweigert werden?

Die Freigabe ist ein Verwaltungsakt, der von der Reaktorsicherheitsbehörde auf Basis umfangreicher Prüfungen von durch sie hinzugezogenen unabhängigen Sachverständigen und aufgrund eigener Prüfungen erteilt wird. Freigaben können nicht verweigert werden, wenn die Anforderungen der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden. Dann ist auch das 10-Mikrosievert-Konzept eingehalten (siehe C.6.). Die Reaktorsicherheitsbehörde ist an geltendes Recht gebunden.

11. Was bedeutet die uneingeschränkte Freigabe?

Nach Erteilung der uneingeschränkten Freigabe können Stoffe wie z.B. Metalle völlig ohne strahlenschutzrelevante Einschränkungen gehandhabt, benutzt, weitergegeben oder verarbeitet werden. Die abfallrechtlichen Randbedingungen an bestimmte Entsorgungswege sind hiervon unberührt, so dass Abfälle, die nicht recyclingfähig sind und Abfälle mit Schadstoffen (z.B. Dämmmaterialien, Asbest, belasteter Bauschutt) letztlich auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen beseitigt werden müssen.

12. Was ist unter spezifischer Freigabe zu verstehen?

Die spezifische Freigabe ist gekoppelt an spezifische Randbedingungen bzw. Entsorgungswege. Diese können dabei das Abreißen von Gebäuden, das Einschmelzen von Metall oder das Deponieren oder Verbrennen sein. Erst bei Einhaltung dieser Bedingungen ist auch tatsächlich das sogenannte 10-Mikrosievert-Konzept (siehe C.6) eingehalten. An die Entsorgungsbetriebe sind jeweils unterschiedliche Anforderungen zu stellen, z. B. Deponiegröße, Verbrennungsdurchsatz, Menge an zusätzlich einzuschmelzendem Material, die vor Freigabe abgeprüft werden.

13. Was bedeutet Herausgabe?

Für die Materialien, die von einer Genehmigung nach z.B. § 7 Atomgesetz umfasst sind, die aber weder radioaktiv kontaminiert noch aktiviert sind, wird für die Entlassung aus diesem Regime der Begriff der Herausgabe verwendet. Mit dem Verfahren der Herausgabe wird sichergestellt, dass es für Materialien, die nicht unter die Strahlenschutzverordnung fallen und für die damit die Anforderungen der Freigabe nicht gelten, dennoch ein von der Reaktorsicherheitsbehörde festgesetztes Verfahren gibt, das den Weg aus der atomrechtlichen Überwachung regelt. Damit wird sichergestellt, dass z.B. Gebäude, die auf dem Gelände eines Kernkraftwerkes stehen, aber keinen unmittelbaren Zusammenhang mit diesem haben (etwa Kantine), frei von z.B. Kontaminationen oder Aktivierung aus dem Anlagenbetrieb sind. Sollten im Rahmen des Herausgabeverfahrens z.B. Kontaminationen festgestellt werden, käme eine Herausgabe nicht mehr in Betracht, sondern die Stoffe müssten als radioaktive Reststoffe behandelt werden.

Es können nur solche nicht radioaktiven, kontaminations- und aktivierungsfreien Stoffe, bewegliche Gegenstände, Gebäude, Bodenflächen und Anlagenteile herausgegeben werden, die zu keinem Zeitpunkt Bestandteil eines Kontrollbereiches waren. Die Kontaminations- und Aktivierungsfreiheit ist durch Kontrollmessungen zu bestätigen.

14. Was ist die Grundlage für die Herausgabe?

Das "Handbuch Reaktorsicherheit und Strahlenschutz" des Bundes enthält in Kapitel 3-73 einen Stilllegungsleitfaden. In diesem ist die Herausgabe beschrieben. Sie ist demnach in den Antragsunterlagen und der Genehmigung zur Stilllegung zu beschreiben und entsprechend umzusetzen, was von der Reaktorsicherheitsbehörde überwacht wird. Dadurch ist sichergestellt, dass die Strahlenschutzverordnung nicht umgangen wird. Die Herausgabe ist keine vereinfachte Freigabe, sondern hat einen anderen Regelungsbereich, nämlich den der nicht radioaktiven, nicht kontaminierten und nicht aktivierten Stoffe.

15. Was wird mit dem nicht radioaktiv belasteten Bauschutt passieren? Wie und wo wird dieses Material entsorgt bzw. verarbeitet werden?

Reststoffe mit zu vernachlässigender bzw. keiner Aktivität müssen nicht als radioaktiver Abfall zwischen- und endgelagert werden. Sie machen den weitaus überwiegenden Anteil der Gesamtmasse eines Kernkraftwerkes aus und können, falls sie aus dem Kontrollbereich stammen und demnach Kontamination oder Aktivierung aufweisen können, nach Teil 2 Kapitel 3 Strahlenschutzverordnung freigegeben oder, falls sie nur aus dem Überwachungsbereich stammen und demnach grundsätzlich keine Kontamination oder Aktivierung aufweisen, nach einem gesonderten Herausgabeverfahren aus der Atomaufsicht entlassen werden und unterliegen dann dem Regime des Abfallrechts. Hier kommt dann die Wiederverwendung (z.B. Metalle aus der uneingeschränkten Freigabe), Rezyklierung (z.B. Bauschutt aus der uneingeschränkten Freigabe) sowie z.B. Deponierung oder Verbrennung (z.B. spezifische Freigabe von Bauschutt oder Öl zur Beseitigung) in Betracht.

Bei der uneingeschränkten Freigabe kann Bauschutt gemäß Abfallrecht weiterverwendet oder rezykliert werden. Bei der spezifischen Freigabe zur Deponierung ist der Bauschutt zu deponieren. Dies wird in jedem Einzelfall entschieden.

Die Sensibilität in der Bevölkerung aber auch bei Betreibern von Entsorgungsunternehmen freigegebene Stoffe betreffend ist sehr hoch. Gleichzeitig ist aber auch die Freigabe aufgrund der großen Mengen nicht belasteten Materials eine Voraussetzung für die Stilllegung und den sofortigen Abbau der Kernkraftwerke. Das Energiewendeministerium hat sich daher entschlossen, die Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke und die öffentlich-rechtliche und private Entsorgungswirtschaft mit den Herausforderungen der Entsorgung dieser Stoffe nicht alleine zu lassen. Das Energiewendeministerium unterstützt die Beteiligten bei der Suche nach und Nutzung von gesicherten, regionalen Entsorgungslösungen, um dauerhaft die Entsorgung dieser unbedenklichen Abfälle sicherzustellen.

D. Fragen zur Deponierung freigegebener Abfälle

D. Fragen zur Deponierung freigegebener Abfälle

1. Was für Abfälle sind zu deponieren?

Beim Abbau von Kernkraftwerken fallen in erheblichem Umfang Abfälle an, die beim Rückbau anderer industrieller Anlagen ebenfalls anfallen. Auf die Abfälle, die aus dem Strahlenschutzrecht freigegeben werden (siehe C.11. und 12.), sind das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die darauf basierenden Verordnungen anzuwenden. Dies bedeutet, dass nur die Abfälle zu beseitigen, insbesondere zu deponieren sind, die nicht verwertet werden können. Von den Abbauabfällen der Kernkraftwerke ist dies nur ein geringer Anteil. Beispielsweise sind Isolierwolle oder asbesthaltige Abfälle nicht verwertbar. Diese müssen aus abfallrechtlichen Gründen grundsätzlich deponiert werden. Andere Abfälle sind nur zu deponieren, sofern die Freigabemessungen ergeben, dass eine spezifische Freigabe (siehe C.12.) zu erfolgen hat.

2. Wer ist für die Beseitigung der beim Abbau anfallenden Abfälle, die nicht verwertet werden können, zuständig?

Während die Betreiber der Kernkraftwerke als Abfallerzeuger für die Verwertung ihrer Abfälle selbst zuständig sind, sind Abfälle zur Beseitigung den zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, also den Kreisen, in denen die Kernkraftwerke liegen, bzw. deren Abfallwirtschaftsgesellschaften, zu überlassen. Diese können für ihre Entsorgungsaufgaben entweder eigene Anlagen vorhalten oder sie beschaffen sich am Entsorgungsmarkt entsprechende Beseitigungskapazitäten.

3. Warum werden die zu deponierenden Abfälle nicht ortsnah beseitigt?

Eine ortsnahe Beseitigung ist grundsätzlich zu begrüßen und wird bislang für die am Standort des Kernkraftwerkes Krümmel anfallenden Abfälle auch praktiziert. Der für das Kernkraftwerk Brunsbüttel zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger verfügt allerdings über keine ortsnahe eigene Deponie. Es ist ihm auch nicht gelungen, für die zu deponierenden freizugebenden Abfälle entsprechende Deponierungsmöglichkeiten am Entsorgungsmarkt zu finden. Für mineralische Abfälle von anderen Standorten gelingt ihm das. Hintergrund sind die an den Standorten der infrage kommenden Deponien vorhandenen Akzeptanzprobleme.

4. Wie viel freigemessener Abfall fällt in allen Kernkraftwerken in Schleswig-Holstein an?

Von der jeweiligen Bauart und der jeweiligen Gesamtmasse der Kernkraftwerke hängen die tatsächlichen Massen unter anderem ab, außerdem vom Erfolg entsprechender Dekontaminationsmaßnahmen und von dem Ergebnis von Freimessungen. Es gibt erste Prognosen der Betreibergesellschaften über die jeweiligen Gesamtmassen der Kernkraftwerke:

Kernkraftwerk Brunsbüttel320.000 Tonnen
Kernkraftwerk Krümmel541.000 Tonnen
Kernkraftwerk Brokdorf655.000 Tonnen

Erwartungsgemäß werden sich diese Prognosen im Laufe des Abbaufortschritts auf Basis weiterer Messungen immer wieder ändern. Erfahrungen aus anderen Abbauprojekten zeigen aber, dass die Massen, die deponiert werden müssen, im Vergleich zur Gesamtmasse der Anlagen und auch zur Masse der Abfälle, die ansonsten deponiert werden, sehr gering sind.

Der weitaus größere Anteil wird verwertet werden können.

5. Nach welchen Kriterien wurden die geeigneten Deponien ausgewählt?

Nach der Strahlenschutzverordnung sind für die Beseitigung spezifisch freigegebener Stoffe nur solche Entsorgungsanlagen geeignet, die mindestens den Anforderungen der Deponieklassen DK I bis IV nach der Deponieverordnung entsprechen. In Schleswig-Holstein sind Deponien der DK I und II vorhanden. Das Energiewendeministerium hat diese Deponien durch externe Sachverständige untersuchen lassen. Zu begutachten war, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Dosiskriterium der Strahlenschutzverordnung bei einer Deponierung spezifisch freigegebener Abfälle nicht eingehalten werden könnte. Im Ergebnis sind alle sieben betrachteten Deponien grundsätzlich geeignet. Durch weitere zum Teil aufwändige Untersuchungen u.a. des Grundwasserpfades und der Sickerwasserentsorgung wäre zu erarbeiten, ob möglicherweise die abzulagernden Massen freigegebener Abfälle eingeschränkt werden müssten. Solche Untersuchungen hält das Land nur für diejenigen Deponien für vertretbar, die aufgrund ihres freien Restvolumens noch für eine längere Zeit zur Verfügung stehen. In die engere Auswahl für die abfallrechtliche Zuweisung von Abfällen des Kernkraftwerks Brunsbüttel sind daher nur Deponien mit einem ausreichend freien Restvolumen gelangt. Weitere Aspekte, die in die Bewertung einbezogen werden, sind außerdem die zulässigen chemischen Annahmeparameter und der Katalog der zugelassenen Abfallarten.

6. Müssen die Deponien dafür neu zugelassen werden?

Eine gesonderte Zulassung ist für die Ablagerung freigegebener Abfälle nicht erforderlich. Die Abfälle unterscheiden sich mit Ausnahme des Herkunftsortes nicht von denjenigen, mit denen die Deponien in ihrem Tagesgeschäft ohnehin regelmäßig umgehen. Durch die Freigabe ist sichergestellt, dass ausschließlich solche Abfälle deponiert werden, die nicht radioaktiv sind. Durch die Beteiligung der für die Deponien zuständigen Zulassungs- und Überwachungsbehörde am Freigabeverfahren wird sichergestellt, dass alle erforderlichen abfallrechtlichen Zulassungen vorliegen.

7. Wie wird sichergestellt, dass die Bevölkerung ausreichend geschützt ist?

Dies wird durch die sorgfältige Umsetzung des so genannten 10-Mikrosievert-Konzepts der Strahlenschutzverordnung gewährleistet (siehe C.6.). In diesem Rahmen nehmen externe Sachverständige im Auftrag der Reaktorsicherheitsbehörde u.a. eine 100%ige Überprüfung der durch die Betreiber durchgeführten Freigabemessungen vor und führen selbst Kontrollmessungen durch. Außerdem überprüft die Reaktorsicherheitsbehörde die Einhaltung der Voraussetzungen zusätzlich für jede einzelne Charge und gibt nur dann die Abfälle frei, wenn sichergestellt ist, dass alle Anforderungen an die Einhaltung des 10-Mikrosievert-Konzeptes eingehalten sind.

Ergänzend werden die Deponien durch externe Sachverständige daraufhin begutachtet, ob die Einhaltung einer maximalen effektiven Strahlendosis von 10 Mikrosievert pro Kalenderjahr gewährleistet ist. Diese Betrachtungen beziehen sich auf jede Person der Bevölkerung, also sowohl die Mitarbeiter auf den Deponien wie auch die Nachbarschaft der Deponie. Es werden dabei alle relevanten und abdeckenden Emissionspfade und sehr lange Zeiträume betrachtet, in denen z.B. Radionuklide möglicherweise auch über den Grundwasserpfad ausgetragen werden könnten.

Weitere Aspekte können im Rahmen der Deponie-Plus (siehe D.13.) vereinbart werden.

8. Welche Art der Deponierung ist für freigemessenen Abfall notwendig? Welche Voraussetzungen muss eine Deponie erfüllen?

Zunächst dürfen nur durch die Reaktorsicherheitsbehörde freigegebene Abfälle deponiert werden. Eine erfolgreiche Freimessung alleine ist nicht ausreichend (siehe C.7.).

Die freigegebenen Abfälle sind nach der Freigabe wie herkömmliche Abfälle zu deponieren. So sind beispielsweise asbesthaltige Abfälle und Abfälle, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, in sogenannten Big Bags anzuliefern und nach der Ablagerung mit geeigneten Materialien wie Bodenaushub zu überschütten.

Deponien, auf denen spezifisch zur Deponierung freigegebene Abfälle abgelagert werden, müssen mindestens den Anforderungen der Deponieklassen nach § 2 Nr. 7 bis 10 der Deponieverordnung entsprechen (Deponien der Deponieklassen I bis IV), und sie müssen eine Jahreskapazität im Mittel der vergangenen drei Jahre von mindestens 10.000 Tonnen oder 7.600 Kubikmetern aufweisen. Beides ergibt sich aus Anlage 8 Teil C Nr. 3 zu den §§ 35, 36, 37 sowie Anlage 4 der Strahlenschutzverordnung. Zudem dürfen der Reaktorsicherheitsbehörde keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass am Standort der Deponie das Dosiskriterium für die Freigabe nicht eingehalten wird (§ 36 Abs. 2 Strahlenschutzverordnung). In Schleswig-Holstein sind entsprechende Deponien der Deponieklassen I und II vorhanden.

9. Wird kontrolliert, dass von der Deponierung wirklich keine Strahlung ausgeht und wer kontrolliert das oder ist dafür verantwortlich?

Von freigegebenen Stoffen kann nur eine Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert pro Kalenderjahr auf Einzelpersonen der Bevölkerung (siehe B.6.) ausgehen. Die Dosis, die von der natürlichen Radioaktivität ausgeht, ist 200 Mal höher. Messungen würden nur die natürliche Hintergrundstrahlung zeigen. Daher werden solche Messungen auch nicht durchgeführt.

10. Unter welchen Voraussetzungen ist eine zentrale Sonderdeponierung möglich? Kann es eine zentrale Deponie für sämtlichen freigemessenen Abfall geben?

Eine zentrale Monodeponierung von freigegebenen Abfällen ist nicht möglich.

Nach den Anforderungen der Strahlenschutzverordnung ist eine Monodeponierung spezifisch zur Beseitigung freigegebener Abfälle nicht zulässig, weil dem 10-Mikrosievert-Konzept (siehe C.6.) gerade die gemeinsame Ablagerung mit nicht spezifisch freigegebenen Abfällen zugrunde liegt.

Eine Monodeponie für uneingeschränkt freigegebene Abfälle, die aus abfallrechtlichen Gründen zu deponieren sind, scheidet aufgrund der äußerst geringen zu erwartenden Abfallmengen aus; der Bedarf könnte nicht nachgewiesen werden, was aber bei einer Planfeststellung notwendig wäre.

Die großen Massen an verwertbaren Abfälle dürfen aus abfallrechtlichen Gründen (Verwertungsgebot) nicht deponiert werden.

11. Auf welcher Rechtsgrundlage können Deponien zur Annahme verpflichtet werden und durch wen?

Wenn sich keine Bereitschaft bei geeigneten Deponien findet, die Abfälle aufzunehmen, sind Landes-Abfallbehörden von Rechts wegen gehalten, die Entsorgungssicherheit auf anderem Wege herzustellen. Die Möglichkeit dazu gibt ihnen § 29 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz. Danach kann die zuständige Behörde den Betreiber einer Abfallbehandlungsanlage verpflichten, einem Beseitigungspflichtigem die Mitbenutzung der Abfallbeseitigungsanlage gegen angemessenes Entgelt zu gestatten. Zuständig für die Anwendung dieser Regelung ist in Schleswig-Holstein das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume als obere Abfallentsorgungsbehörde.

12. Wie ist das weitere Verfahren?

Für bis Ende 2022 zur Deponierung anfallen Abfälle des Kernkraftwerkes Brunsbüttel wurden zwei Deponien zur Annahme durch jeweils einen Zuweisungsbescheid verpflichtet: die Deponie Niemark in Lübeck und die Deponie Johannistal in Ostholstein. Ausschlaggebend dafür sind die in D.5. aufgeführten Kriterien. Beide Deponiebetriebe haben Klage gegen die Zuweisung eingereicht.

Es wäre wünschenswert, dass die Beteiligten für alle zu deponierenden Abfälle freiwillige Lösungen fänden. Sollte dies nicht gelingen, werden weitere Zuweisungen vorzunehmen sein. Es wäre dann zu gegebenem Zeitpunkt zu entscheiden, welche der Deponien für diese weiteren Zuweisungen in Betracht kommen. 

13. Was ist mit dem Modell "Deponie Plus"?

Das Modell "Deponie Plus" wurde in einer Arbeitsgruppe des Energiewendeministeriums mit den Kommunalen Landesverbänden, den Umweltverbänden, der Abfallentsorgungswirtschaft und den Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke entwickelt. Es bezeichnet Maßnahmen, die zusätzlich zu den rechtlich vorgegebenen geeignet sind, die Akzeptanz und die Transparenz der Deponierung freigegebener Abfälle zu verbessern. Wichtig dabei ist, dass derartige Maßnahmen regional diskutiert und nur freiwillig zwischen den Betroffenen vereinbart werden können. Auch wenn durch die abfallrechtliche Zuweisung der Pfad der Freiwilligkeit verlassen wurde, sind außerhalb des Verwaltungsverfahrens Maßnahmen im Sinne des Modells "Deponie Plus" noch möglich. Das Energiewendeministerium steht hierfür weiterhin beratend zur Verfügung.

Im Rahmen der Deponie Plus können z.B. für die Deponien ergänzend über Ablaufpläne die einzelnen Schritte der Abfallbereitstellung, des Transports, der Annahme, der Ablagerung und der Dokumentation detailliert beschrieben werden. Isolierwolleabfälle und asbesthaltige Abfälle sind schon nach abfallrechtlichen Vorschriften in so genannten Big Bags anzuliefern und mit anderen mineralischen Abfällen zu überdecken. Auch andere freigegebene Abfälle von den Standorten der Kernkraftwerke könnten mit aus anderen Quellen stammenden mineralischen Abfällen, wie Boden, Aschen oder nicht verwertbarem Bauschutt, abgedeckt werden.

14. In welcher Weise wurden bei der Entscheidung zur Deponierung der Landtag, die Kommunen und die Betreibenden der Deponien beteiligt?

Die konkrete Entscheidung, welcher Deponie Abfälle zugewiesen werden sollen, obliegt der zuständigen Abfallentsorgungsbehörde; sie eignet sich nicht für Diskussionen mit den genannten Stellen. Seit 2016 hat die Landesregierung auch öffentlich bei nahezu allen der mehr als 50 Veranstaltungen eine abfallrechtliche Zuweisung als letzte Option genannt.

In die Vorbereitung dieser Entscheidung sind die genannten Stellen wie folgt eingebunden worden:

  • Landtag: Der Umweltminister hat mehrfach zum Stand des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung freigegebener Abfälle schriftlich (Kleine Anfragen, Bericht) und im Umwelt- und Agrarausschuss des Landtags (14.09.2016, 18.09.2019, 11.11.2020, 12.01.2021) berichtet. Darüber hinaus gab es zwei Informations- und Diskussionsveranstaltungen im Landtag (30.11.2015, 23.07.2016).

  • Kommunen: Im Sommer 2015 wurde versucht, die Kommunalen Landesverbände von dem Gedanken einer „Entsorgungsvereinbarung“ zu überzeugen, die auf Verbandsebene zwischen den Kommunen, den Umweltverbänden, der Entsorgungswirtschaft und den -Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke mit dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung abzuschließen wäre und den Rahmen für die Entsorgung bis zum Ende der Abbauphase der Kernkraftwerke gebildet hätte. Diese Verantwortung lehnten die Kommunalverbände im Herbst 2016 ab. Anschließend wurden die Verbände in einer Arbeitsgruppe „Entsorgung freigegebener Abfälle“ an der Prüfung alternativer Entsorgungslösungen beteiligt (11/2016 bis 07/2018, Abschlussbericht). Seit Oktober 2019 findet der Austausch unter den im Wesentlichen gleichen Beteiligten in einer „Begleitgruppe Entsorgung freigegebener Abfälle“ statt.
    Die Deponiestandortgemeinden wurden im Mai 2016 direkt bei einer Informationsveranstaltung im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung informiert. Anschließend fanden auf Einladung der Gemeinden separate Informationsveranstaltungen in Harrislee, Großenaspe, Gremersdorf, Damsdorf, Melsdorf und Lübeck statt. Im September 2019 wurden die Deponiegemeinden mit einem ausführlichen Ministerschreiben, der Stellungnahme des mit der Deponieprüfung beauftragten Sachverständigen und weiteren Hintergrundinformationen über den aktuellen Sachstand informiert. Auf das darin enthaltene nochmalige Angebot zu einem Austausch mit und in den Gemeinden, ist keine Gemeinde mehr zurückgekommen.

  • Deponiebetreiber: Mit den Deponiebetreibern wurden seit 2015 mehrere Gespräche geführt. Zuletzt wurde im Oktober 2020 mit den Betreibern der für eine Zuweisung konkret infrage kommenden Deponien gesprochen. Die dort genannten Argumente wurden bei der Entscheidung berücksichtigt. Von allen Betreibern genannte Akzeptanzprobleme bzw. kommunalpolitische Beschlusslagen konnten aus rechtlichen Gründen keine Bedeutung erlangen.

15. Welche Schritte gibt es im Verwaltungsverfahren der Zuweisung – wie geht es weiter?

Die Verpflichtung von Deponiebetreibern, die Mitbenutzung ihrer Deponien durch andere Beseitigungspflichtige zu gestatten, ist ein belastender Verwaltungsakt. Zu diesem sind die Beteiligten zunächst nach § 87 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz) anzuhören - in dem Fall aus 2021 zur Entsorgung von freizugebenden Abfällen des Kernkraftwerkes Brunsbüttel - also die Deponien Johannistal und Niemark. Vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume als gemäß § 119 Abs. 1 des Landesverwaltungsgesetzes in Verbindung mit § 73 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung zuständiger Behörde wurden in enger Abstimmung mit dem Energiewendeministerium die Stellungnahmen der Deponiebetriebe und der Abfallwirtschaft Dithmarschen bewertet und die Anordnungen erlassen. Gegen den jeweiligen Zuweisungsbescheid wurde jeweils Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.

Weitere Informationen

Weitere ausführliche Informationen zu Stilllegung und Abbau kerntechnischer Anlagen erhalten Sie unter

https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/stilllegung/stilllegung_node.html

und

https://www.base.bund.de/SharedDocs/Downloads/BASE/DE/rsh/3-bmub/3_73.html

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