Friesen leben im Norden des Landes Schleswig-Holstein: an der Westküste, den nordfriesischen Inseln und auf Helgoland. Die Zahl derjenigen, die sich von Abstammung und Selbstverständnis her als Nordfriesen fühlen, wird auf etwa 50.000 Personen geschätzt - das ist etwa ein Drittel der Bevölkerung dieser Region.
Letzte Aktualisierung: 21.01.2015
Geschichte
Friesen gibt es seit über 2000 Jahren. Im Jahr 12 vor Christus werden sie von römischen Geschichtsschreibern erstmals erwähnt. Die frühe nordfriesische Geschichte aber liegt weitgehend im Dunkeln. Archäologische und sprachwissenschaftliche Befunde belegen, dass die Friesen in zwei Schüben von ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet zwischen Zuidersee (heute Ijsselmeer) und Weser nach Nordfriesland wanderten. Im 8. Jahrhundert wurden vor allem die Inseln und Halligen besiedelt. Die Besiedlung der Marschgebiete auf dem Festland erfolgte dann zur Jahrtausendwende. Auseinandersetzungen mit dem expandierenden Frankenreich, die Wirren der Wikingerzeit, vielleicht ein Ausweichen vor der Christianisierung werden als Gründe für die Wanderung nach Nordfriesland angenommen.
Einen nordfriesischen Staat hat es nie gegeben. Nur zweimal in der friesischen Geschichte wurde der Gedanke an einen nordfriesischen Staat formuliert: 1848 durch den nordfriesischen Revolutionär Harro Harring und 1919/20 durch den Bauernpolitiker Cornelius Petersen. Diese Ideen fanden aber keinen Anklang in der friesischen Bevölkerung.
Eine eigene Flagge haben die Nordfriesen trotzdem. Das Wappen auf der Flagge zeigt neben der dänischen Krone und einem halben deutschen Reichsadler einen Grütztopf. Der Legende nach sollen friesische Frauen Gegner mit heißer Grütze vertrieben haben. Das im 19. Jahrhundert geprägte politische Schlagwort "Lewer duad üs slav!" (Lieber tot als Sklave) betont den sprichwörtlichen Unabhängigkeitssinn der Friesen.
Die friesische Sprache
Das Friesische ist eine eigenständige Sprache. Es gehört wie Englisch, Niederländisch und Deutsch zur westgermanischen Sprachengruppe. Neben Nordfriesisch gibt es noch das Westfriesische, das in der Provinz Friesland in den Niederlanden gesprochen wird, und das Saterfriesische im niedersächsischen Saterland. Das Ostfriesische ist in seinem ursprünglichen Kernland ausgestorben - hier wird seitdem plattdeutsch gesprochen.
Schleswig-Holstein auf Friesisch
Nordfriesisch gehört zu den Minderheitensprachen, die von der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen geschützt werden. Es ist eine der kleinsten Sprachen in Europa. Annähernd 8.000 bis 10.000 Menschen beherrschen die nordfriesische Sprache. Passive Sprachkenntnisse haben ungefähr doppelt so viele. Das Bökingharder und das Fering gehören zu den meist gesprochenen Mundarten des Friesischen. Für die Hauptdialekte des Nordfriesischen liegen Wörterbücher und Sprachlehren sowie zahlreiche literarische Werke vor. Im nordfriesischen Sprachgebiet in Schleswig-Holstein wird im Schuljahr 2021/2022 an zwölf Modellschulen Friesisch unterrichtet, davon an neun öffentlichen Schulen und an drei Schulen der dänischen Minderheit. Schwerpunktmäßig wird Friesisch an Grundschulen unterrichtet, aber auch in der Sekundarstufe I und II. Der Friesischunterricht auf Helgoland wurde im Februar 2020 eingestellt, da keine Nachfolge für die langjährige Friesischlehrkraft gefunden werden konnte. An den Universitäten Kiel und Flensburg kann Friesisch studiert werden.
Die unterschiedliche Besiedlung Nordfrieslands zeigt sich heute noch deutlich in den unterschiedlichen Dialekten. So besteht das Nordfriesische aus den zwei Dialektgruppen "Festland-Nordfriesisch" und "Insel-Nordfriesisch", die sich wiederum in neun Mundarten unterscheiden. Die unterschiedlichen Varianten des Friesischen hindern die Friesen aber nicht daran, sich untereinander zu verständigen.
Die Mundarten des Festland-Nordfriesisch sind: Wiedingharder, Bökingharder, Karrharder (vom Aussterben bedroht), Nordergoesharder, Mittelgoesharder (vom Aussterben bedroht), Südergoesharder (um 1980 ausgestorben), Halligfriesisch (vom Aussterben bedroht). Das Insel-Nordfriesisch teilt sich in Syltring (Sölring), Föhring-Amring (Fering, Öömrang) und Helgoländisch (Halunder).
Jedes Jahr am 21. Februar brennen an der nordfriesischen Küste, auf den Inseln und Halligen über 60 Biiken (Leuchtfeuer). Biike ist friesisch und bedeutet "Feuerzeichen". Die Biike geht bis auf heidnische Zeiten zurück. Schon vor 2.000 Jahren sollte der Opferbrand den Gott Wotan gnädig stimmen und ihn dazu bewegen, die eisige Jahreszeit zu beenden.
Die Feuer leuchteten auch nach der Christianisierung weiter über die See. Seit dem 17. Jahrhundert dienten die Biike-Feuer nach einem langen Winter den auslaufenden nordfriesischen Walfängern als Abschiedsgruß. Und weil man vor der lebensgefährlichen Arbeit auf See alle Rechtsfragen geordnet haben wollte, wurden auch Gerichtstage gehalten. Heute sind die Feuer eine beliebte Touristenattraktion.
Im Volksmund heißt es scherzhaft: "Der Friese lernt zuerst das Laufen, dann aber das Boßeln." Boßeln ist eine Sportart. Zwei Mannschaften versuchen durch den Wurf einer Kugel eine abgesteckte Strecke mit möglichst wenig Würfen zu überwinden. Dabei gibt es keine feste Wurfbahn, die Wettbewerbe finden auf Straßen statt.
Das Spiel geht auf eine Art militärisches Training der Friesen für die Dorfverteidigung zurück. Die Friesen besaßen in der Vergangenheit keine Waffen und konnten sich daher gegen Seeräuber und andere Eindringlinge nur mit Steinen und wohl gezielten Lehmkugeln wehren.
Boßeln wird überwiegend in den norddeutschen Küstenregionen, aber auch weltweit gespielt. Friesische Auswanderer brachten das Spiel nach Amerika. Heute finden im Boßeln regelmäßig nationale und internationale Meisterschaften statt.
Als Dachorganisation der Friesen vereinigt der Interfriesische Rat die Nordfriesen und Ostfriesen in Deutschland mit den in den Niederlanden lebenden Westfriesen. Die zwei größten nordfriesischen Vereinigungen sind der Nordfriesische Verein e.V. und der Friisk Foriining. Sie sind Dachorganisationen zahlreicher kleinerer Ortsvereine und Gruppen. Alle nordfriesischen Organisationen arbeiten im Friesenrat Sektion Nord e.V. zusammen. Er ist der zentrale Ansprechpartner von Bund, Land, Kreis Nordfriesland und dessen Kommunen.
Von großer Bedeutung für die Pflege der friesischen Sprache, der Kultur und der Geschichte ist das "Nordfriisk Instituut" in Bredstedt als zentrale wissenschaftliche Einrichtung. Es versteht sich als Brücke zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wissenschaft und Laienforschung. Das Institut ist vor allem auf dem Gebiet der Sprache, Geschichte und Landeskunde wissenschaftlich und publizistisch tätig. Die Arbeit wird überwiegend aus Zuschüssen des Landes Schleswig-Holstein finanziert.
Die Friesenstiftung / Friisk Stifting
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat mit Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes am 31. Januar 2020 die "Stiftung für die Friesische Volksgruppe im Lande Schleswig-Holstein" (Friesenstiftung) gegründet. Sie trägt die friesische Bezeichnung "Friisk Stifting".
Der Zweck der Stiftung ist die Förderung von Kunst und Kultur, die Pflege der Sprache, die Förderung von Volksbildung und Forschung, die Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde und die Förderung des traditionellen Brauchtums jeweils in Bezug auf die friesische Volksgruppe in Schleswig-Holstein sowie die Förderung der interfriesischen Zusammenarbeit. Mit der Stiftungsgründung im Jahr 2020 wird ein lang gehegter Wunsch der friesischen Volksgruppe nach einer Unterstützungsform mit ihrer Mitbestimmung umgesetzt.
Die vier zentralen Vereine und Dachverbände der friesischen Volksgruppe im Lande Schleswig-Holstein (Frasche Rädj, Nordfriesischer Verein, Friisk Foriing und Verein Nordfriesisches Institut) sind – jeweils mit einer Person - im Stiftungsrat als beschlussfassendes Gremium mit Stimmrecht vertreten und nehmen an allen Entscheidungen über die Mittelverwendung teil.
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